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"Der Prinz von Homburg": Eine eindringliche Inszenierung

"Der Prinz von Homburg"

Eine eindringliche Inszenierung

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    Prinz von Homburg. Bild: Theater Augsburg
    Prinz von Homburg. Bild: Theater Augsburg

    Zu Anfang erlebt der schlafwandelnde Prinz von Homburg (André Willmund) seine Welt als Idealvorstellung, frei von Zweifeln, ohne Schrecken. Er ist der Kriegsheld, der fest mit dem Militärstiefel auftritt, wie unter Zwang um sich schießt, sich den Lorbeerkranz aufs Haupt setzt, still verzückt die Arme ausbreitet, als wolle er ins ewige Glück davonfliegen. Doch dies ist ein Trugbild, das in zwei aufregenden Theaterstunden untergeht im Grauen des Krieges. Was Träumerei war, wird Trauma.

    Nicht Helden und Triumph gebiert die Schlacht, sondern Verlust und Tod. Regisseur Jan Philipp Gloger (28) hat am Theater Augsburg gleichsam die Nachtseite von Kleists Schauspiel um Eigenverantwortung und Staatsräson inszeniert. Er findet einprägsame, wirkungsstarke Bilder dafür. Radikal reduziert ist die schwarze Bühne. Leere und Weite sind Resonanzraum für Kleists wunderbare Sprache, die lebendig und fesselnd wirkt, allerdings oft nicht deutlich genug zu verstehen ist. Eine militarisierte Gesellschaft, die an Nazideutschland denken lässt, aber unbestimmter gemeint ist, bewegt sich am Abgrund, am Rande eines klaffenden Kraters in der Bühnenmitte, einem offenen Grab, der Hölle. Sie ist zunächst noch abgedeckt durch des Kurfürsten Schlachtplan, den der Prinz durchkreuzt und zerfetzt, als er hineinspringt und im pulverdampfenden Schlund verschwindet. Fortan ist diese Grube Zentrum des Spiels.

    Gefechtsdonner lässt die Luft erzittern wie ein unheimliches Gewitter, dem keiner entkommt. Gloger zeigt, was bei Kleist nur Worte sind: Tote Soldaten liegen aufgebahrt auf der Bühne. Gewissheiten gibt es in diesen Erschütterungen nicht mehr. Die kalten Duschen aus dem Wasserglas wecken Träumer und bremsen Erregte. Gloger konzentriert sich auf das Hin- und Hergerissensein der Figuren, er treibt sie durch ein ständiges Wechselbad der Gefühle zwischen Schrecken und Übermut, Verzweiflung und Hoffnung, Verlorenheit und Selbstbeherrschung, Auflehnung und Anpassung. Auf der Bühne wird das immer wieder in Kippbilder übersetzt. Homburg im Gefängnis schwankt auf seinem Stuhl am Abgrund. Die Blume, die ihm Freund Hohenzollern als Gruß bringt, wird kurz darauf als Todesblume ins offene Grab geworfen.

    Das vaterländische Pathos, in dem diese Gesellschaft in Uniform gefangen ist und zu dem die Figuren immer wieder Zuflucht suchen, wirkt ausgehöhlt - es ist keine Rückversicherung mehr. Die kämpferisch erhobene Faust ist bloß noch eine tragikomische, leere Geste.

    Kleists Kriegsdrama um den ungestümen preußischen Offizier Homburg, der in der Schlacht gegen die Schweden eigenmächtig handelt und deshalb zum Tode verurteilt wird, diesem Schicksal am Ende aber entgeht, eben weil er sich in den Schuldspruch fügt, steuert in der Textvorlage auf einen kollektiven Taumel zu, in dem alle, "Heil! Heil! Heil!" rufend, in die Schlacht ziehen. Diesem Finale verweigert sich Regisseur Gloger. Er setzt in Augsburg ein eigenes, starkes Ausrufezeichen. Bei ihm wird der Prinz von Homburg am Ende einer Seelenreise, auf der er jämmerliche Todesangst erfährt, zu einem Nachdenklichen, der dem Fanatismus wohl nicht mehr folgt. Während er wie erstarrt verharrt, führen Kurfürst (Klaus Müller) und Kurfürstin (Ute Fiedler), die geliebte Prinzessin Natalie (Karoline Reinke) und die Kameraden Kottwitz (Alexander Koll) und Hohenzollern (Tjark Bernau) einen Veitstanz der Kriegstrunkenheit auf - und als sie aufgeputscht losziehen, mäht eine Maschinengewehrsalve sie nieder.

    Jan Philipp Gloger hat viel hineingepackt in seine Inszenierung, in der stille und schrille Szenen wechseln und die bei aller Betonung von Entsetzen Überzeichnungen, Pathos und Komik nicht scheut. Starker Applaus des Premierenpublikums für Ensemble und Regie. Empfehlung: Vor dem Theaterbesuch das Stück lesen. Michael Schreiner

    Nächste Aufführungen am 3., 9., 10., 16., 18., 30. Oktober

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