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Dokumentarfilme: Dokumentarfilmfest München: So spannend ist das echte Leben

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Dokumentarfilmfest München: So spannend ist das echte Leben

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    Auch hier findet Bildung statt: die „School of Hope“ in der öden Steppe von Marokko.
    Auch hier findet Bildung statt: die „School of Hope“ in der öden Steppe von Marokko. Foto: Dok.fest München

    Zuhur hat unter seinen vielen Kindern zwei besondere: Als Jungs sind sie geboren, aber sie fühlen sich als Töchter. Er soll sie umbringen, raten die strengen Muslime dem Landsmann in Syrien. Er aber sagt: „Kinder sind Teil meiner Seele, wie könnte ich sie töten?“ Also flieht Zuhur mit seiner Familie nach Deutschland, wo er in sein Schicksal ergeben die Umwandlung der beiden jungen Transfrauen verfolgt.

    Zahlreiche Entdeckungen beim Münchner Dokumentarfilmfest

    Kein Spielfilm könnte packender das außergewöhnliche Setting erfinden, das Laurentia Genske und Robin Humboldt dokumentieren. Ihr Film ist eine von zahlreichen Entdeckungen auf dem noch bis Sonntag laufenden Münchner Dokumentarfilmfestival, das zum zweiten Mal digital @home stattfindet. 131 Filme sind dort am Start, insgesamt neun Filmpreise werden verliehen. „Zuhurs Töchter“ ist der Gewinner in der Sparte „DOK.deutsch“. Es gibt in diesem Film kein Herumgedruckse. Die Schwestern leben unbefangen ihre Identität, ihre Stärke, Aufrichtigkeit, ihr Style und Humor sind umwerfend. Und dies alles eingebettet in die Wärme einer Familie und Kultur, die so ganz anders ist: Vater hat zwei Ehefrauen, die Mama trägt den Hidschab und betet.

    Bizarr mutet zunächst auch die Schule mitten in der steinigen Steppe Marokkos an. Keine Siedlung ist weit und breit zu sehen, das trostlose Bauwerk ist voller Staub und Gerümpel, es gibt weder Wasser noch Toilette. Hier soll der neue Lehrer Unterricht halten? „Dieses Klassenzimmer ist besser als nichts“, sagt er und wirbt geduldig bei den Nomaden um Kinder für seine „School of Hope“, so auch der Titel des Films von Mohamed El Aboudi. Es ist eine Gesellschaft im Übergang, die Hirten verdienen mit den Herden gerade das Nötigste, zunehmende Dürre setzt ihnen zu. Die Kinder ahnen, dass Bildung ihnen eine bessere Zukunft mit einem richtigen Beruf ermöglichen kann. Ihre Eltern wollen davon erst überzeugt werden. Der Film liefert Bilder von karger Großartigkeit und einer nüchternen Ehrlichkeit, die unter die Haut geht. Zurecht erhielt er den Preis der SOS-Kinderdörfer weltweit.

    "Hinter den Schlagzeilen" begleitet Journalisten bei der investigativen Recherche

    Im Münchner Hochhaus der Süddeutschen Zeitung ist ganz oben eine besondere Redaktion: die investigative Recherche. Bastian Obermayer und Frederik Obermaier haben bereits in internationaler Kooperation die Panama Papers mit ihrem brisanten Inhalt über Steuerhinterziehung im großen Stil aufgedeckt. Filmemacher Daniel Sager hat Zutritt in die gehüteten Räume bekommen und begleitet das Journalistenteam mit der Kamera in die Welt „Hinter den Schlagzeilen“, so der Filmtitel.

    Er reist mit durch die ganze Welt. In Moskau bei Edward Snowden, in Malta bei den Ermittlern des Mordanschlags auf Daphne Caruana Galizia, kurz nach Paris, Sicherheitskonferenz in München mit Austausch bei Geheimdienstleuten, nach Washington. Dazwischen die Lagebesprechung in der Chefredaktion mit mehreren Juristen. Der Zuschauer erhält den Eindruck, ihm bleibe keine Tür verschlossen, hier zeige eine Zeitung ihr präzises Räderwerk. Für das investigative Ressort gibt es immer Neues zu tun und mitten in den Filmdreh platzt die Ibiza-Affäre des österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache, die am Ende eine tief greifende Regierungskrise in Wien auslöst. Auf alle Seiten sichert sich die Redaktion penibel ab, ehe sie mit dem Coup herauskommt. „Und bitte kein Triumphgeheul“, dämpft SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach das Hochgefühl, wieder etwas Außerordentliches geleistet zu haben.

    Dokumentarfilm begibt sich auf die Spur skrupelloser Holzfäller

    Verdeckt ermittelt auch Alexander von Bismarck. Er ist den Waldfrevlern weltweit auf den Spuren, deren Holzeinschlag jeden Kunden im Baumarkt zu einem „Komplizen schwerster Verbrechen“ macht. Die skrupellosen Holzfäller schüchtern die Bevölkerung ein, zerstören einzigartigen Lebensraum für Wildtiere, hinterlassen kahle Bergrücken. Die drei Filmemacherinnen Michaela Kirst, Monica Lazurean-Gorgan und Ebba Sinzinger sind in „Wood – Der geraubte Wald“ dem investigativen Team gefolgt und lassen den Zuschauer die Gefahr spüren, in die sich die Männer begeben.

    Ihr Ziel ist es, mit neuen Regeln die illegalen Machenschaften der internationalen Holzmafia zu unterbinden. Denn Holz, so scheint es, ist das neue Gold. Die Vorräte werden knapp, die Nachfrage steigt. Eine unrühmliche Rolle spielt dabei auch ein österreichischer Konzern, der vor allem in Rumänien im Geschäft ist: „Es werden keine Fragen gestellt, die Holzfäller liefern und werden bezahlt.“ So geht es überall – auch in Sibirien, auch in China.

    Lesen Sie dazu das Interview mit dem Leiter des Dokumentarfilmfestes:

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