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Die blutige Schuld bleibt

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Die blutige Schuld bleibt

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    Jelinek Stück
    Jelinek Stück Foto: Carola Hölting

    Erst vor knapp einem Jahr uraufgeführt, ist Elfriede Jelineks RAF-Drama "Ulrike Maria Stuart" drei Jahrzehnte nach dem "Deutschen Herbst" 1977 schnell auf zahlreichen Bühnen vertreten. Im Podium des Theaters Ulm entschied sich jetzt Regisseurin Fanny Brunner, die Wortkaskaden der österreichischen Nobelpreisträgerin derart zu entflechten, dass aus ihnen konkret erkennbare Figuren von beeindruckender Kenntlichkeit entstehen.

    Gartenzwerg-Idylle deutscher Vorstadtsiedlung: darin mit überquellendem Einkaufswagen zwei Vertreter jener Vätergeneration (Karl Heinz Glaser, Gunther Nickles), die - einst NS-Profiteure - ihre Karrieren nach 1945 nahtlos fortsetzen konnten. Darin aber auch, und vom Überfluss überfüttert, die hilflosen Kinder Ulrike Meinhofs.

    Der Kapitalismus frisst seine Kinder wie die Revolution es tut: Die Sprachartistin Elfriede Jelinek seziert das Innenleben der RAF und die Konsumgesellschaft der 70er Jahre mit dem Skalpell; sie lässt die intellektuelle linke Journalistin Ulrike Meinhof an der Gesellschaft verzweifeln und weiß doch, dass blutige Schuld bleibt.

    Messerscharfe Sätze über die Macht der Wirtschaft und über die Anstrengung, ein Mensch zu sein; entlarvende Wort-Doppeldeutungen: Szenen, die haften bleiben wie jene letzten Lebensminuten der Ulrike Meinhof, die Karen Köhler mit ungeheurer Intensität spielt.

    "Keinen Frieden bringe ich euch!

    Die Ulmer Inszenierung wirkt durch starke Bilder, vor allem aber durch expressive Mimik und eine extrem dichte schauspielerische Leistung. Karen Köhler gelingt als verzweifelter Ulrike Meinhof eine dramatische wie stimmliche Meisterleistung. Sie erkennt, dass sich ihre Gruppe immer weiter von ihrem Ziel entfernt. Ihrer Gegenspielerin Gudrun Ensslin, die die Schwelle zum Töten überschritten hat, verleiht Aglaja Stadelmann kompromisslose Facetten einer rauen, lustvollen Selbstüberschätzung, die in der Umkehrung ihrer religiösen Erziehung durch das Elternhaus mit den Worten gipfelt: "Keinen Frieden bringe ich euch!"

    Ihr zu Füßen, kindlich-bedürftig, egoman und sich selbst überhöhend: Andreas Baader (Christian Taubenheim). Die junge Johanna Paschinger und Andreas Uhse überzeugen als Kinder Ulrike Meinhofs. Langer Beifall.

    Die nächsten Aufführungen am 3., 9., 11., 18., 20. Oktober.

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