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Uraufführung: Die Waffen der Frauen

Uraufführung

Die Waffen der Frauen

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    Von ihrem ersten, kindisch-närrischen Ehemann Johann (Niklas Maienschein) lässt Fürstin Margarete Maultasch (Elisbath Hütter) sich später scheiden. 	<b>Foto: Forster</b>
    Von ihrem ersten, kindisch-närrischen Ehemann Johann (Niklas Maienschein) lässt Fürstin Margarete Maultasch (Elisbath Hütter) sich später scheiden. <b>Foto: Forster</b> Foto: Forster

    Historiendrama: das klingt nach verschwurbelter Sprache, nach Vergangenheit, nach ausladenden Bühnendekorationen. Weit entfernt davon war die Uraufführung von Christoph Nußbaumeders neuem Stück „Margarete Maultasch“ im Landestheater Schwaben in Memmingen, das den Aufstieg und Fall dieser Landesfürstin von Tirol im 14. Jahrhundert erzählt. Das Publikum erlebte in der Inszenierung von Intendantin Kathrin Mädler drei Stunden lang hochdramatische, fesselnde Theaterkunst mit absolut heutigen Figuren. In den frenetischen Schlussapplaus hinein verbeugte sich neben einem völlig verausgabten Ensemble auch ein sichtlich berührter Autor.

    Christoph Nußbaumeder, Jahrgang 1978, ein Star unter den Autoren des deutschen Gegenwartstheaters, ist bekannt für seine modernen Volkstheaterstücke, in denen er hochaktuelle Themen aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel angeht. Diesmal versetzt er uns in einer raffinierten Mischung aus Frauenbiographie, Politthriller und Volkstheater in die Zeit einer spätmittelalterlichen Herrscherin, die vom belächelten Mädchen zur respektierten Machtpolitikerin wird (wer dächte da nicht an Angela Merkel) – und tragisch endet. Zwangsheirat und Kinderehe, sexuelle Gewalt als Machtmittel, Frauenunterdrückung, Fremdenhass und Minderheiten als Sündenbock: Was damals gang und gäbe war, ist heute längst nicht überwunden.

    Gefährdet durch die Intrigen von Männern

    In unruhigen Zeiten, in denen die Habsburger, die Wittelsbacher und die Luxemburger um die Vormacht in Europa streiten, wird im strategisch wichtigen Tirol die pubertierende Margarete mangels männlichem Erben gegen ihren Willen verheiratet und auf die politische Bühne gestellt. Dort findet sie erst langsam ihren Platz, unterstützt von einem aufklärerischen jüdischen Berater, gefährdet durch die Intrigen machthungriger Männer. Die eigenen Lebenswünsche und Sehnsüchte haben da wenig Platz. Margarete führt ihr Land schließlich zu wirtschaftlicher und kultureller Blüte. Bis die Pest hereinbricht und alles zerstört.

    Nußbaumeder erzählt das Drama in der ihm eigenen, handfesten Sprache, mit viel bösem Humor, aber auch großer, berührender Tragik. Und Mädler ist keine Regisseurin die so einen kraftvollen Text verhackstückt. Er steht über allem und wird mit viel Emotion in einer bestechend zeichenhaften Ausstattung von Mareike Delaquis-Porschka in Szene gesetzt. Sie hat eine Burg aus vier schräg gestellten, weißen Stoffwänden gebaut, eiskalt wie eine Gletscherspalte, in der die Protagonisten bisweilen als böse Schattenspieler agieren. Durchweg schwarz kostümiert ist die Hofgesellschaft. Entfernt an Mittelalter erinnernde Details typisieren eitle Gecken, Karrieristen, Intriganten, Kurie oder enttäuschte Mätressen treffend.

    Sie zweifelt und rast, liebt und verachtet

    In dieser farblosen Kulisse entfaltet sich das von Mädler bis in die kleinste Geste hinein exakt ausgearbeitete Spiel besonders saftig. An diesem Abend stimmte alles. Fast das gesamte Ensemble steht mit Claudia Frost, David Lau, Jan Arne Looss, Tobias Loth, Niklas Maienschein, Jens Schnarre, André Stuchlik und Regina Vogel auf der Bühne – jeder fasziniert in seiner (teils doppelt besetzten) Rolle. Sie alle überragt eine großartige Elisabeth Hütter in der Titelrolle. Ihre Margarete zweifelt und rast, liebt und verachtet, leidet und kämpft in einer Intensität, die bis an die Schmerzgrenze geht. „Wir Frauen haben unsere eigenen Kriegsschauplätze“, sagt sie einmal. Hütter hat ihren als Schauspielerin gewonnen.

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