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Die SGL-Arena des FC Augsburg: Hüllenlos – das passt nicht

Die SGL-Arena des FC Augsburg

Hüllenlos – das passt nicht

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    So könnte die Außenfassade des neuen FCA-Stadions aussehen.
    So könnte die Außenfassade des neuen FCA-Stadions aussehen.

    Augsburg bietet zwei Sportarten, die viele Menschen anziehen – Eishockey und Fußball –, und in beiden Disziplinen hat die Stadt massive Probleme mit den dafür gebauten Stadien. Beim Umbau des Eisstadions kam es durch Planungsfehler zu einer Verschlechterung der Sicht auf die Spielfläche – nun muss der Umbau nochmals umgebaut werden. Doch das Eisstadion bekommt nach dem Entwurf der Münchner Architekten Hermann + Öttl eine bildkräftige Fassade, die man als überdimensionierten Eiskristall interpretieren kann, die also symbolisch auf das hinweist, worum es in dieser Sportstätte geht.

    Beim neuen Fußball-Stadion ist es genau umgekehrt: Da funktionieren die Sichtbeziehungen; der heute gewünschte „Hexenkessel“ mit Nähe zwischen Zuschauern und Spielern ist gelungen, aber es fehlt die Fassade. Seit ihrer Eröffnung im Jahr 2009 steht die Augsburger Arena als blanke Beton-Konstruktion da, eine attraktive Umhüllung mit einem Gespinst aus Alurohren, wie sie die Stadionplaner Titus Bernhard und Peter Kögl (Augsburg/Fischach) entworfen hatten, wurde mehrfach verschoben. Nun ist der FC Augsburg in die erste Fußball-Bundesliga aufgestiegen, der Jubel in Augsburg ist groß, aber das Stadion soll weiter nackt bleiben; der Verein will gleichsam hüllenlos spielen und sich von der mit der Stadt vertraglich vereinbarten Fassade verabschieden.

    Geht das? Nein, das geht nicht, auch wenn der Verein über Finanznöte klagt und ins Feld führt, er könne mit dem für die Fassade vorgesehenen Geld (2,5 Millionen Euro) viel Wichtigeres tun: gute Spieler einkaufen und ein Trainingszentrum für den Nachwuchs finanzieren.

    Aus der Sicht eines Fußball-Managers, -Fans oder -Spielers mag das so sein. Aus der Sicht eines Stadtbewohners, Bürgers und Steuerzahlers muss man widersprechen und sagen: Auf die Fassade kann man nicht verzichten, schon aus rechtlich-politischen Gründen: Schließlich wurde sie aus gutem Grund zwischen FCA und Stadt vereinbart.

    Erstens: Wenn die Stadt schon mit den Steuergeldern ihrer Bürger die teure Infrastruktur für den Betrieb des Stadions bereitstellt – sowohl bauliche Verkehrserschließung wie die jeweils aktuelle Verkehrslenkung bei den Spielen –, dann muss sie dafür als Gegenleistung auf ein ansprechendes Erscheinungsbild beharren, das Augsburg schmückt und nicht abwertet. Dieser „reward“ ist kein Luxus, sondern notwendige Voraussetzung für eine der gesamten Stadtgesellschaft dienliche urbane Entwicklung. Ansonsten könnte man den Kommunalpolitikern fahrlässigen Umgang mit dem Gemeingut an Flächen und Finanzen vorwerfen.

    Zweitens verlangen städtebauliche Gründe zwingend eine Stadion-Fassade. Was jetzt am südlichen Rand von Augsburg steht, ist ein Torso, der funktioniert, aber kaum eine Antwort auf den Ort gibt, an dem er steht. Wenn man ein so mächtiges Bauwerk als Solitär vor die Stadt setzt, dann bedarf es auch einer mächtig wirkenden Bildkraft, und die kann die bloße Betonkonstruktion allein nicht erreichen.

    Früher, als die Fußballstadien noch in die Weichbilder der Städte eingepasst waren, wie das Sechzigerstadion in München oder das Rosenaustadion in Augsburg, da stellte sich die Fassadenfrage gar nicht. Da war Einfügung der Architektur in die Stadtlandschaft erforderlich – das

    Letztere kann ja als „Corporate Identity“ sowohl der Stadt wie dem FCA nützen. Man denke an die Aufmerksamkeit, die die Schwimmreifen-Fassade der Münchner Allianz-Arena und das Pekinger „Vogelnest“-Olympiastadion auf sich ziehen (beides von den Schweizer Architekten Herzog/De Meuron); man denke an die vielen Stadien der Hamburger Architekten Gerkan, Marg und Partner in Südafrika, Brasilien und anderen Ländern, die – allesamt mit kreativen Fassaden – das visuelle Gedächtnis der Menschen geprägt haben.

    Die Stadt hat einen Ruf zu verlieren

    Um eine solche Ausstrahlung zu erzielen, ist eine Fassade nötig. Sie ist das Aushängeschild eines Baus, mit ihr tritt er nach außen auf, teilt seine Botschaft mit. Die Alurohre, die – dem Pekinger Vogelnest nicht unähnlich – nach Bernhards und Kögls Entwurf das Augsburger Stadion einspinnen sollen, sprechen von Dynamik und Überraschung, und das passt doch gut zu einem spannenden Fußballspiel. Zudem gibt das von LED-Leuchten durchsetzte Gespinst einen intelligenten Hinweis auf die alte Textilstadt Augsburg.

    Die Botschaft, die aber der Augsburg-Besucher, der von Süden kommt, jetzt erhält, ist schäbig: auf der einen Seite die billige Garagenarchitektur eines Möbelmarkts, auf der anderen die nackte Betonkonstruktion des Stadions. Das soll das Tor zur Stadt sein? Es mögen sich doch die, die Architektur und Städtebau für vernachlässigbare Größen halten, daran erinnern, wie die Freie Reichsstadt Augsburg einst ihre Besucher aus dem Süden empfing: mit dem Roten Tor des großen Baumeisters Elias Holl, einem subtil gegliederten Torturm von allerschönster Erscheinung.

    Augsburg hat einen Ruf zu verlieren – als Vertragspartei und als eine der ganz schönen alten Städte Europas –, und eigentlich sollte man darauf bauen können, dass der Augsburger Fußballverein nicht nur nimmt, sondern auch etwas zurückgibt. Schließlich ist gerade im Fußball viel von Spielkultur und Fankultur die Rede – da sollte der Schritt zur Baukultur doch nicht so schwer zu vollziehen sein.

    Trotz Appell besteht freilich wenig Hoffnung, dass der Augsburger Stadtrat, der heute über die Fassadenfrage entscheiden will, auf Vertragseinhaltung, sprich Fassadenbau bestehen wird. Welcher Kommunalpolitiker will sich schon vorwerfen lassen, dass er den Abstieg des FCA riskiert? Da sind König Fußball und die mit ihm gekoppelte Wählergunst doch zu mächtig. Man darf das populistisch nennen.

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