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Der Boandlkramer und die ewige Liebe - Kritik zu dem Film auf Amazon Prime Video

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"Der Boandlkramer und die ewige Liebe": Der letzte Film von Joseph Vilsmaier

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    Michael Bully Herbig spielt in Joseph Vilsmaiers "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" wieder den Tod. Dieses Mal verliebt er sich.
    Michael Bully Herbig spielt in Joseph Vilsmaiers "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" wieder den Tod. Dieses Mal verliebt er sich. Foto: Leonine Studios

    Boandlkramer – so wird in der bayrischen Erzähltradition der Tod genannt, der irgendwann an die Tür klopft, um uns aus dem irdischen Leben zu geleiten. Anders als der gesamtdeutsche Sensemann ist dieser Knochenkrämer keine autoritäre Schreckensfigur, sondern ein kauziger Knecht der göttlichen Ordnung. Seinen Dienst verrichtet er mit einer gewissen Höflichkeit und Anteilnahme. Und manchmal lässt sich der Kerl sogar überlisten.

    Mit Kirschgeist vernebelte der Brandner Kasper ihm die Sinne und ergaunerte sich beim Kartenspiel noch achtzehn weitere Lebensjahre. Seine Geschichte gehört zu den beliebtesten bayrischen Volkserzählungen. Die Theaterfassung von Kurt Wilhelm ist seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner auf Bühnen. Als Filmadaption von Joseph Vilsmaier durchbrach „Die Geschichte vom Brandner Kasper“ 2008 sogar die bajuwarischen Landesgrenzen und brachte es bundesweit auf über eine Million verkaufte Kinotickets.

    Joseph Vilsmaier siedelt "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" in bayerischen Gefilden an

    Nun gibt es mit „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ eine Fortsetzung und dies ist gleichzeitig die letzte Regiearbeit Joseph Vilsmaiers, der im Februar 2020 im Alter von 81 Jahren an einem schweren Krebsleiden starb, noch bevor die Postproduktion des Films beendet werden konnte. Im Angesicht des eigenen Lebensendes einen liebenswerten Film über den Tod zu machen – das zeugt von einer gewissen Lässigkeit gegenüber der eigenen Existenz und vielleicht auch von einem erfüllten Leben.

    Als der langjährige Kameramann mit dem Heimatfilm „Herbstmilch“ ins Regiefach wechselte, war er bereits 49 Jahre alt. Aber dann folgte mit „Stalingrad“ (1993), „Comedian Harmonists“ (1997) und „Marlene“ (2000) eine kommerzielle Großproduktion nach der anderen, die trotz zwiespältiger Kritiken ein Millionenpublikum ins Kino lockten. Wirklich in seinem Element war Vilsmaier jedoch vor allem in den alpinen Werken wie „Schlafes Bruder“ (1995), „Bergkristall“ (2005) und eben „Die Geschichte vom Brandner Kasper“, in denen die Heimatverbundenheit auch zum visuellen Bekenntnis wurde.

    Insofern ist es stimmig, dass Vilsmaier seinen letzten Film in bayrischen Gefilden ansiedelt und von hier aus einen verschmitzten Blick auf den Tod und dessen Probleme wirft. Denn diesmal wird der Boandlkramer, der erneut von Michael Bully Herbig gespielt wird, nicht durch hochprozentigen Alkohol aus der beruflichen Routine geworfen, sondern vom Blitz der Liebe getroffen. Eigentlich soll er den kleinen Max holen, aber als dessen Mutter (Hannah Herzsprung) so bitterlich um den Jungen weint, spürt der Boandlkramer ein ungewohntes Pochen in der Brustgegend, dort wo andere ein Herz haben. Frisch verliebt lässt er den Bub leben und liefert stattdessen den Heiratsschwindler Gumberger (Sebastian Bezzel) im Himmel ab, obwohl der eigentlich in die Hölle gehört. Zwangsläufig steht der Tod wenig später mit leeren Händen vor dem Teufel.

    Kritik: Hape Kerkeling spielt einen Glitter-Satan samt Revuetänzerinnen

    Hape Kerkeling spielt den Satan als schmierigen TV-Moderator aus den Siebzigern, der seine Hölle mit Glitter und Revuetänzerinnen als das eigentliche Paradies vorführt. Wie sich das für einen ordentlichen Mephisto gehört, schlägt er dem säumigen Lieferanten einen Deal vor: Er verhilft ihm zum irdischen Liebesglück und dafür lässt der Boandlkramer seine Arbeit ruhen. Denn der Teufel weiß, wenn das Gleichgewicht zwischen Leben und Tod gestört wird, kommt die göttliche Ordnung ins Wanken.

    Und so beginnt der Boandlkramer mehr schlecht als recht um das Herz der Gefi zu werben, färbt die grauen Haare mit Schuhcreme, tauscht die Lumpen gegen feineren Zwirn und fällt in Sachen Heiratsantrag mit der Tür ins Haus. Gefi ist eher verstört als verzaubert, denn ihr Herz gehört in weiten Teilen noch dem im Russland-Feldzug verschollenem Ehemann und zu einem kleinen Teil dem Bürgermeistersohn, der sie ebenfalls heiraten will. „Du musst eine Frau zum Lachen bringen“ rät der erfahrene Heiratsschwindler. Aber das ist für den Tod keine leichte Aufgabe.

    Das Drehbuch zu „Boandlkramer“ entstand nach einer Idee von Michael Bully Herbig und so darf es nicht verwundern, dass das Sequel deutlich mehr komödiantische Züge trägt als das Original. Dass der Knochenkrämer mit einem imitierten Sketch von Oliver Hardy und Stan Laurel seine Angebetete zum Lachen bringen will, zeigt auch die komödiantische Tradition, der sich Herbig verbunden fühlt. Sein Tod, der es gewohnt ist durch Wände hindurch zu gehen, fällt als irdisch Verliebter über jeden verfügbaren Gartenzaun.

    Herbig zeichnet den Boandlkramer, der ebenso wacker wie vergeblich aus dem eigenen Schicksal ausbrechen will, als tragikomischen Helden. Aber auch im Scheitern bleibt der heiter-versöhnliche Grundton der Erzählung erhalten. „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ ist ein freundlicher und harmloser Film, trägt mehr Herbig als Vilsmaier in sich, der aber immerhin in den Landschaftsaufnahmen noch einmal sein Talent fürs Monumentale zeigen kann. Nach mehreren Startverschiebungen läuft der Film coronabedingt nun bei Amazon Prime. Als letzter Gruß eines verdienten Kino-Regisseurs hätte er die große Leinwand verdient. Anlässlich des zweiten Todestages von Joseph Vilsmaier plant der Verleih im nächsten Jahr immerhin noch einen verspäteten Kinoauftritt.

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