Es hat gedauert, bis sich die Ingolstädter mit ihrem Stadttheater anfreunden konnten. Im Jahr 1966 wurde der Bau des Architekten Hardt-Walther Hämer eröffnet, und es gab nicht wenige, die dem „Betonklotz“ – nur ein paar Meter weg vom Neuen Schloss aus dem 15. Jahrhundert – rein gar nichts abgewinnen konnten. Ein Bau, der polarisierte. Mittlerweile steht das Gebäude, das sich in seiner polygonen Form an die verwinkelten Gassen der Altstadt anlehnt, unter Denkmalschutz und gilt bei Experten als „das herausragendste Bauwerk des 20. Jahrhunderts in Ingolstadt“, wie es der ehemalige Kulturreferent Siegfried Hofmann nannte.
Doch das Theater ist in die Jahre gekommen. Die Technik ist nicht mehr auf dem neuesten Stand, es gibt Korrosionsschäden, es fehlen Proberäume, Lagerflächen und Werkstätten, wegen Mängeln beim Brandschutz gibt es bislang nur noch eine Betriebsgenehmigung bis 2022. Häppchenweise wird immer wieder nachgebessert. Eine Generalsanierung des Stahlbeton-Baus ist unausweichlich. Und so ist nach über 50 Jahren in Ingolstadt wieder eine Diskussion um einen Theaterbau entbrannt. Es geht um Architektur und ums Geld.
Der Dritte Bürgermeister sorgt für Aufsehen
Zuletzt sorgte eine architektonisch spektakuläre Vision des Dritten Bürgermeisters Sepp Mißlbeck (Unabhängige Demokraten Ingolstadts) für Aufsehen, die er mithilfe eines befreundeten Architekten erstellt hatte und mit der er mitten in das laufende Verfahren geplatzt war. Das Stadttheater verschickte daraufhin eine Pressemitteilung, in der die wieder aufflammende Diskussion um den Neubau als „Provinzposse“ betitelt wurde.
Während der ersten Überlegungen spielte man in der Stadt noch mit dem Gedanken, für die Zeit der Sanierung ein Theaterzelt aufzustellen. Doch die Idee eines Provisoriums wurde bald verworfen, lieber wollte man nun ein Gebäude, das nicht nur Ersatzspielstätte sein soll, sondern dauerhaft genutzt wird. Dazu kommt, dass das „Kleine Haus“, eine Spielstätte außerhalb des Haupthauses, so marode ist, dass dringend ein neuer Theatersaal her muss. Die Idee der Kammerspiele war geboren.
Schon früh trat der Intendant des Theaters, Knut Weber, dafür ein, das neue Haus im Umfeld des Hämer-Baus anzusiedeln. Seine Gründe waren zum einen praktischer Natur: Die Wege sind kurz. Zum anderen will Weber ein Theater mitten in der Stadt haben, eine Bürgerbühne: „Die Kammerspiele sollen ein selbstbewusstes Zeichen sein für die Zukunft dieser Stadt“, sagt Weber. 2017 hat der Stadtrat einen Neubau beschlossen.
Es lief ein Architektenwettbewerb an, zudem konnten interessierte Ingolstädter ihre Ideen einbringen. Anfang des Jahres kürte die Jury den Sieger des Realisierungswettbewerbs, das Hamburger Büro Blauraum. Die Zustimmung war groß, Lob kam von vielen Seiten für den goldglänzenden Bau mit viel Glas. Oft verbunden jedoch mit einem großen „Aber“: Der Stadtrat hat die Kosten bei 30 Millionen Euro für den Neubau der Kammerspiele gedeckelt, doch werden Zweifel laut, ob sich das Gebäude mit dieser Summe tatsächlich verwirklichen lässt.
Denn die Stadträte haben täglich ein Projekt vor Augen, bei dem die Kosten geradezu davongaloppieren: den Neubau des Museums für Konkrete Kunst und Design auf dem ehemaligen Gießereigelände. Angesichts der Krise bei Audi sprudelt zudem die Gewerbesteuer nicht mehr so wie einst, da kommen Ausgaben für die Kultur schnell auf den Prüfstand. Immerhin: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat für den Neubau samt Sanierung des bestehenden Theaters eine 75-prozentige Förderung versprochen, man geht von mindestens 80 Millionen aus, die der Freistaat zuschießt. Läuft alles glatt, könnte in zwei Jahren mit dem Bau begonnen werden.
Im Ausschuss ohne Chance
Sepp Mißlbeck hatte zusammen mit dem befreundeten Architekten einen mächtigen Bau skizziert, der vom Stadttheater zur Donau hin ragt und damit eine Sehnsucht der Ingolstädter bedient: die Stadt näher an den Fluss zu rücken. Der 75-Jährige hatte die Idee über die örtliche Zeitung an die Öffentlichkeit gebracht, als der Architektenwettbewerb längst abgeschlossen war. Bei den Ingolstädtern fand Mißlbecks Vision viel Zustimmung, doch der Stadtentwicklungsausschuss schmetterte sie in der vergangenen Woche mit großer Mehrheit ab. Rechtliche Probleme, zeitliche Verzögerungen, unwägbare Kosten sowie Probleme mit dem Urheberrecht des Bestandsarchitekten Hämer kamen zur Sprache.
Theaterintendant Knut Weber verfolgte die Diskussion im Rathaus gespannt. Im Vorfeld hatte er große Bedenken geäußert, sollte Mißlbecks Vorschlag auf Gegenliebe stoßen: „Das Theater benötigt keinen weiteren Repräsentationsbau, den hat es bereits: den Hämer-Bau“, schrieb er in einer Stellungnahme. Sollte die Planung noch mal auf Anfang gestellt werden, befürchtete Weber sogar ein Aus für die Kammerspiele.
Doch nach der Ausschusssitzung will die Stadt sich jetzt wieder dem Ergebnis des Architektenwettbewerbs zuwenden und mit den drei Erstplatzierten in weitere Diskussion treten.