Zunächst einmal hat der Steirer an diesem Abend ganz schön Glück gehabt. Denn viele der laut Veranstalter 69.000, laut Gabalier 72.000 Zuschauer im jedenfalls im vierten Jahr in Folge für ihn ausverkauften Olympiastadion werden es direkt auf dem Nachhauseweg noch erlebt haben. Wenn das eigentlich angekündigte Wetter tatsächlich zu jener Zeit am Samstagabend tatsächlich nach München gekommen wäre, wäre es nicht nur ein bisschen nass, ein bisschen ungemütlich geworden. Der heftige Regen, die Blitze und starken Windböen hätten die große Volks-Rock'n'Roll-Party durchaus vermiesen können. Taten sie aber nicht – und der 34-jährige Held dankte denn auch während des dreistündigen Konzerts innig gen Himmel.
Denn er hatte ja Großes vor. Nicht nur, dass er eben wieder die volle Hütte zu seinen Füßen liegen hatte, abertausende Frauen in Dirndl, abertausende Männer in Lederhosen, jung wie alt, ganz so, wie er es in seinen Lieder und dazwischen in Ansprachen ja verkündet, dass es zu sein hat in einer Welt, die noch in Ordnung ist.
Und nicht nur, dass dieser Auftritt in München diesmal erstmals so etwas wie das Zentrum einer ganzen Reihe von Stadionkonzerten darstellt, die er zu seinem zehnjährigen Karrierejubiläum nun wagt – und offenbar auch da gewinnt, die ersten Konzerte in Frankfurt und Berlin ein Erfolg, für die weiteren etwa in Nürnberg und Gelsenkirchen und Stuttgart und Wien gibt es höchstens noch Restkarten. Nein, es sollte hier in München ja gleich auch noch „ein Denkmal“ für seine Bewegung der Volks-Rock'n'Roller entstehen.
Andreas Gabalier in München: Moderator probte mit dem Publikum die Grade der Begeisterung
Nachdem Gabalier auch schon bei „MTV unplugged“ aufgetreten ist: Hier in München wurde nun für eine große, eigene Live-DVD aufgezeichnet. Und dass das keine halben Sachen sind, die dabei rauskommen sollen, betonte der Sänger wiederholt mit dem Hinweis, dass das ein Landsmann und weltweit erfolgreicher Brausehersteller und Milliardär und Medienunternehmer und Sportsponsor in die Hand genommen hat, die Nennung von Marke und Namen kam auf der Bühne jedenfalls nicht zu kurz.
Und der Hinweis auf den Dreh auch nicht. Schon vor Show-Beginn probte ein Moderator mit dem Publikum die drei Grade der totalen Begeisterung – und auch Andreas Gabalier erinnerte immer wieder daran, dass die Fans „verantwortlich“ seien für die Gestaltung dieses Denkmals. Es sollte also etwas ganz Besonderes werden, das diese ja tatsächlich wahnsinnige Entwicklung des Phänomens Gabalier zum Zehnjährigen am Höhepunkt dokumentierte.
Zumal sich nach dieser Tournee Andreas Gabalier ja in eine noch nicht zeitlich benannte Pause verabschiedet und den vier Konzerten in Folge in München 2020 erst mal sicher kein fünftes folgen lassen wird...
Gabalier entschuldigt sich für "zwei, drei oder fünf" Fehler
Am Publikum hat es nun nicht gelegen, dass es nicht der perfekte Abend geworden ist. Man muss ja nicht extra betonen, dass spätestens bei „Hulapalu“ die Arena Kopf steht, aber auch schon bei „Hallihallo“ oder eigentlich ja von Beginn an: Da kommt der Triumphator einfach seitlich in die Arena spaziert und bahnt sich seinen Weg durch die kreischende Masse.
Und dieses Publikum nimmt das da bereits in den Fanfaren angespielte „Oh, wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen“ im Lauf des Abends immer wieder bereitwillig auf. Es ist nach „Volks-Rock'n'Roller“ als zweitem und „I sing a Liad für di“ als viertem Song sowieso schnell auf Touren gebracht. Dieses Publikum erhebt sich sogar, wie Gabalier fordert, zu seinem in Pianoversion vorgetragenen „Steirerland“, als wäre es tatsächlich eine Hymne. Und es lässt zum abschließenden, zuverlässig rührenden „Amoi seg' ma uns wieder“ die gewünschte „Kirchenatmosphäre“ bei andächtiger Stille einkehren. Nicht wenige weinen da eh.
Auch die Band und die Bühne liefern das stimmige Spektakel, ein bisschen Feuerfirlefanz inklusive. Allein Andreas Gabalier, ihm selbst macht der Druck des Besonderen an diesem Abend offenbar am meisten zu schaffen. Er entschuldigt sich sogar für „zwei, drei oder fünf“ Fehler, die er sich geleistet hat – der witzigste davon: Als er beim Übergang von einem Song zum anderen das Akkordeon abgibt und die Gitarre umlegt, daraufhin zu singen beginnen will, bis er merkt, dass er das Mikrophon mit dem Akkordeon abgegeben hat, also gar kein Mikro auf seinem obligatorischen Geweih-Ständer steckt.
Laut ist noch gleich gut: Gabalier röhrt mit voller Wucht
Aber neben weiteren Kleinigkeiten kommt eben auch noch dazu, dass Gabalier durchaus schon mal besser gesungen hat als an diesem Abend, vor allem in der ersten Hälfte, nach der er sich dann auch mal für eine Pinkelpause verabschiedet, während Fotos seiner bisherigen Karrierehöhepunkte über die Bühnenleinwand laufen. Es ist eigentlich wie mit dem Sound des Abends auch: Selbst in großen Arenen wie dem Olympiastadion ist laut noch nicht gleich gut. Der Sound also ist ziemlich laut, aber nicht besonders gut – und Gabalier röhrt mit voller Wucht, aber auch nicht besonders gut, und dafür im ruhigeren eher noch heiserer als sonst.
Natürlich bleibt der Abend trotzdem eine große Party, natürlich gehen Zehntausende trotzdem glücklich und trocken nach Hause. Und vielleicht fällt auch das jetzt schon wieder für den Star wie manchen Fan unter eine Form von Kritik, die dem „einfachen Steier Buam“, als der er sich ja so gern bezeichnet, auf bösartige Weise nicht gerecht wird.
Wie immer jedenfalls nimmt er vor seinem die Grundzüge der repräsentativen Demokratie kritisierenden und bei „MTV unplugged“ ja auch mit Xavier Naidoo gesungenen „A Meinung haben“ in viel konzentrierterer Rede als bei seinen sonst im Lauf des Abends eher ausfransenden Äußerungen auf, dass er mit wachsendem Erfolg ja in Zeitungsartikeln auch immer wieder kritisiert worden sei, obwohl er doch nur sage, was „normal denkende Leute“ eben denken – aber dass das heute eben offenbar nicht mehr so normal sei.
Aber nein, für diesmal geht es ja gar nicht um irgendeine gesellschaftliche Ordnung, nicht um Namen wie Strache, die man ja nennen könnte, sondern bloß um die Bewegung der Volk-Rock'n'Roller, die Andreas Gabalier auch dafür lobt, dass all die Ordnungsdienste wie auch die Polizei nur das Beste über sie zu berichten wüssten. Und um ihren Frontmann, der sich das Großartigste vorgenommen hatte für diesen „ganz besonderen Abend“, wie er von Anfang an betont – und dann eben „weiche Knie“ hatte, wie er am Ende zugab. Und das ist ja mal wirklich ganz normal, also vielleicht halt nicht ganz so Wahnsinn.