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Das VIP-Sommertheater: Bayreuth versus Salzburg

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Das VIP-Sommertheater: Bayreuth versus Salzburg

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    Das VIP-Sommertheater: Bayreuth versus Salzburg
    Das VIP-Sommertheater: Bayreuth versus Salzburg Foto: DPA

    Berlin (dpa) - Alle Jahre wieder: Promi- und Politiker-Parade in Bayreuth und Salzburg. Bei den zeitgleichen Festspielen treffen Hochkultur und High-Society aufeinander. Ein Vergleich der beiden Events - nicht ganz so brav wie viele Inszenierungen auf den Bühnen der zwei Festivals.

    Kurze Definition: BAYREUTH: Die Richard-Wagner-Festspiele - dieses Jahr zum 99. Mal - sind eine Art Sommerstaatstheater mit schwerer Musik. Im Festspielhaus auf dem berühmten Grünen Hügel. Vom 25. Juli bis 28. August. SALZBURG: Nicht Brot und Spiele, sondern Champagner und Spiele - das sind die Salzburger Festspiele. Die barocke Stadt bietet eine prächtige Kulisse für das Stelldichein der Mächtigen. Vom 25. Juli bis 30. August.

    Sinn und Zweck: BAYREUTH: Es geht darum, Wagner zu huldigen. Für Politiker eine Chance, medienwirksam zu zeigen, wie kulturbeflissen sie sind. Endlich mal unerreichbar sein während der langen Wagner-Opern. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt von ihrem Handy ab. SALZBURG: Es geht ums Sehen und Gesehenwerden. Für Millionäre eine Chance, Nachdenklichkeit zu zeigen, indem man Hugo von Hofmannsthals fromme Reichen-Schelte anguckt. Dabei müsste der Klassiker "Jedermann - Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes" hier eigentlich heißen "Unter sich - Das Spiel vom Streben der reichen Menschen".

    Typische Promis und Gäste: BAYREUTH: Politiker von Union und FDP, eher wenige rot-grüne (in bunter Robe aber gern: Claudia Roth), Schlagerstars wie Roberto Blanco, TV- Prominenz wie Thomas Gottschalk, Michaela May oder Edgar Selge. SALZBURG: Adelige, Ex-Sportler, Musikstars, Politiker, Industriellen-Elite, Botox-Schickeria, wichtige Witwen wie Eliette von Karajan oder Marianne Baronin Brandstetter, Austrias High-Society wie die Swarovskis, Mäzene wie die Porsches.

    Was hier getragen wird: BAYREUTH: Für chic gehaltene Klamotten. Die Musik ist hier wichtiger. Da kann die Kanzlerin auch zweimal dasselbe tragen. Und Merkels Achselschweiß in lachsfarbener Abendrobe störte 2005 nur einen überengagierten Journalisten, der den Fleck für ein Online-Portal wegretuschierte... SALZBURG: Bei den Damen scheinen Edel-Dirndl oder extravagante Designer- Garderobe Pflicht zu sein. Freier Rücken ist dabei mehr akzeptiert als ein tiefes Dekolleté - schließlich ist man, äh frau, hier nicht Cannes oder Hollywood.

    Typischer Pausen-Snack: BAYREUTH: Fränkische Bratwurst in einer Semmel mit mittelscharfem Senf, dazu fränkischer Wein aus Bocksbeuteln. SALZBURG: Luxus-Schnittchen zum Beispiel mit Lachs oder Kaviar oder aber Wiener Würstchen mit Senf und Kren (Meerrettich). Zur Nachspeise verwöhnt sich das Publikum, st att mit Mozartkugeln, mit Venusbrüstchen ("Capezolli di Venere"): Die runden Schokoteile mit rosa Spitze werden nach uraltem Rezept zubereitet. Schon Mozart vernaschte sie angeblich verzückt.

    Pausen-Talk des Jahres: BAYREUTH: Der jahrzehntelange Dauerchef Wolfgang Wagner ist am 21. März mit 90 Jahren gestorben. Seine beiden Töchter, Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier, übernahmen die Leitung bereits letztes Jahr. Vor allem Katharina will moderner werden und sorgt für Gesprächsstoff: Sie denkt über Club-Events nach, bei denen Wagner mit Elektro-Pop gemischt wird, und forciert Public Viewing sowie Kindertheater. SALZBURG: Birgit Minichmayr (33) und Nicholas Ofczarek (39), zwei der besten österreichischen Schauspieler, spielen dieses Jahr die Buhlschaft und den Jedermann. Zum 90-Jahr-Jubiläum inszeniert Christian Stückl das Traditionsstück mit weitgehend neuem Ensemble und dem jüngsten Jedermann, den es je gab. Und dann gibt es da noch einen Finanzskandal, bei dem mehr als zwei Millionen Euro veruntreut worden sein sollen - Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft.

    Themen, die inzwischen langweilen: BAYREUTH: Der Dauerzwist im Hause Wagner und der angebliche Zoff der Halbschwestern Katharina (32) und Eva (65). SALZBURG: Das Schaulaufen vor dem Festspielhaus in der Hofstallgasse. Wehe dem, der sein Gegenüber nach dem Namen fragt: Wer sich bei den Festspielen zeigt, ist so wichtig, dass er erkannt werden muss...

    Wo man dabei sein muss: BAYREUTH: Beim Empfang des bayerischen Ministerpräsidenten zum Auftakt der Spiele. Ansonsten: in den fränkischen Gasthäusern, die vorübergehend zu Promi-Treffs mutieren. In den Pausen an der Kneippanlage oberhalb des Festspielhauses, um sich zu erfrischen und von den unbequemen Sitzen zu erholen. SALZBURG: Hier gibt es deutlich mehr Glamour als im oberfränkischen Bayreuth. Die edlen Sponsoren laden in Lounges ein. Die Schönen und Reichen treffen sich immer noch gerne im Hotel "Goldener Hirsch", Getreidegasse 37. Wolfgang Amadeus Mozart wurde bekanntlich in der Nummer 9 geboren.

    Legendäre Orte BAYREUTH: Zum Beispiel die uralte Künstlerkneipe "Die Eule", die jetzt wiederbelebt wird. Außerdem: die "Bürgerreuth", ein Hotel und leckerer Italiener oberhalb des Festspielhauses. Das Hotel "Bayerischer Hof" am Hauptbahnhof, in dem viele Prominente absteigen und in dessen "Gendarmerie" schon so manche Premierenfeier über die Bühne ging, zum Beispiel mit Christoph Schlingensief nach dessen umstrittener "Parsifal"-Inszenierung. SALZBURG: Von 1974 bis 2009 galt: Wen die Society-Lady und Fotografin Marianne Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn (90) zum Sonntags-Mittagessen in ihrem Jagdhaus in Fuschl am See einlud, der hatte es geschafft. Nun gibt es ein Buch darüber. Zu ihrer Ankündigung, die Tradition der sogenannten Manni-Feste zu beenden, sagte sie diese Woche: "Ich merke schon, dass ich mir ein Eigentor geschossen habe. Ich werde im kleinen Maße weitermachen."

    www.bayreuther-festspiele.de

    www.salzburgerfestspiele.at

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