Es sind Nachrichten, auf die viele freiberufliche Künstler seit mehr als zwei Wochen dringend gewartet haben: Das bayerische Staatskabinett konkretisierte am Dienstag, wie die Soforthilfen für Unternehmen und Selbstständige aussehen sollen und wie sie beantragt werden können. Für die Betroffenen ist das ein verhältnismäßig spätes Aufatmen: Die Kulturbranche war als eine der Ersten von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Noch lange bevor Schulen und Geschäfte geschlossen wurden, fielen bereits Konzerte, Theateraufführungen und Vernissagen aus, zahlreiche Freiberufler haben seit Anfang März kein Einkommen mehr.
Kulturbranche war mit als erstes von der Corona-Krise betroffen
Entsprechend existenziell sind die Ängste, die viele Künstler nun schon länger plagen – denn zu den bereits abgesagten Auftritten kommt die Ungewissheit, ob das gesellschaftliche Leben nach der bisher gesetzten Frist des 20. April tatsächlich wieder Fahrt aufnimmt. Aus diesem Grund trommeln Künstlergruppierungen und Einzelpersonen massiv für ihre Belange. Die Online-Petition eines deutschen Sängers wurde seit dem 11. März bereits von mehr als 211 000 Menschen unterzeichnet. Auch der Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage hat sich kürzlich mit einem Brandbrief an Kulturstaatsministerin Monika Grütters gewandt, deutlich hatte sich zuletzt auch der Deutsche Kulturrat immer wieder geäußert und mit „großer Sorge“ auf die Lage in der Kulturbranche aufmerksam gemacht.
Die ersten Zusagen dann Ende vergangener Woche: Am Freitag hatte die Bundesregierung Sofortmaßnahmen beschlossen, die die Belastungen für den Kulturbereich abfedern sollen. Fördermittel könnten etwa umgewidmet werden, bestehende Förderprogramme ausgebaut werden. Das begrüßt der Deutsche Kulturrat – ein Ersatz für den ebenfalls angekündigten Nothilfefonds von Bund und Ländern sei das aber nicht.
So kommen Freiberufler und Selbstständige an Corona-Nothilfen
Was diese Hilfen betrifft, ist seit Dienstag zumindest für Bayern klar: Ab Donnerstag gibt es auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums sowie bei den Bezirksregierungen ein zweiseitiges Formular für die Betroffenen. Wer nachweist, dass er keine Bargeldreserven mehr zur Verfügung hat, kann bereits am Freitag Geld bekommen, es muss nicht zurückgezahlt werden. Aber: Es wird eine Bedürftigkeitsprüfung geben. Es ist also davon auszugehen, dass auch Freiberufler Nachweis über die durch die Corona-Krise entgangenen Einnahmen erbringen müssen. Anders als etwa in der Industrie werden allerdings im Kulturbetrieb Auftritte und Gagen häufig per Handschlag oder telefonisch vereinbart. „Für uns geht es jetzt darum, nachträglich schriftliche Bestätigungen zu sammeln, um unsere Ausfälle überhaupt belegen zu können“, sagt der Augsburger Dirigent und Musiker Ingmar Beck, der in Wien lebt und für seine Aufträge durch ganz Europa pendelt.
In der Corona-Zwangspause strandete er Ende vergangener Woche in seiner Heimatstadt: Beck war bereits mit dem Zug von Wien nach Augsburg gereist, um am Wochenende einen Kurs im Allgäu zu leiten und zu Beginn dieser Woche in Augsburg einen Liederabend zu gestalten. In Schwaben angekommen, erreichte ihn wenig später die Nachricht, dass alle Veranstaltungen abgesagt sind. Gagen fallen dadurch aus, ob der Veranstalter trotzdem für die Reisekosten aufkommt, liegt an dessen Entgegenkommen. Bisher habe er von dieser Seite aber viel guten Willen erfahren, sagt Beck.
Kleinere, nicht subventionierte Kulturbetriebe kommen hier allerdings aktuell selbst in Schwierigkeiten und appellieren daher an ihr Publikum, je nach Möglichkeit auf die Rückerstattung von Ticketkosten zu verzichten.
Konzerte und Musikunterricht müssen in der Corona-Krise per Video stattfinden
Das bayerische Signal ist für die Betroffenen wichtig. Eines ärgert Beck trotzdem: „Die ersten Reaktionen der Politik galten nur den Angestellten und Unternehmen“, sagt er. „Gäbe es den großen Aufschrei der Kulturschaffenden nicht, würde keiner an uns denken“, glaubt er. Dabei seien es gerade die Musiker und andere Künstler, die etwa bei offiziellen Empfängen als Aushängeschild Deutschland präsentieren – nun müssten Bund und Länder zeigen, wie viel ihnen diese Branche in Krisenzeiten tatsächlich wert sei.
Für Beck bedeutet die Corona-Zwangspause erst einmal: Home-Office – sofern das in seinem Beruf überhaupt möglich ist. Partituren studieren, Cello üben und Projekte planen könne er zwar von zu Hause aus, Einnahmen habe er dadurch aber keine. Langfristig wünscht er sich deshalb eine einheitliche Plattform, auf der Künstler Livestreams gegen Bezahlung anbieten können, da bislang nicht abzusehen sei, wann im Kulturbetrieb tatsächlich wieder gearbeitet werden könne. „Bisher bleiben uns für solche Formate nur Spendenaufrufe – und so etwas ist im Internet schnell weggeklickt.“
Trotzdem sind Video-Formate aktuell eine populäre Alternative unter Kreativen. Während bei Konzert- und Theaterformaten hier für Freiberufler weitestgehend die Bezahlung auf der Strecke bleibt, können selbstständige Instrumentallehrer auf diese Weise ihren Unterricht fortsetzen und die Bezahlung in Corona-Zeiten sichern. Live-Videos über Plattformen wie Skype oder WhatsApp ersetzen die persönliche Begegnung zwar nicht vollständig, sind aber zumindest eine virtuelle Alternative.
Die deutsche Orchesterstiftung hat hier einen Nothilfefonds eingerichtet.
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