Fang Fangs rund 60 Tagebucheinträge, verfasst zwischen Ende Januar und Ende März, folgen stets einer simplen Maxime: „Als Zeugen, die wir die tragischen Tage von Wuhan miterlebt haben, sind wir verpflichtet, für diejenigen Gerechtigkeit einzufordern, die gestorben sind.“ Das tat die 64-jährige Schriftstellerin mit deutlichen Worten, stellte oftmals das heroische Narrativ der Kommunistischen Partei als Virusbekämpfer mit weißer Weste infrage.
Millionen Chinesen folgten in jener chaotischen Zeit den Anekdoten und poetischen Gedankenstrichen Fang Fangs zum Lockdown ihrer Heimatstadt, veröffentlicht zuletzt im Magazin Caixin, nachdem ihre Einträge auf sozialen Medien immer häufiger von staatlichen Zensoren gelöscht wurden. „Es wird gesagt, dass viele Menschen erst jetzt aufwachen und begreifen, dass es sinnlos ist, jeden Tag leere Slogans darüber zu brüllen, wie fantastisch unser Land doch ist“, schreibt sie am 4. Februar.
Schriftstellerin Fang Fang: Ventil für die Wut der Chinesen
Fang Fang funktionierte als Ventil für die Wut der Chinesen gegen die Lokalregierung, die durch Vertuschungsaktionen und Inkompetenz die Gefahr des Virus verschleppte. Als solches Ventil wurde sie bisweilen auch vom Regime geduldet – solange die Kritikerin gewisse Grenzen nicht überschritt. Das Blatt wendete sich jedoch schlagartig, als der Publikumsverlag Harper Collins ankündigte, die Wuhan-Tagebücher in Buchform im August publizieren zu wollen. Noch zuvor wird eine deutsche Version bei Hoffmann und Campe Anfang Juni erscheinen.
Seither bricht ein Shitstorm gegen Fang Fang aus, in dem sie als „Verräterin“ und „Marionette des Westens“ gebrandmarkt wird. Exemplarisch lässt sich an ihrem Beispiel die Scheinheiligkeit der Zensurbehörden erkennen: Diese löschen zwar sämtliche kritische Tagebucheinträge der Autorin, genau wie unterstützende Kommentare. Beleidigungen gegen Fang Fang, auch der übelsten Art, bleiben hingegen unangetastet. Auf diesem Wege vollzieht die Kommunistische Partei indirekt, was ihr Chef Xi Jinping „Lenkung der öffentlichen Meinung“ nennt.
Chinesische Verlage bekamen kalte Füße
Nutzer im Netz fragen nun konspirativ: „Wie kann es sein, dass innerhalb so kurzer Zeit Verträge mit ausländischen Verlagen abgeschlossen werden?“ Was sie offenbar nicht wissen: Die 64-Jährige hatte zuvor auch von zehn chinesischen Verlagen Buchangebote erhalten. Angesichts der Kontroverse bekamen jedoch alle kalte Füße.
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