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Corona-Krise: Wie geht es den Kinobetreibern in der Region?

Corona-Krise

Wie geht es den Kinobetreibern in der Region?

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    Ein leerer Kinosaal hat seine eigene Schönheit, doch sind Lichtspielhäuser nicht erbaut für Sitzreihen ohne Publikum: Blick in den Panoramasaal des Filmhauses Huber in Türkheim.
    Ein leerer Kinosaal hat seine eigene Schönheit, doch sind Lichtspielhäuser nicht erbaut für Sitzreihen ohne Publikum: Blick in den Panoramasaal des Filmhauses Huber in Türkheim. Foto: Bernd Schiedl

    Wenn bei Günter Sobeck morgens der Wecker geht, braucht er ein paar Sekunden, um richtig wach zu werden. „Dann aber sind sofort die Gedanken da: Corona, die Pandemie, wie soll das werden?“ Die trüben Aussichten, die den Kinobetreiber aus Kaufbeuren gerade allmorgendlich plagen, dürften symptomatisch sein für eine Branche, die wie viele andere durch die Covid-19-Pandemie ins Mark getroffen ist. Seit sieben Wochen sind im Land die Kinos geschlossen. Welche Spuren hinterlässt die Zwangsstilllegung? Zeit, sich einmal umzuhören bei Betreibern von Lichtspielhäusern in der Region.

    Auf einen Satz stößt man dabei immer wieder: „Wir hängen in der Luft.“ So, wie das Klaus Sing vom Kemptener Colosseum formuliert, schallt es sinngemäß aus allen Ecken der Branche. Und das will sagen: Das Schlimmste an der Schließung der Kinos ist für deren Betreiber und Beschäftigte, dass sie so gar keinen Fingerzeig erhalten aus der Politik, wann sie denn mit einer Lockerung der Sperrvorschrift rechnen können. Das Datum, ob in vier Wochen oder vier Monaten, sei dabei fast zweitrangig, findet Günter Sobeck; wichtig wäre, überhaupt eines zu haben. „So aber wissen wir einfach nichts.“ Und das zerrt an den Nerven.

    Günter Sobeck betreibt das Corona-Kino in Kaufbeuren.
    Günter Sobeck betreibt das Corona-Kino in Kaufbeuren. Foto: Mathias Wild

    Umso mehr, als durch die Schließung die Einnahmen radikal gekappt wurden. Solidaritätskäufe von Kinogutscheinen oder ein paar Tüten nach wie vor verkaufter Popcorns sind da gerade mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn auf der anderen Seite sind die Ausgaben nicht zum Versiegen gekommen, auch wenn der Verbrauch von Strom und Heizung jetzt gedrosselt ist. Wer aber mit seinem Kino in einem Mietverhältnis steht, kann nur auf die Einsicht der Gegenseite hoffen – was da und dort durchaus der Fall ist, wie etwa Günter Sobeck und auch Rudolf Huber (Türkheim/Bad Wörishofen) berichten, die das Verständnis ihrer Vermieter für die augenblickliche Situation dankbar rühmen. Und so wollen weder Huber noch Sobeck, noch Klaus Sing in Kempten oder in Augsburg Franz Fischer das Gespenst einer Insolvenz ihrer Betriebe an die Wand malen.

    Die geringfügig Beschäftigten müssen vertröstet werden

    Der Personalstamm ist natürlich allerorts von der Schließung betroffen. Wo es ging, ist für die Angestellten Kurzarbeit beantragt worden. Die vielen geringfügig Beschäftigten jedoch – beim Kemptener Colosseum etwa kommen zu den etwa 20 Angestellten noch rund 30 solcher Beschäftigter – müssen auf bessere Zeiten vertröstet werden. Es gibt auch den Fall wie den von Günter Sobeck, in dessen Filmtheater der Anteil zwischen Angestellten und 450-Euro-Kräften in einem ungünstigen Verhältnis steht, mit der Folge, dass für seinen Betrieb, wie Sobeck sagt, keine Kurzarbeit bewilligt wurde.

    Franz Fischer betreibt in Augsburg und Ingolstadt Kinos und will verstärkt auf Open-Air-Formate in Corona-Zeiten setzen.
    Franz Fischer betreibt in Augsburg und Ingolstadt Kinos und will verstärkt auf Open-Air-Formate in Corona-Zeiten setzen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Und doch, trotz aller pandemiebedingter Zumutungen erfolgt keine dieser Schilderungen in komplett verdüsterter Tonlage. Man ist bemüht, die Lage nicht schlimmer zu reden, als sie sich darstellt. Franz Fischer, Betreiber dreier Kinos in Augsburg und zweier weiterer in Ingolstadt, ist der Meinung, dass die Corona-Krise doch wohl nicht zu vergleichen sei mit Erfahrungen, wie sie die Kriegsgenerationen der Väter und Großväter hätten machen müssen. Er und andere Kinobetreiber begegnen dem Stillstand lieber mit Pragmatismus, füllen das entstandene Vakuum mit anderen Aufgaben.

    Aufgeschobenes wird jetzt abgearbeitet, manches auch vorgezogen, wie bei Fischer, der zur eh schon laufenden Generalerneuerung seiner Savoy-Kinos jetzt auch noch die beiden anderen Augsburger Spielstätten Thalia und Mephisto modernisiert. Die Krise erlaubt zwischendurch sogar kleine Vergnügungen. „Ab und zu“, verrät der Kaufbeurer Sobeck, dessen acht Säle fassendes Kino schon seit jeher den Namen „Corona“ trägt, ausgerechnet – „ab und zu setz’ ich mich in den Saal, schieb’ eine Blue Ray ein und schau’ mir die an“.

    Kinobetreiber setzen auf das Auto-Kino

    Wo das Geldverdienen durch Vorführungen in geschlossenen Räumen derzeit unmöglich ist, macht sich der Geschäftssinn auf die Suche nach alternativen Einnahmequellen. Franz Fischer, der seit vielen Jahren im Sommer Filme open air in Augsburg und Ulm zeigt, will diese Sparte noch ausbauen – nicht zuletzt wegen des Gefühls, dass auch dann, wenn die Kinos wieder geöffnet sind, das Publikum aus Sorge vor Ansteckung sich noch längere Zeit zurückhaltend zeigen wird beim Kinobesuch.

    Eine andere Form der Filmvorführung, auf die Fischer setzt, ist das Autokino – ein Vorhaben, mit dem er unter Kinobetreibern aktuell keineswegs allein dasteht. Auch das Augsburger Liliom-Kino will ein solches Schau-Erlebnis auf einer Fläche im nahen Gersthofen ermöglichen, ebenso prüft gerade Klaus Sing in Kempten, ob sich Autokino für ihn lohnen würde. Erst jedoch muss die Bayerische Staatsregierung für einen solchen Betrieb, der das Auto gewissermaßen zum abstandssicheren Kino-Sitzplatz macht, die allgemeine Erlaubnis erteilen.

    Aber auch, wenn für die fest verwurzelten Häuser der „Tag X“ (Günter Sobeck) gekommen sein wird, an dem sie wieder öffnen dürfen: So, wie es vor Corona war, wird es auf unabsehbare Zeit nicht wieder werden. Die Kinobetreiber sind sich einig in der Überzeugung, dass Besucher mindestens zwei Sitze Abstand voneinander halten müssen, ja vielleicht ist Publikum überhaupt nur in jeder zweiten Reihe erlaubt. Abstandsregeln für Karten- oder Getränkeverkauf dürften sowieso obligatorisch sein.

    Welche Filme können nach dem Shutdown gezeigt werden?

    Mehr Kopfzerbrechen bereitet die Frage, ob überhaupt genügend neue Filme zur Verfügung stehen, wenn im August, September oder wann auch immer die digitalen Projektoren wieder hochgefahren werden können. Denn momentan liegt weltweit die ganze vorgelagerte Filmproduktion brach. Gerade auch im wichtigen Filmland USA, das mit seinen Blockbustern sonst dafür sorgt, dass die Kasse stimmt.

    Selbst wenn in Deutschland die Pandemie einigermaßen ausgestanden sein wird, bedeutet das nicht automatisch, dass auch der Verleih von Filmen wieder reibungslos funktionieren wird. Die Filmwirtschaft ist längst globalisiert, und wenn ein Streifen vom Kaliber eines neuen James Bond an den Markt geht – das jüngste Exemplar wurde wegen Corona in den November verschoben – dann will ein solcher weltweit synchron beworben und „verwertet“, sprich: vor ausreichend Publikum in den Kinos gespielt sein.

    Wo das Kino seit Wochen und bis auf Weiteres in die Unsichtbarkeit verbannt ist, da schlägt die Stunde des Streamings durch Film-Anbieter wie Netflix & Co. Packt die Kinobetreiber da nicht die Angst, dass das Publikum nicht mehr zurückfinden könnte? „Ich seh’s gelassen“, versichert Franz Fischer und liegt damit ganz auf der Linie seiner Kollegen. Gut, aktuell ist Krise; aber Talfahrten hat die Branche in ihrer 125-jährigen Geschichte schon mehrere überlebt. „Das Kino“, da ist Günter Sobeck sich sicher, „ist ein Stehaufmännchen“.

    Im Podcast sprechen Daniela Bergauer und Michael Hehl vom Augsburger Liliom-Kino über ihre Leidenschaft zum Film, die Konkurrenz zu großen Kino-Ketten und über Döner im Kinosaal. Die Folge haben wir vor der Corona-Krise aufgezeichnet.

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