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Corona-Krise: Hartz IV statt Soforthilfe? Musiker fühlen sich im Stich gelassen

Corona-Krise

Hartz IV statt Soforthilfe? Musiker fühlen sich im Stich gelassen

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    Sänger in der Zwangspause: Michael Etzel.
    Sänger in der Zwangspause: Michael Etzel. Foto: Michael Haggenmüller.

    Michael Etzel ist frustriert. Eigentlich würde für den freiberuflichen Sänger gerade Hochbetrieb bei den Festspielen in Baden-Baden herrschen - jetzt sitzt er zu Hause vor einem Antrag auf Hartz IV. Wie so viele andere kann er während der Corona-Krise seinem Beruf nicht nachgehen und hat für die Sicherheitsmaßnahmen auch Verständnis. Auch von vielen Veranstaltern erfährt er große Kulanz - die Festspiele zahlen den Musikern noch bis Mitte des Monats ihr volles Honorar, obwohl alles abgesagt wurde. Vom Bund und vom Freistaat Bayern fühlt sich der 34-Jährige aber im Stich gelassen. Denn die Soforthilfen, die auch für Soloselbstständige die Folgen der Krise abmildern sollen, kommen für ihn und zahlreiche seiner Fachkollegen wohl nicht infrage.

    Corona-Soforthilfen dürfen nur für gewerbliche Finanz-Engpässe verwendet werden

    Grund dafür ist der Verwendungszweck für die Soforthilfen von Bund und Freistaat Bayern. Diese dürfen laut der zuständigen Ministerien nur für die Deckung von Betriebskosten verwendet werden, etwa für gewerbliche Mieten, Pacht oder Leasingfahrzeuge. Kosten für den privaten Lebensunterhalt wie die Miete der Privatwohnung dürfen davon nicht bezahlt werden - stattdessen hat der Bund die Beantragung von Hartz IV für sechs Monate vereinfacht. So wird etwa auf die Vermögensprüfung verzichtet und die Kosten für die Wohnung werden in voller Höhe übernommen.

    Für Etzel ist die Aussicht auf Hartz IV eine unbefriedigende Situation. Als freiberuflicher Sänger, der sonst in hochklassigen Chören wie etwa dem des Bayerischen Rundfunks, im Rundfunkchor Berlin oder in Zürich singt, hätte er theoretisch Anspruch auf die Soforthilfen, die finanziell möglicherweise höher ausfielen als Hartz IV und unbürokratischer zu beantragen sind. Praktisch hat er aber weder einen eigens angemieteten Überaum noch einen Dienstwagen. Als Büro und Überaum dient ein Zimmer in der Augsburger Mietwohnung, in der er zusammen mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern lebt - ob es sich bei einem Anteil seiner Miete um Betriebskosten handelt, konnte ihm bisher niemand beantworten. Auch unter Kollegen herrscht große Unsicherheit, wie Diskussionen in den sozialen Netzwerken zeigen. Dazu kommt: Die Statuten der Bundesländer haben sich vielerorts noch einmal geändert, als der Bund sein Soforthilfe-Modell ausgerollt hat.

    Gewerberäume sind für viele Musiker ohnehin Luxus - denn von den häufig hohen Ticketpreisen für Konzerte kommt bei den Sängern und Instrumentalisten nur ein Bruchteil an. Die Künstersozialkasse gibt das durchschnittliche Jahreseinkommen der dort versicherten Musiker mit 14.600 Euro an. "Wie soll man von diesem Gehalt hohe Betriebskosten bezahlen?", fragt sich Etzel, der selbst bis zum Jahresende mit finanziellen Einbußen von 20.000 Euro netto rechnet. Die Soforthilfen hätten den Engpass zumindest in Teilen abgemildert, sagt er. Nun habe er aber Angst, Hilfen zunächst bewilligt zu bekommen, am Ende aber zurückzahlen zu müssen und als Subventionsbetrüger bestraft zu werden.

    Finden im Jahr 2020 überhaupt noch Großveranstaltungen statt?

    Und wie geht es weiter? Auf diese Frage hätte der Sänger selbst gerne eine Antwort. Zu Hause sitzen und auf bessere Zeiten zu warten, kommt für ihn nicht in Frage. Er hat sich mit seinem Anliegen nun unter anderem an die Augsburger Bundestagsabgeordneten gewandt, parallel ist Etzel auf Arbeitssuche zur Überbrückung. Doch hier steht er bereits vor den nächsten Problemen: In seinem alten Beruf als Rettungssanitäter gebe es aktuell mehr Personal als Beschäftigung - und auf Jobsuche könne er möglichen Arbeitgebern nicht sagen, für wie lange er bei ihnen tätig sein könnte. "Ich wünsche mir, dass die Politik den Mut hat und besser heute als morgen eine Aussage trifft, ob es im Jahr 2020 noch Großveranstaltungen geben wird oder nicht." Bisher wollen aber weder Kanzlerin Merkel noch Bayerns Ministerpräsident Söder eine Exit-Strategie aus der Corona-Krise bekanntgeben. Für den Musiker heißt das vor allem eines: Ungewissheit. Laut Plan singt er sein nächstes Konzert Ende April in Frankfurt am Main. Bis jetzt steht der Termin - dass er wirklich stattfindet, daran hat Etzel große Zweifel.

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