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Corona: Den Konzert-Agenturen geht in der Pandemie langsam die Luft aus

Corona

Den Konzert-Agenturen geht in der Pandemie langsam die Luft aus

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    In der Londoner Wigmore Hall sind künftig wieder Auftritte möglich - wenn auch mit vielen freien Sitzplätzen. Die Branche leidet massiv unter der Corona-Krise.
    In der Londoner Wigmore Hall sind künftig wieder Auftritte möglich - wenn auch mit vielen freien Sitzplätzen. Die Branche leidet massiv unter der Corona-Krise. Foto: Crossick, dpa (Symbol)

    Eine der weltweit einflussreichsten Bühnenkünstler-Agenturen, das 90-jährige Columbia Artists Management Inc. (kurz: Cami), hat in Folge der Corona-Pandemie aufgegeben. Das Unternehmen mit Sitz nahe der MET und des Lincoln Center in New York erklärt auf seiner Website, dass es nach reiflichen Erwägungen, voll tiefer Trauer und mit großem Bedauern seinen Betrieb ab sofort einstellt. Die schmerzliche Entscheidung sei das Ergebnis der Corona-Auswirkungen auf die internationale Bühnenkünstler-Gemeinschaft. Sprich: keine Auftritte, keine Künstlergage, keine Vermittlungsprovision.

    Die Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter ließ sich in den USA von der Cami, der Columbia Artists Konzertagentur vertreten. Jetzt hat die Agentur Konkurs angemeldet.
    Die Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter ließ sich in den USA von der Cami, der Columbia Artists Konzertagentur vertreten. Jetzt hat die Agentur Konkurs angemeldet. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Und da sich diese Situation für die nächsten Monate, bei einigen Orchestern sogar für die komplette nächste US-Konzert- und Opernsaison nicht ändern wird, haben zahlreiche weltweit renommierte Musiker vorerst keinen Konzertagenten und Auftrittsvermittler mehr – zumindest nicht für die USA. Einst wurden von Cami etwa die Dirigenten Karajan und Bernstein betreut und auch der Pianist Vladimir Horowitz, zuletzt waren der Agentur unter anderem Anne-Sophie Mutter und Gidon Kremer verbunden, dazu der Tenor Michael Schade sowie große europäische Orchester wie die Münchner Philharmoniker und dessen Dirigenten Valery Gergiev auf US-Tournee.

    Man befürchtet, dass die Cami nicht die letzte Agentur ist

    In Deutschland wird das Aus der geschichtsträchtigen Cami-Institution schockiert aufgenommen. Lothar Schacke, Branchenkollege als Mitbegründer des Münchner "KünstlerSekretariats am Gasteig", der unter anderem die Dirigenten Herbert Blomstedt und Manfred Honeck, den Pianisten Lang Lang, die Geigerin Julia Fischer und den Bariton Christian Gerhaher vermittelt, sagt: "Es ist tragisch und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Agentur die letzte ist." Auch in London habe es gleich zu Beginn von Corona einen weiteren Fall gegeben.

    Allerdings könnte bei dieser Unternehmensaufgabe an der Themse auch Taktik eine Rolle gespielt haben, denn die Verantwortlichen hätten nach Büroraumräumung und Kündigungen wieder eine neue Agentur eröffnet. Gleichwohl, so erklärt Schacke, gehe den Agenturen bei oft dreifacher Umplanungsarbeit und erheblich niedrigeren Provisionen langsam die Luft aus. "Wir sind täglich von neuen Absagen betroffen, wir können nicht langfristig planen." Jeder Konzertausfall habe Provisionsausfall zur Folge. "Das Pittsburgh Symphony Orchestra und sein Dirigent Manfred Honeck wissen nicht, ob sie ab Januar 2021 wieder in ihrem Saal spielen können. Honecks Provision kann für uns also auch wegbrechen."

    "Wahrscheinlich hilft nur ein Impfstoff" – so umreißt Lothar Schacke seine Hoffnung. Die Politik sei ja auch keine Gelddruckmaschine und Agenturen besäßen – anders als Künstler und Veranstalter – keine Lobby. Bewirken könne freilich auch eine Lockerung der genehmigten Zuhörerzahlen etwas –und eine Einigkeit der Bundesländer hinsichtlich der Corona-Maßnahmen.

    Ein Münchner Künstleragent glaubt, dass der Cami der Mut ausgegangen ist

    Ende April hatte schon Andreas Schessl, ein weiterer Münchner Künstleragent und bedeutender Veranstalter (MünchenMusik), zu Corona erklärt: "Ich bin froh, dass das nicht passiert ist, als ich Existenzgründer war, sondern in einer Situation, in der wir wohlgeordnete Verhältnisse haben. Wir haben uns auf 18 Monate Krisenzeit eingerichtet, so steht auch unsere Finanzierung da." Heute sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung, dass das Ende von Cami, dieser "legendären Konzertagentur" ausgesprochen traurig sei, dass aber auch Cami zuletzt wohl nicht mehr das war, was es einst war: "Ich glaube, denen ist auch der Mut ausgegangen aufgrund der sehr schlechten Lage in den USA und weil im Agenturgeschäft die Gewinnmargen gering sind im Verhältnis zu den Kosten. Vielleicht ist aber auch die Zeit der großen, mächtigen, auch diktierenden Agenturen vorbei."

    Die Fliehkräfte in der Branche seien sowieso groß und alles komme auf die gute Verbindung zwischen Künstler und persönlichem Betreuer an. Schessl deutet an, dass sich womöglich einzelne ehemalige Cami-Mitarbeiter selbstständig machen und dann den Künstler betreuen werden, den sie schon zuvor betreut hatten. Auch könnten Musiker zur Agentur Cami Music wechseln, ein Unternehmen, das sich vor Jahren von Cami abgespalten habe und das derzeit schon Lang Lang in den USA betreut.

    Einem Agenten wird keine Ausnahmeregelung gewährt, der Staatsoper schon

    Was aber seine Hoffnungen in der Corona-Krise betrifft, da hält Andreas Schessl nicht hinter dem Berg: "Es erzürnt mich sehr, dass mir gerade eine Ausnahme von der 200-Personen-Regelung verwehrt wurde, während sich der Freistaat unter dem Deckmäntelchen eines Pilotprojekts 500 Zuschauer in der Staatsoper genehmigt." Wenig Gutes lässt er auch am bundesdeutschen 80-Millionen-Projekt "Neustart Kultur": "Das ist gut gemeint, aber schlecht gemacht. Ich wäre wahnsinnig, wenn ich ohne jegliche Aussicht auf Ertrag dafür Personal und Risiko einsetzen würde."

    Und wie kommentiert Winfried Roch vom Classic Concerts Management (ccm-international) in Türkheim das Ende von Cami ? Er vertritt unter anderem die Sopranistin Diana Damrau sowie den Pianisten Igor Levit und richtet das Festival der Nationen in Bad Wörishofen aus. Ihn betreffe die Aufgabe von Cami weder direkt noch indirekt, sagt Roch, da er seine Künstler weltweit alleine vertrete. Und zu den Lehren, die aus dem Ende von Cami zu ziehen sind, meint Roch: "Es würde mich freuen, wenn Künstleragenturen europaweit Unterstützung fänden."

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