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Chemie-Nobelpreis: Erst Hohn, dann höchste Ehre

Chemie-Nobelpreis

Erst Hohn, dann höchste Ehre

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    Nobelpreis für Chemie: Der israelische Chemiker Dan Shechtman. (Archivbild)
    Nobelpreis für Chemie: Der israelische Chemiker Dan Shechtman. (Archivbild) Foto: dpa

    Und sie dreht sich doch. Schon Galilei kämpfte mit jenem Problem, mit dem auch der israelische Physiker Daniel Shechtman (70) jahrelang zu kämpfen hatte: Niemand glaubte ihm seine Entdeckung; statt Anerkennung hagelte es Hohn. Denn solche Kristallstrukturen, wie Shechtman sie 1982 zufällig in seinem Elektronenmikroskop erblickte, kamen in keinem Lehrbuch vor – also gab es sie nicht.

    Doch Shechtman hielt an seiner Beobachtung fest. Jetzt bekommt er dafür den Chemie-Nobelpreis. Als das Nobelkomitee ihn gestern davon unterrichtete, gab der Wissenschaftler zu, „sehr, sehr lange“ auf diese Auszeichnung gewartet und die Hoffnung schon fast aufgegeben zu haben. Aber: „Ein guter Wissenschaftler ist ein bescheidener Wissenschaftler.“

    In einem Interview mit der israelischen Zeitung Haaretz hatte er vor einigen Monaten erklärt: „Wenn man sicher ist, dass man recht hat, dann darf man nicht zurückweichen, bis die anderen das Gegenteil nachweisen.“

    Kein Gegenbeweis

    Den Gegenbeweis war ihm aber einer seiner bekanntesten Kritiker, der zweifache Nobelpreis-Träger Linus Pauling, bis zum Lebensende schuldig geblieben. Stattdessen hatte der wohl wichtigste Chemiker des 20. Jahrhunderts den Konkurrenten Shechtman auf einem US-Kongress öffentlich abgewatscht: „Shechtman erzählt Blödsinn. So etwas wie Quasikristalle gibt es nicht, bloß Quasiwissenschaftler.“ Shechtman sagte dazu später: „Das passiert, wenn Menschen fast religiös an etwas glauben. Der Streit mit Pauling war fast ein theologischer.“ Shechtmans Frau bekannte gestern, ihr Mann „musste harte Jahre durchleben“. Zur Auszeichnung ergänzte sie: „Er hat es wirklich verdient. Er hat hart dafür gearbeitet und nicht aufgegeben.“

    Dabei war Shechtman, vom Naturell aus laut Kollegen eher ruhig und professionell als ein revolutionärer Eiferer, zu Beginn selbst sehr skeptisch gewesen und hatte seine Entdeckung vielfach überprüft. Doch die Ergebnisse bestätigten sich – und der Spießrutenlauf durch die Wissenschaftsgemeinde begann. Sein eigener Institutschef an der Technischen Hochschule von Haifa vertrieb ihn aus der Forschungsgruppe, weil er diese angeblich bloß blamiere.

    Einst unvereinbar mit den Naturgesetzen

    Auch als Shechtman – mittlerweile mit vereinzelten Unterstützern – zwei Jahre später versuchte, seinen Fund in einem renommierten Fachjournal zu veröffentlichen, kam der Aufsatz postwendend zurück – abgelehnt. Erst ein halbes Jahr später druckte ein anderes Journal den Artikel mit dem für Kristallografen ketzerischen Inhalt. Doch es dauerte noch Jahre und bedurfte auch der theoretischen Unterstützung durch Mathematiker, bis sich die Entdeckung durchsetzte.

    In Quasikristallen sind die Atome in Mustern angeordnet, die sich niemals wiederholen. Diese Entdeckung galt einst als nicht vereinbar mit den Naturgesetzen. Mittlerweile wurden Quasikristalle in einem russischen Fluss gefunden und auch künstlich hergestellt. Derzeit wird ihr Einsatz bei verschiedenen Produkten wie Bratpfannen und Dieselmotoren erforscht. dpa/ dapd

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