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Buhs und Bravos für bibelfestes "Moise et Pharaon"

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Buhs und Bravos für bibelfestes "Moise et Pharaon"

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    Buhs und Bravos für bibelfestes «Moise et Pharaon»
    Buhs und Bravos für bibelfestes «Moise et Pharaon» Foto: DPA

    Doch soweit wollte Regisseur Jürgen Flimm bei der Rossini-Oper "Moise et Pharaon" nicht gehen, denn die biblische Geschichte um den Auszug der Hebräer aus Ägypten habe allein schon genug Bezug zur Gegenwart, sagte er im Vorfeld. Bei der Premiere am Samstag im Großen Festspielhaus kam das aber nicht ganz beim Publikum an: Der Noch-Salzburg-Chef und baldige Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden musste sich für seine Inszenierung Buh-Rufe anhören. Bejubelt wurden dagegen die Sänger und die Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti.

    Die selten aufgeführte Oper aus dem frühen 19. Jahrhundert macht es einem Regisseur nicht leicht: Der Auszug der Hebräer aus Ägypten ist schwerer Stoff und zieht sich über die rund vier Stunden Dauer sehr. Daran ändert auch die eingeflochtene Liebesgeschichte à la Romeo und Julia zwischen dem Pharao-Sohn Aménophis und der Moses-Nichte Anai nichts. Die bühnengerechte Darstellung der zehn Plagen oder der Teilung des Meeres fordert einigen Einfallsreichtum. Und zudem nimmt die eingängige, fröhlich-leichte Rossini-Musik aus dem Orchestergraben dem brutalen Religionen- und Völkerkonflikt auf der Bühne oft alle Dramatik.

    Ein nach vorne offener Riesenkegel aus hellem, unbehandelten Holz (Bühne Ferdinand Wögerbauer) ist gleichzeitig Gefängnis der versklavten Juden und Berg Sinai, auf den Gott anfangs seine Zehn Gebote per Videoprojektion schickt. Immer wieder öffnen und schließen sich in dem beengenden Holzkonstrukt Türen für das Auf und Ab der Verhandlungen über den Auszug, am Ende bekommt die massive Vertäfelung Löcher.

    Eigentliche Hauptperson der Oper ist der sehr präsente rund hundertköpfige Staatsopernchor, der mal als Ägypter und mal als Hebräer schmettert. In der musikalischen Leistung überragend, passt bei dessen Inszenierung allerdings einiges nicht ganz zusammen: Die alten Ägypter sind in helle Araber-Kaftane mit Turban gehüllt (Kostüme: Birgit Hutter), die in schwarze Kostüme oder Anzüge gewandete Juden mit ihren abgewetzten Lederkoffern erinnern an Vertreibungsbilder aus der NS-Zeit. Ändert sich der Blickwinkel in der Oper vom großen Religionskonflikt zur kleinen, darin verlorenen Liebesgeschichte, zoomen schwarze Wände zusammen und geben nur noch den Blick auf die Protagonisten in einem kleinen Viereck frei.

    In der ganzen Oper setzt Flimm stark auf die Kraft der Heiligen Schrift - und das Publikum muss viel lesen. In wichtigen Schlüsselszenen wie den zehn Plagen oder dem Versinken des ägyptischen Heeres am Ende im Meer wird die entsprechende Bibelstelle an die Wand projiziert. Szenisch malen schwarze Engel langsam rote Streifen an Türen, die Juden kippen aus ihren Lederkoffern Sand als Zeichen für das von Gott geteilte Meer auf die Bühne und das ertrinkende ägyptische Heer bricht in blaues Licht getaucht in Zeitlupe zusammen. Auf Leitern pinseln Männer die ganze Oper über extrem langsam "Du sollst nicht töten" an die Wand, aus Blütenblättern werden Muster gelegt und auf große Steintafeln mit Kreide die Gebote gemalt.

    Trotz der schleppenden Handlung brillieren Sänger und Orchester. Dirigent Riccardo Muti wird mit seinen Wiener Philharmonikern beim Schlussapplaus lautstark mit "Bravo"-Rufen bedacht. Auch wenn keine ganz großen Namen dabei sind, lösen die Sänger wie Eric Cutler als in Moses Nichte Anai (Marina Rebeka) verliebter Pharao-Sohn Aménophis oder seine Mutter Sinaide (Nino Surguladze) große Begeisterung aus.

    Um als geniale Neuentdeckung gefeiert zu werden, ist die letzte Opern-Neuinszenierung dieses Festspielsommers angesichts ihrer Handlung wahrscheinlich zu sperrig. Das hat Regisseur Jürgen Flimm wohl geahnt, als er vorab sagte, dass die Inszenierung dieses Stückes keine innere Notwendigkeit von ihm gewesen sei. Denn zuerst war ein anderer Regisseur vorgesehen. Erst als dieser absprang, landete die biblische Geschichte auf dem Schreibtisch des Intendanten.

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