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Buchtipp Frühjahr: Patrick Svensson und seine Hommage auf den Aal

Buchtipp Frühjahr

Patrick Svensson und seine Hommage auf den Aal

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    Patrick Svensson: Das Evangelium der Aale. A. d. Schwedischen von Hanna Granz, Hanser, 256 Seiten, 22 Euro
    Patrick Svensson: Das Evangelium der Aale. A. d. Schwedischen von Hanna Granz, Hanser, 256 Seiten, 22 Euro

    Egal ob es um Bienen geht, wie bei Maja Lunde , oder um Bäume, wie bei Peter Wohlleben : Je weiter sich die Menschen offenbar von der Natur entfernen, um so mehr scheinen sie sich für ihre Phänomene zu interessieren. Nach den Bienen und Bäumen nun also der Aal. Glitschig, schleimig, unheimlich: Bislang galt er nicht gerade als besonderer Sympathieträger unter den Spezies – weder gekocht in Aspik und erst recht nicht in der Verfilmung von Günther Grass’ „Blechtrommel“. Der Schwede Patrik Svensson jedoch schreibt eine regelrechte Hommage auf dieses außergewöhnliche Tier, dem es sogar möglich ist, klassische Grenzen eines Fischs zu überwinden. Wenn vonnöten, kann sich der Aal auch durchs feuchte Gras oder durchs Unterholz schlängeln. Svenssons Erfolgsdebüt wurde in 30 Sprachen übersetzt. Der nächste Bestseller also in der derzeit so beliebten Sparte „Nature Writing“.

    Der Aal, das unbekannte Wesen. Svensson ändert dies, indem er einen spannenden Spagat wagt. Er verknüpft seine Kindheitserinnerungen – wie er etwa jahrelang mit seinem Vater nachts auf Aalfang ging, an einem kleinen Fluss die Reusen auslegte, wie sie wild angelten und auch, wie er lernte, das Tier zu töten –, mit der Natur- und Kulturgeschichte des Aals. Dabei schlägt Svensson, der in der Nähe der schwedischen Aalküste aufwuchs, den Bogen von Aristoteles bis in unsere Zeit und zu den modernen Sorgen der Menschen um die Umwelt und das Artensterben.

    Dem Aal gelingt auch heute noch immer Ungeheures. In einer Welt, in der alles erforscht scheint, schlängelt sich der Fisch enigmatisch durch die Gewässer der Welt und lässt Forscher im Trüben fischen. Bereits Aristoteles verzweifelte auf der griechischen Insel Lesbos an ihm. Der Universalgelehrte war fest davon überzeugt, dass der Fisch direkt aus dem Schlamm geboren wird, sozusagen aus dem Nichts im Bodensediment unter Wasser. Zu dieser festen Überzeugung gelangte er, weil er auch beim mehrfachen Sezieren von Aalkörpern keine Geschlechtsorgane entdecken konnte. Seine Aufzeichnungen „Historia animalium“ gelten nicht nur als erster Versuch, die Tierwelt zu kategorisieren und systematisieren, sondern auch als Ursprung der sogenannten „Aalfrage“, die fortan zahlreiche Forscher umtrieb. Wie nur pflanzt sich der Aal fort?

    Wie pflanzt sich der Aal fort?

    Auch Sigmund Freud versuchte 1876 in Triest als 19-Jähriger während seines Studiums vergeblich die Keimdrüsen des Aal-Männchens ausfindig zu machen. Das Rätseln um den Aal hat noch immer kein Ende. Wie Svensson schreibt, hat kein Mensch je einen Aal beim Laichen beobachtet, keiner hat je einen Aal die Eier eines anderen befruchten sehen, keiner hat je einen Aal dazu gebracht, sich in Gefangenschaft zu vermehren. „Wir glauben zu wissen, dass alle Aale in der Sargassosee schlüpfen, weil man dort die allerkleinsten der weidenblattähnlichen Larven gefunden hat.“ Aber keiner wisse jedoch, warum der Aal darauf besteht, sich ausgerechnet dort und nur dort fortzupflanzen. Ganze Forscherleben hat der Aal, ohne es auch nur im Geringsten zu ahnen, für sich beansprucht. Der Däne Johannes Schmidt hat sein halbes Leben auf dem Dampfer Thor verbracht, um in der Sargassosee die Herkunft der Aale zu klären.

    Viele solcher Episoden weiß Svensson zu erzählen, ohne je seinen Leser zu ermüden. Er versteht es, Details in einen weiten Zusammenhang zu stellen – bis hin zur Aalfrage der heutigen Zeit: Warum stirbt der Aal aus? All das liest sich spannend. Und wenn es um Svenssons Erinnerungen geht, auch berührend. Am Schluss entsteht fast so etwas wie ein glitschiggrünes Band der Sympathie für den Aal. Zur Leseprobe

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