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Börne-Ehrenmedaille an Reich-Ranicki

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Börne-Ehrenmedaille an Reich-Ranicki

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    Börne-Ehrenmedaille an Reich-Ranicki
    Börne-Ehrenmedaille an Reich-Ranicki Foto: DPA

    Gleich zu Beginn bezeichnete Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) Reich-Ranicki als den anderen großen Kritiker der Stadt neben dem scharfzüngigen Ludwig Börne (1786-1837). "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher würdigte Reich-Ranicki als "das Staatsoberhaupt in der literarischen Republik".

    Doch das Blitzlichtgewitter zeigte: Die Popularität Reich-Ranickis ist mit solchen Maßstäben des Feuilletons nicht mehr zu fassen. Schirrmacher stellte fest, Reich-Ranicki sei heute jedem Tankwart bekannt. Als weitere Laudatoren waren die TV-Entertainer Harald Schmidt und Thomas Gottschalk angereist.

    "Eines musst du dir sagen lassen: Du bist, ob du es sein willst oder nicht, ein begnadeter Entertainer", erklärte Gottschalk Reich-Ranicki. Schelmisch bekannte der Showmaster, er genieße die Schmerzen, die sein Auftritt hier manchem bereite.

    Doch wenn stimmt, was Börne-Stiftungsvorsitzender Michael Gotthelf ausplauderte, dann hatte der Preisträger bei der ungewöhnlichen Rednerliste selbst kräftig mitgemischt. Und ausgerechnet TV-Unterhalter Gottschalk fand in seiner mit Späßen durchsetzten Rede auch das ernste Thema des Vormittags.

    Ist Reich-Ranicki der Außenseiter, als der er sich selbst zu fühlen meint? "Nein, als Außenseiter nimmt dich die große Mehrheit der Deutschen sicher nicht wahr, eher als Mahner", sagte Gottschalk zum "lieben Marcel". Gottschalk ist mit Reich-Ranicki per Du, seit der Kritiker in einer von ihm moderierten Sendung den Deutschen Fernsehpreis ablehnte.

    Für Gottschalk steht fest: "Du bist kein Außenseiter, sondern eine Ausnahme." In seinen Dankesworten nahm Marcel Reich-Ranicki dies auf. Er habe in seinem Leben getan, was ihm Spaß gemacht habe, blickte Reich-Ranicki ungewohnt leise zurück. "Ich habe immer wieder versucht, die Literatur lesbar zu machen für ein möglichst großes Publikum", sagte er. Doch bei allen Preisen und Ehrungen sei ihm klar: "Ja, ich bin ein Außenseiter, aber ich darf glücklich sein, dass ich es bin."

    Zuvor hatte Gottschalks Kollege Schmidt Beifall bekommen, als er mit Verweis auf den heißen Tag statt einer Rede Bertolt Brechts Gedicht "Erinnerung an die Marie A." vortrug. Als vierter Laudator forderte der Publizist Henryk M. Broder Reich-Ranicki auf, sich jenseits der Literatur einzumischen, wenn etwa der Gaza-Streifen unzulässig mit dem Warschauer Ghetto verglichen werde, das Reich-Ranicki mit seiner Frau Tosia überlebt hatte.

    "Bleiben Sie böse - vor allem aber: Bleiben Sie", rief Broder Reich-Ranicki zu. Vom Thema sei er mit seinem Nahost-Exkurs nicht abgewichen, sagte Broder und berief sich auf die Tradition des scharfzüngigen Börne. An diesen erinnert die Börne-Stiftung jeden Juni mit der Vergabe ihres Börne-Preises. Den hatte Reich-Ranicki schon 1995 erhalten, weshalb die Stiftung dieses Jahr eigens den undotierten Ehrenpreis schuf - und vier Laudatoren aufbot.

    Trotz des Staraufgebots machte sich TV-Star Gottschalk am Ende aber über eines keine Illusion. Die Quote der zeitversetzt vom ZDF übertragenen Preisvergabe werde "mickrig" sein. Und dann bat er das Feuilleton, nicht zu hart zu urteilen, wenn Fernsehsender Kultur unterhaltsam zu präsentieren versuchten.

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