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Augsburg: Blick hinter die Kulissen: So geht es den Theatern im Lockdown

Augsburg

Blick hinter die Kulissen: So geht es den Theatern im Lockdown

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    Blick hinter die Kulissen: So geht es den Theatern im Lockdown
    Blick hinter die Kulissen: So geht es den Theatern im Lockdown

    Absagen, neu planen, absagen: Das ist mittlerweile alltäglich für Kultureinrichtungen geworden. Die Augsburger Theater hat seit Ende Oktober kein Zuschauer mehr von innen gesehen. Wann sie wieder öffnen können bleibt weiterhin unklar. Doch was ist trotzdem auf den Bühnen hinter den verschlossenen Türen passiert?

    Sensemble Theater, Theaterleiter Sebastian Seidel: "Es ist sehr schwierig."

    Im Sensemble Theater ist es ruhig. Im Eingangsbereich kleben Pfeile aus Klebeband auf dem Boden, die noch von einem Hygienekonzept für Vorstellungen zeugen, doch Zuschauer waren hier schon lange nicht mehr. Am Eingang des Zuschauerraums steht ein schwarzer Kasten, der sich als Virenfilter herausstellt. Im Barbereich davor sind auf einer kleineren Bühne die Preise von einer Tombola aufgereiht, die eigentlich für das Sommerfest 2020 angedacht waren.

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    Die vergangenen Monate ohne Publikum bezeichnet Theaterleiter Sebastian Seidel als „sehr schwierig“. Die Stimmung im Team sei immer wieder schwankend. Die Festangestellten in Kurzarbeit hätten einen sicheren Job, doch für die freien Künstler sei es extrem schwierig und frustrierend.

    Corona & Theater: Das Sensemble Theater in Augsburg wartet sehnlichst darauf wieder öffnen zu können

    Im Januar habe man die Hoffnung gehabt, bald wieder spielen zu dürfen. Doch diese schwand wieder und flammte erneut auf mit der Perspektive auf mögliche Öffnungen ab Ende März. Zur Vorbereitung bestellte Seidel 1000 Schnelltests, um Schauspieler und Personal sowie teilweise Zuschauer testen zu können. Doch der Lockdown bis zum 18. April verschob alle Pläne erneut. Nun liegt die Hoffnung auf Ende April.

    Stillstand gab es in den Theaterräumen jedoch nie: Die Feier zum 20. Jubiläum im vergangenen Jahr fiel zwar flach, doch in der Zwischenzeit konnte die Technik auf der Hauptbühne sowie auf der Probebühne erneuert werden. „Wir haben immer weiter geprobt und haben zwei Stücke fertig. Wir warten nur darauf, dass wir sie bringen können. Wir geben da keinen Millimeter nach“, sagt Seidel.

    Für November war eigentlich die Premiere der Komödie Eiscreme von Miro Gavran geplant und ab Januar sollte Wahlschlacht von Sebastian Seidel aufgeführt werden. „Bei Wahlschlacht geht es um viele politische Dinge, die aktuell verhandelt werden, das muss jetzt raus. Wenn wir das nicht vor Sommer rausbringen können, werden wir das filmen und online zeigen“, sagt der 49-Jährige. Aber natürlich mache er lieber ein Theaterstück, bei dem das Publikum vor Ort sei.

    Zuerst wurden die digitalen Angebote abgelehnt, dann begeistert angenommen, nun ist es wieder weniger. „Weil keiner mehr vor der Mattscheibe sitzen möchte“, erklärt Seidel. Doch er ist dankbar: „Wir haben durch die Spenden unseres Publikums überlebt.“ Sobald man irgendwie wieder aufmachen könne, würden sie das sofort machen. Was aufgeführt werde, könne kurzfristig entschieden werden. Seidel stellt klar: „Der Inhalt ist nicht das Problem, sondern dass wir es machen dürfen.“

    Staatstheater Augsburg, Intendant André Bücker: "Es ist ziemlich einsam."

    Auf den Gängen der Interimsspielstätte des Staatstheaters im Martini-Park laufen dem Intendanten des Staatstheaters André Bücker nur vereinzelt Menschen über den Weg. Ein paar Schauspielproduktionen und das Ballett proben. Musiker und andere kleine Gruppen üben. In den Orchesterproberaum, in dem sonst 70 Musiker spielen, dürfen aktuell nur 35 Personen. Als Bücker den Raum betritt, rücken gerade zwei Sänger den Flügel in eine andere Ecke des Raums, um zu üben. In der Maske sind vier Mitarbeiter, die an Perücken arbeiten. Die Probebühne des Musiktheaters wurde zu einem Studio umfunktioniert, um das Stück „W - eine Stadt sucht ihre Wohnung“ über Twitch zu streamen.

    Intendant des Staatstheaters Augsburg André Bücker sitzt in den leeren Rängen in der  Interimsspielstätte im Martini Park.
    Intendant des Staatstheaters Augsburg André Bücker sitzt in den leeren Rängen in der Interimsspielstätte im Martini Park. Foto: Susanne Klöpfer

    Für Bücker waren die vergangenen Monate als Intendant „ziemlich einsam“, wie er es beschreibt, denn: „Das Theater ist eigentlich ein Betrieb, in dem es brummt, ständig was los ist und wahnsinnig viele Menschen aufeinander sind.“ Eine ungewohnte Situation für Bücker, doch trotzdem sind seine Tage voll. Anstelle von Premieren und Vorstellungen beschäftigt er sich mit Hygienekonzepten, den knapp 450 Mitarbeitern und der Disposition, um immer schnellstmöglich wieder spielen zu können. Eine Herausforderung: „Es gab keine längerfristigen Perspektiven von der Politik als ein paar Wochen. Normalerweise planen wir Jahre im Voraus“, sagt Bücker.

    Corona & Theater: Im Augsburger Martini-Park proben die Künstler weiter

    Doch in den Räumen des Staatstheaters war trotzdem was los: Die Proben liefen eingeschränkt weiter, Bühnenbilder wurde in den Werkstätten für das Sommerprogramm gefertigt, Wartungsarbeiten vorgezogen, aber auch Überstunden abgebaut. „Eine komplexe Planungsgeschichte“, sagt Bücker. Von Januar bis Ende Februar pausierten die Proben im Theater sogar. Die Gesamtsituation sei nicht so gewesen, dass sie normal weiterarbeiten hätten können oder müssen. Es habe keine Perspektive gegeben, wofür man was mache, erklärt Bücker.

    Bereits im Dezember habe es die Entscheidung gegeben, dass man erst wieder Mitte April mit den ersten möglichen Veranstaltungen rechne. Doch trotzdem sei man noch zu optimistisch gewesen. „Nun läuft der Betrieb wieder so weit, dass man jetzt auch schneller reagieren könnte“, sagt Bücker. Um den Ticketverkauf macht er sich keine Gedanken: „Die Augsburger wollen in das Theater.“

    Parktheater im Kurhaus Göggingen, Leiter Stefan Weippert: "Es macht natürlich weniger Spaß."

    Das Parktheater im Kurhaus Göggingen wirkt wie im Dornröschenschlaf. Das prächtige Gebäude aus dem 19. Jahrhundert ist menschenleer, die Türen sind verschlossen, die Heizungen sind abgestellt und der prunkvolle Theatersaal ist nicht bestuhlt. Stefan Weippert, der Geschäftsführer des Kurhaustheaters, lässt seinen Blick über den leeren Saal schweifen und sagt über die vergangenen Monate: „Es macht natürlich weniger Spaß, die Termine zu planen, zu verschieben und auch teilweise zu sehen, wie Künstler leiden.“ Ob Kabarett, Konzert oder Operette, bis zu 180 kulturelle Veranstaltungen finden sonst jährlich im Kurhaustheater statt.

    Corona & Theater: Metropolitan Opera war an Silvester im Parktheater im Kurhaus Göggingen zu Gast

    Doch alles wirkt nur wie im Dornröschenschlaf - hinter den verschlossenen Türen ging Einiges voran. An Silvester waren etwa die Stars der bekannten New Yorker Metropolitan Opera zu Gast, um live aus dem Gögginger Parktheater im Rahmen der Reihe „Met Stars Live in Concert“ ein Konzert zu übertragen. Auch am Theatersaal selbst gab es Veränderungen: Für den Balkon wurden Sitzplatzerhöhungen gebaut, so dass in Zukunft auch aus der zweiten Stuhlreihe noch gute Sicht auf die Bühne ist. In der Verwaltung und in der Buchhaltung wurden Arbeitsabläufe optimiert. Als seine Hauptaufgabe sieht Weippert es aktuell, sich um seine Mitarbeiter zu kümmern und dafür zu sorgen, dass die Stimmung trotz allem gut ist.

    Die Kartenkäufer und Theaterfans waren Weippert zufolge in den vergangenen Monaten verständnisvoll. Viele hätten gesagt, dass sie die Karten nicht zurückgeben, sondern einen Gutschein nehmen oder die Veranstaltung in der nächsten Saison wahrnehmen würden. Als ein „schönes Miteinander“ bezeichnet der 57-Jährige das.

    Zunächst waren Veranstaltungen für Anfang April angedacht. Doch nun wartet Weippert ab, was nach dem erneuten Lockdown passieren wird. Im Moment geht er von keiner baldigen Öffnungen aus. Veranstaltungen zu planen gestalte sich schwierig: „Die Künstler haben teilweise gesagt, dass es nicht geht“, sagt Weippert. Es gebe Ensembles mit Darstellern aus Kolumbien oder Kuba, die aktuell nicht mal nach Deutschland einreisen dürften. Das sei ein großes Problem im Bereich des Tourneetheaters wie auch im Parktheater. Tourneen seien durch die unterschiedlichen Inzidenzen in Städten nicht möglich, führt er aus. „Wir öffnen, sobald wir wieder können, denn wir sind da, um Theater zu machen und für die Menschen da zu sein“, sagt Weippert. Eine baldige Öffnung hält er jedoch für unwahrscheinlich.

    Kulturhaus Abraxas, Leiter Gerald Fiebig: "Am Anfang habe ich mich verrückt gemacht."

    Im Kulturhaus Abraxas ist nicht viel los. Im Ballettsaal neben dem Theater steht noch das Bühnenbild für das Stück Pinocchio, das ein Kindertheater aktuell probt. Die Premiere ist aktuell auf Mai angesetzt. In der Gaststätte gehen Renovierungsarbeiten vonstatten, da ein neuer Pächter die Räumlichkeiten übernehmen wird. In der Kunsthalle nebenan hängen keine Kunstwerke an den Wänden, aber dafür stehen dort Stuhlreihen. Eigentlich war es im Oktober vergangenen Jahres als improvisierte Theaterbühne gedacht, doch zu einer Aufführung kam es nie.

    Leiter des Kulturhauses Abraxas Gerald Fiebig auf den roten Sesseln im Theatersaal.
    Leiter des Kulturhauses Abraxas Gerald Fiebig auf den roten Sesseln im Theatersaal. Foto: Susanne Klöpfer

    Im Büro des Leiters Gerald Fiebig entdeckt man eine Holzlatte mit der Aufschrift „1,5 Meter". Als „Symbol unserer Arbeit“, bezeichnet Fiebig es. Vergangenen Sommer hatten sie die Holzlatte anstatt eines Meterstabs genutzt, um die Abstände für das Theater im Biergarten abzumessen.

    Corona & Theater: Im Kulturhaus Abraxas produzieren Künstler Videos

    Trotzdem herrscht Fiebig zufolge aktuell eigentlich relativ viel Leben im Haus, das vom Kulturamt der Stadt Augsburg betrieben wird. Die freien Kindertheater proben weiter. Kameras, Mischpulte und andere Technik wurden angeschafft, damit Künstler vor Ort Videos produzieren und Theaterstücke aufnehmen können.

    Die Kindertheater setzen sich mit Audiotouren und Hörspielen auseinander. Fiebig freut sich darüber: „Ich sehe die Tendenz, dass neue künstlerische Formate entstehen, weil man sich mit einem Medium auseinandersetzt.“ Auch am ehemaligen Offiziersheim, das in den 30er-Jahren errichtet wurde, ist in den vergangenen Monaten gearbeitet worden. Um den Erhalt der Infrastruktur müsse man sich hier immer kümmern, sagt Fiebig. Dazu wurde ein Rollstuhlaufzug gebaut und auch ein Glasfaseranschluss ist angedacht.

    Fiebigs Erkenntnis aus den vergangenen Monaten: „Das Spiel von Planen und Absagen ist eigentlich das Brot und Butter in der Pandemie.“ Nicht zu planen sei keine Option, aber man müsse abwägen. Am Anfang habe es ihn verrückt gemacht, als er nicht gewusst habe, was in drei Wochen gespielt werde. Mit der Zeit habe er gelernt, sich nicht sofort an den Strohhalm, dass man wieder öffnen könne, zu klammern. Für größere Veranstaltungen berät Fiebig die Mieter zu möglichen Terminen. Mit dem Kindertheater im Abraxas gibt es ein Grundprogramm, das bei Öffnungen wieder schnell aufgeführt werden kann.

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