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Bayreuther Festspiele: Immer noch großes Tristan-Glück

Bayreuther Festspiele

Immer noch großes Tristan-Glück

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    Bayreuther Festspiele: Zum Auftakt auf dem grünen Hügel gab es keine Neu-Inszenierung.
    Bayreuther Festspiele: Zum Auftakt auf dem grünen Hügel gab es keine Neu-Inszenierung. Foto: dpa

    Von Stefan Dosch Bayreuth - "Kinder! Macht Neues!" Der Generalappell Richard Wagners hat heuer immerhin zu einer Kinderoper geführt, und "Der fliegende Holländer" als Kurzfassung für Sechs- bis Zehnjährige hat das junge Publikum schlicht begeistert.

    Ansonsten bleiben die Bayreuther Festspiele im ersten Jahr der beiden Chefinnen Eva Wagner-Pasqier und Katharina Wagner ohne Neuinszenierung. Den Auftakt des 98. Wagner-Festsommers bildete Christoph Marthalers vier Jahre alte Inszenierung von "Tristan und Isolde".

    Im "Tristan" befinden sich die beiden Protagonisten, bezeichnend für tragisch Liebende, im dauernden Wechselbad der Gefühle. Und gerade hier trifft Marthalers Konzept unfreiwillig genau. Denn neben Regiebildern von großer Eindringlichkeit stehen Szenen recht prätentiösen Inhalts, manchmal auch nur Leerstellen.

    Dass das Bühnenbild (Anna Viebrock), im ersten Aufzug das obere Deck eines Ozeandampfers darstellend, im weiteren Fortgang nach unten sackt und somit Tristans und Isoldes Fall versinnbildlicht; dass die kreisrunden Leuchstoffröhren-Sterne, wie es sich für Liebende gehört, zu Beginn noch am Himmel stehen und zum Ende hin nur noch kümmerlich glimmen: Lesarten wie diese, die das Geschehen gleichnishaft aufschlüsseln, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei Marthaler viel gestisches Potential ungenutzt bleibt.

    Auflodernder Liebesbrand

    Dennoch hat dieser "Tristan" außergewöhnliche Momente. Marthalers Personenregie ist sparsam, dafür aber, fallweise, von höchster Präzision. Nachdem Tristan und Isolde den verhängnisvollen Trank zu sich genommen haben, weiß der Verstand noch nichts vom auflodernden Liebesbrand, der Körper hingegen sehr wohl.

    Wie Marthaler vor allem bei Isolde diese Körper-Sprache in fahrige Handbewegungen und eine wägende Neigung des Kopfes zu legen versteht, das ist, eben in Verbindung mit Wagners tönender Situationsschilderung, großes "Tristan"-Glück.

    Derartige gestische Feinarbeit lässt sich nur ins Werk setzen mit exzellenten Sängerdarstellern, und hier gilt die Krone Iréne Theorin. Im vokalen Part kommt diese Isolde ganz ohne hochdramatisches Flackern aus, dennoch verfügt die schwedische Sopranistin mit ihrer durch die Register homogenen Stimme über genügend Potenz für Spitzen.

    Auch Robert Dean Smith ist als Tristan dankenswerterweise kein tenoraler Kraftkerl, und auch er verfügt für die mörderische Dreiviertelstunde bis zu seinem Ableben über hinreichende Reserven. Stimmlich solide, ohne durch besondere Rollencharakterisiereung aufhorchen zu lassen, Kurwenal (Jukka Rasilainen) und Brangäne (Michelle Breedt), wohingegen Robert Holl als König Marke eindrücklich zwischen Gekränktsein und Traurigkeit zu oszillieren versteht.

    Peter Schneider lässt die Partitur in hoher Temperierung erklingen und vermeidet dabei souverän die im "Tristan" stets lauernden Gefahren der Überhitzung und der Dickflüssigkeit. Nicht zuletzt seinetwegen wurde die Wiederaufnahme nach Iréne Theorins beispielhaft klar gehauchten "Höchste Lust"-Tönen gefeiert.

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