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Ausstellung in München: Wo der ganze Kosmos von Paul Klee zu entdecken ist

Ausstellung in München

Wo der ganze Kosmos von Paul Klee zu entdecken ist

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    Spiel der Formen und Farben: Die Pinakothek der Moderne in München zeigt Paul Klee in einer Sonderausstellung.
    Spiel der Formen und Farben: Die Pinakothek der Moderne in München zeigt Paul Klee in einer Sonderausstellung. Foto: Lino Mirgeler, dpa

    Noch eigenwilliger, als der Künstler – naturgemäß – eh schon zu sein hat, noch rätselhafter, als das Wirken ästhetischer Kräfte eh schon bleibt, ist Paul Klee.

    Sein Bild-Kosmos erschließt sich schwer – und doch gehört er zu den beliebtesten, ja populärsten Malern und Zeichnern des 20. Jahrhunderts. Ausstellungen seiner prinzipiell eher kleinen, lyrischen, stillen Werke werden überrannt; dieser geheimnisvolle Individualist, der Gedichte zaubert und so gar nichts Spektakelhaftes hat, wird angebetet.

    Jetzt aber gibt es beste Gelegenheit, die Gedanken- und Bildwelt Klees zu begreifen. Die Münchner Pinakothek der Moderne zeigt die instruktive Schau „Konstruktion des Geheimnisses“ – ein Zitat des Künstlers – und blickt damit in sein Nähkästchen, lüftet sein Betriebsgeheimnis. Die Pinakothek beantwortet in zehn Sälen mit Schwerpunkt auf Paul Klee als Lehrer des Bauhauses Weimar/Dessau, worin die faszinierenden, unterschwelligen Spannungen dieses Œuvres liegen, das ja wie kein zweites aus sich anziehenden Gegensätzen lebt. So wie bei Klee das Figürliche auf die Abstraktion prallt, so prallen bei ihm auch Skurriles und Banales aufeinander, Regelwerk/Gesetz auf Romantik, Schwerkraft auf Höhenflug, Verstand auf Intuition, Planung auf Genialität. Es braucht nur eine Lesebrille, um all dieses – auch im Detail – zu erkennen.

    Im schwäbischen Gersthofen leistete Klee seinen Kriegsdienst

    Kommt hinzu: Die Ausstellung ist nicht nur ein Heimspiel für München/Oberbayern mit den entsprechenden Verbindungen zur Biografie Paul Klees (Franz von Stuck, Blauer Reiter, Jahre des Durchbruchs 1918–1920) und mit wesentlichen Werken aus den Staatsgemäldesammlungen. Diese Schau ist auch ein Muss für alle, die 2013/14 die Augsburger Klee-Präsentation über seine Kriegsdienstzeit im schwäbischen Gersthofen mit Begeisterung gesehen haben. Denn

    Und noch etwas gibt dringlichen Anlass zum Pinakotheken-Besuch: So, wie sich vor nahezu 100 Jahren das Bauhaus mit den Konflikten zwischen Ästhetik und neuen Techniken auseinandersetzte (Strom, Rundfunk, Film, Design), so haben wir uns heute auseinanderzusetzen mit den Konflikten zwischen Ästhetik und Digitalisierung. Funktionalismus, praktischer Nutzen, Zweck, Produktion und Alltagsgewinn drängen in den Vordergrund – damals wie heute.

    Und genau in diesem Spannungsfeld, ja, mit dieser Kampffront lebte und arbeitete Klee. Aus diesem Schlagabtausch heraus entwickelt er in den 20er Jahren wiederkehrende Bildideen. Er sieht, lernt und nutzt neue konstruktive Techniken – und beharrt doch auf der (romantischen) Darstellung von Mensch und Natur. So wird bei ihm ein hinreißend blühender Baum aus kleinen leuchtenden Farbquadraten mosaikhaft zusammengesetzt. Regelwerk gilt ihm nur als eine Grundlage dafür, dass ein Bild „blüht“. Andere Motive, die sich für Klee aus dem Bauhaus-Spannungsfeld ergeben, sind fiktive architektonische Skizzen, die sich konstruktiv um Menschenköpfe ranken; Pfeil-Zeichen, die (Gedanken-)Flüge illustrieren, Figuren mit Leitern (= Geistesstreben) und Balanceakte zwischen allen möglichen zerrenden Kräften. Klee nutzt die Physik für seine Metaphysik. Das ist es, was der Ausstellungstitel mit „Konstruktion des Geheimnisses“ meint; das ist es, was so begeistert an Paul Klee: der Sieg der Poesie über die Funktion und ihre Form. In seinem magischen Aquarell „Über Bergeshöhe“ (links) verknüpft Klee eine irdische mit einer himmlischen Landschaft; er betätigt sich quasi selbst als Künstler-Schöpfer.

    „Ich bejahe den Kampf der Kräfte gegeneinander...“

    Wie sehr Klee dem Gedanken an das freie Spiel unterschiedlicher Kräfte anhing, zeigt auch ein schriftlicher Kommentar, der in der Münchner Schau ausliegt: Anlässlich einer heftigen Kontroverse zwischen dem Bauhaus-Direktor Walter Gropius und dem Lehrer Johannes Itten über Industrienähe einerseits, individuelles Künstlertum andererseits am Bauhaus, formuliert Klee: „Ich bejahe den Kampf der Kräfte gegeneinander, wenn die Auswirkung in der Leistung sich äußert. Auf Hemmungen zu stoßen, ist eine gute Probe für jede Kraft, wenn die Hemmung sachlicher Art bleibt… Für das Ganze gibt es nichts Falsches und Richtiges, sondern es lebt und entwickelt sich durch das Spiel der Kräfte…“

    1931 aber war Klee der Probleme am Bauhaus überdrüssig (Richtungsstreite, Finanzen, Vorwürfe „undeutschen“ Verhaltens). Als Professor in Düsseldorf entdeckt er eine neue Art des Malens fürs sich, eine neue Art Pointillismus – vertreten in München auch durch den eindrucksvollen, vor zwei Jahren erworbenen „Pastor Kohl“.

    Die große, zentrale Paul-Klee- Ausstellung mit 129 Werken aus drei Kontinenten sowie 16 Werken aus Münchner Bestand läuft bis zum 10. Juni in der Münchner Pinakothek der Moderne. Titel: „Konstruktion des Geheimnisses“. Der Katalog kostet im Museum 39,90 Euro.

    In Kooperation mit der Pinakothek der Moderne zeigt das Franz-Marc-Museum in Kochel am See ebenfalls bis zum 10. Juni „Paul Klee: Landschaften“. Katalog: 22 Euro.

    Die Münchner Galerie Thomas, Türkenstraße 16, widmet sich mit unverkäuflichen Werken bis 12. Mai dem Thema „Paul Klee. Musik und Theater in Leben und Werk“.

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