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Ausstellung: Goldgrube Street-Art: Was von Banksy in München wirklich zu sehen ist

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Goldgrube Street-Art: Was von Banksy in München wirklich zu sehen ist

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    Banksy schätzt Ratten. Hier turnen und pinkeln sie in einer Toilette herum, ein nachgebautes Motiv jetzt in der Münchner Banksy-Schau.
    Banksy schätzt Ratten. Hier turnen und pinkeln sie in einer Toilette herum, ein nachgebautes Motiv jetzt in der Münchner Banksy-Schau. Foto: C Dominik Gruss

    Banksy ist gewiss nicht der erste Künstler, der bewusst anonym bleiben will, und er wird auch nicht der letzte sein. Aber Banksy dürfte in der langen Kunstgeschichte der erste Künstler sein, dessen Werke sofort nach Entstehung und Identifizierung eine internationale Verbreitung über die Medien plus Applaus finden – befördert durch des Künstlers Bekenntnis und Autorisierung auf Instagram. Damit gehen Anonymität und enorme Breitenwirkung ebenso spannungsgeladen Hand in Hand wie Banksys kostenlose Bild-Geschenke an die Öffentlichkeit und deren sofortige und drastische Kapitalisierung. Dass mit Banksy Geld zu machen ist, führt nun auch eine Münchner Ausstellung im Foyer des ehemaligen Konzertsaals im Deutschen Museum vor („Isarforum“). Und dies voller Umstände, die – juristisch unter dem Stichwort „Urheberrecht“ betrachtet – zumindest stark diskutabel sind...

    Manche Werke von Künstler Banksy ist durchaus transportabel

    Denn versammelt sind mit dem Titel „The mystery of Banksy“ massenhaft Reproduktionen des wohl aus Bristol stammenden Street-Art-Malers – was zwar einerseits eine gewisse praktisch-logische Folge der von Banksy bevorzugten Mauerbilder-Produktionsweise ist, was aber andererseits auch einen „Fake“-Charakter für die Schau bedeutet, insbesondere bei jenen (Öl-)Bildern Banksys, die im Original durchaus transportabel wären. Beispiel: das 2018 bei einer Sotheby’s-Auktion geschredderte „Girl with a balloon“ (heute in der Staatsgalerie Stuttgart) oder das ebenfalls versteigerte monumentale Gemälde „Devolved Parliament“, das eine Horde Schimpansen statt verantwortliche Politiker im britischen Unterhaus zeigt.

    Provokant, wahrheitsgemäß und nicht ohne Ironie wirbt „The Mystery of Banksy“ mit dem Zusatz „An unauthorized Exhibition“ – eine nicht autorisierte Ausstellung. Ob die Urheber und Präsentatoren – eine rumänische Firma sowie Cofo Entertainment aus Passau – damit auf Dauer durchkommen, bleibt offen. Vielleicht passiert wenig bis gar nichts – so wie bei anderen verantworteten Künstlerverwertungen (Tina Turner: Simply the Best). Die Schau ist ja auch schon länger unterwegs, und grundsätzlich betrachtet hat ein Anonymus wie Banksy gewiss keine Poleposition bei der Durchsetzung seiner Bildrechte. Das musste er erst letztes Jahr erfahren, als er das Markenrecht für sein Motiv „Flower Thrower“ verlängern wollte. Es scheiterte. Möglich, dass die Motivwelt im besonderen Fall Banksy weitgehend als Allgemeingut bewertet bleibt – auch, weil er selbst zum Urheberrecht (sowie zum Kunstmarkt) eine zumindest ambivalente Einstellung hat. Bis auf Weiteres gilt jedenfalls: Wo kein Kläger, da kein Richter.

    Ein mittlerweile herausgebrochenes Mauermotiv in Nottingham.
    Ein mittlerweile herausgebrochenes Mauermotiv in Nottingham. Foto: Banksy/dpa

    Und so reiht sich nun an der Münchner Ludwigsbrücke über die Isar viel Bildmaterial mit der Banksy eigenen (sozial-)politischen Sprengkraft. Wiedererkennbar sicherlich – aber ohne Authentizität im Wesentlichen. Dessen sollten sich potenzielle Interessenten bewusst sein, auch im Zusammenhang mit dem Erwachsenen-Eintrittspreis von 17 Euro (wochentags) beziehungsweise 18 Euro (Wochenende) – das Doppelte eines Pinakotheken-Besuchs.

    Hinzu kommt: Die knappen Erläuterungen neben den rund 100 Reproduktionen stellen sich häufig als regelrecht unbedarft heraus: Zu einem sarkastischen Motiv über den Israel-Palästina-Konflikt mit Kampfhubschraubern in Waldesdickicht heißt es: „Banksy erhebt seine Stimme, um die Gesellschaft mit ihrer glamourösen und romantischen Vision des Krieges in Frage zu stellen.“ Und zu dem verletzten weinenden Kind auf Trümmern, das Sanitäter nicht versorgen sollen, weil erst ein Fernsehteam seine emotional bewegenden Aufnahmen machen will, heißt es: „Banksy stellt hier auf sehr provokante Weise die zerstörerische Kraft von Kriegen dar.“ So bewegen sich die Kommentare zwischen Fragwürdigkeit, Themaverfehlung – und Nullstelle. Etwa, wenn beschrieben wird, was jeder auf den ersten Blick erkennt: „Die dominierenden Farben des Motivs sind weiß, schwarz, rot.“

    Der anonyme Künstler Banksy kennt sich aus in der Kunstgeschichte

    So weit, so irreführend bis schwach. Dass unabhängig davon auch in der Reproduktion die Doppelmoral und Bigotterie kommentierenden Szenen Banksys funktionieren, ist dem Streetartist selbst zu verdanken – insbesondere bei seinen Bilderfindungen auch für das kunsthistorisch geschulte Auge: Madonna im Fadenkreuz, Michelangelos David mit Sprengstoffgürtel, Jesus am Kreuz mit Marken-Einkaufstüten. So plakativ wie wirkungsvoll.

    Belassen wir es dabei und blicken noch kurz auf jüngste Ereignisse in England: Vier Monate lang erfreuten sich Bürger Nottinghams an einem echten Banksy – dann kamen die Bauarbeiter. Mit schwerem Gerät schnitten sie das Bild eines kleinen Mädchens samt seinem zum Hula-Hoop-Ring umfunktionierten Fahrradreifen aus dem Mauerwerk, packten es in einen Van und ließen ein notdürftig abgedecktes Loch in der Wand zurück. „Das ist Kapitalismus pur“, empörte sich eine Anwohnerin. Der Galerist John Brandler hatte das erst im Oktober aufgetauchte Bild für eine sechsstellige Summe gekauft.

    Der Abtransport ist kein Einzelfall auf der Insel. Die Käufer verteidigen sich oft damit, die Werke nur schützen und erhalten zu wollen. „Wenn ich es nicht gekauft und entfernen hätte lassen, wäre in zwei Jahren gar kein Banksy mehr da gewesen“, argumentierte der Galerist Brandler in der BBC. Doch Marktkenner wissen natürlich: Das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Spekuliert wird auch auf Preissteigerung. Der Londoner Anthropologe und Kurator Rafael Schacter meint: Wenn Banksy auf einem privaten Grundstück ein Werk produziert, „wird das zu einem Gewinn im Lotto“. Und so versucht denn so mancher, aus der Graffiti Banksys Geld zu schlagen... (mit dpa)

    Ausstellung: Isarforum im Deutschen Museum München, bis zum 2. Mai täglich außer montags.

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