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Ausstellung: Die ehemalige Synagoge wird zum Kunstraum

Ausstellung

Die ehemalige Synagoge wird zum Kunstraum

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    Installation in der ehemaligen Synagoge von Kriegshaber
    Installation in der ehemaligen Synagoge von Kriegshaber Foto: Tom Gottschalk

    Geht das? Kann man eine Synagoge, auch wenn sie nicht mehr zum Gottesdienst genutzt wird, zum Kunstraum machen, zumal dann, wenn mit der Geschichte dieses jüdischen Betsaals und seiner Gemeinde so viel Gewalt und Terror, wenn damit der Holocaust in Verbindung steht? Diese Bedenken mögen die Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums, Benigna Schönhagen, beschäftigt haben, als sie den Entschluss fasste, die ehemalige Synagoge in Kriegshaber von Zeit zu Zeit für ein künstlerisches Werk zu öffnen. Und auch als Besucherin war man nicht frei von der Sorge, die Kunst könne vor allem der Wucht der Geschichte nicht standhalten, die diesen Räumen an der Ulmerstraße nun einmal eingeschrieben ist.

    Doch – um das gleich vorweg zu sagen – es geht. Kunst in ein jüdisches Gotteshaus zu bringen, das geht dann, wenn man wie die Dachauerin Esther Glück sich auf die Aura dieser Räume einlässt, wenn man darin Spuren von Religion und Geschichte sucht, diese sichtbar macht und auf sensible Weise auf sie antwortet. Eine künstlerische Intervention nennt Esther Glück das. Ihrer Herkunft aus dem Schreckensort Dachau ist es geschuldet, dass sie sich seit Jahren mit der Erinnerung an die NS-Zeit und deren Opfer beschäftigt. Sie hat Arbeiten für das KZ-Außenlager Kaufering, für das Reichsparteitagsgelände Nürnberg, für Dachau geschaffen; im Textilmuseum weist sie mit Hemd-artigen Objekten auf die Ermordung der jüdischen Augsburger Textilfabrikaten Kahn und Arnold hin. Esther Glücks Arbeit ist nicht dokumentarisch, sondern intuitiv-bildhaft, verrätselt, verstörend, anregend.

    In der ehemaligen Synagoge Kriegshaber verteilt sie im ganzen Gebäude die verschiedensten Bildelemente, die fast alle scheinbar gar nichts mit dem Judentum und seiner Auslöschung durch die Nationalsozialisten zu tun haben. Schon vor dem Haus, am Eingang, ruht ein übergroßer Apfel in einem Nest aus Holz und Draht. Drinnen im Haus entdecken die Besucher Äpfel, Pflanzen, Bienen, Laub und ein paar Gärtner-Gummistiefel. Sind wir jetzt in einem Garten gelandet? Ja, suggeriert uns Esther Glück, aber es soll ein Garten der Erinnerung sein, und sie lädt uns ein, uns ungeschützt, gewissermaßen nackt oder zumindest barfuß darauf einzulassen. Die Gummistiefel, ohnehin aus Leim und Seidenpapier, sind nämlich ohne Sohlen, wir sollen mit bloßen Füßen auf dem Boden (der historischen Tatsachen) stehen.

    Esther Glück
    Esther Glück Foto: Esther Glück

    Die Künstlerin führt also die Natur in einen Ort voller Geschichte ein. Ein Ablenkungsmanöver? Eine Verniedlichung, eine Verleugnung des Schrecklichen? Man fühlt sich wie in Jenny Erpenbecks Roman „Heimsuchung“, wo der Gärtner, weil er sich um die Natur kümmert, als einziger unbeschadet in einem Haus lebt, in dem die Gewalt-Geschichte des 20. Jahrhunderts wütet. Aber so leicht lässt uns Esther Glück nicht davon kommen.. An einer Tür klebt die Reproduktion des Abschiedsbriefs, den die Kriegshaber Bürger Moriz und Lydia Einstein an ihre Tochter Liese geschrieben haben. Abgezählt wenige Worte auf einem Rot-Kreuz-Formular, einen Tag, bevor sie ins Vernichtungslager deportiert wurden. Liese hatten sie mit ihrem Bruder Siegbert nach England geschickt; nach Siegberts frühem Tod blieb sie als einzige ihrer Familie am weiß Gott schweren Leben. Ein von der Raumdecke hängendes Kinderkleid aus Papier sagt uns, dass dieses Mädchen hier im Mittelpunkt steht.

    Man steht erschüttert vor dem Abschiedsbrief, – dem einzigen Dokument der Rauminstallation. Hinter der halb offenen Tür liegen welke Blätter und man empfindet, wie fragil ein Menschenleben ist, wie leicht es von Gewalt zerstört, vom Wind verweht werden kann wie diese Blätter. Und jetzt liest man auch die Naturelemente anders, die Esther Glück hier angeordnet hat – den Teppich aus Efeu vom Jüdischen Friedhof, das winzige Vogelskelett, den verwundeten und verbundenen Baum, die Granatäpfel aus Seidenpapier und Gips sowie als echte Pflänzchen, die Bienen als Projektion im ehemaligen Thora-Schrein. Es sind Zeichen der Trauer, der man als Besucher in diesen Räumen nun gar nicht mehr ausweichen kann. Aber es sind zugleich Zeichen von Hoffnung, denn Geschichte findet ihre Antwort in der Gegenwart, und beides muss durch Erinnerung verbunden werden.

    Darauf weisen nicht nur die Bienen, diese emsigen Lebensspender, im Thoraschrein hin, sondern auch die vom Gewölbe der Synagoge wehenden Papierblätter. Es sind Arbeitsunterlagen der Mitarbeiter des Jüdischen Kulturmuseums, des Teams, das sich heute um Erinnerung an das Judentum in Augsburg und Kriegshaber bemüht. Vielleicht sind unter diesen Blättern Briefe, mit denen die Nachfahren der in Tod oder Flucht getriebenen jüdischen Augsburger zum 100jährigen Jubiläum der Hauptsynagoge eingeladen wurden? Liese Einsteins Tochter ist mit ihren Kindern dieser Einladung gefolgt; vergangene Woche war sie in Augsburg, und sie sah auch, wie Esther Glück aus der kleinen Kriegshaber-Synagoge einen Garten der Erinnerung gemacht hatte.

    Laufzeit bis 17. September, geöffnet Do bis So 14 - 18 Uhr, So 13 - 17 Uhr.

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