Im Moment muss man als Allgäuer vor Stolz ja fast platzen, wenn da jetzt der aufrechte Gang erfunden worden ist.
Volker Klüpfel: Wir wussten das schon lang.
Michael Kobr: Man fühlt es, wenn man dort ist, dass das Allgäu die Wiege der Menschheit ist. Jetzt haben wir tatsächlich den wissenschaftlichen Beweis.
Warum dann aber eigentlich Udo? Welchen Namen hätten Sie sich denn für den Urmenschenaffen gewünscht?
Klüpfel: Also wir hätten den nicht so genannt. Das ist mal sicher.
Kobr: Wobei Guggenmosi finde ich gut, das ist ein klassischer, schöner Allgäuer Name... Aber Udo. Klüpfel: Die Wissenschaftler denken halt nicht in Marketingkategorien.
Wird denn Udo in einem Ihrer nächsten Bücher vorkommen?
Klüpfel: Auf jeden Fall. Das ist Gold. Leider haben wir das nächste, einen Kluftinger, aber schon geplant.
Eben aber ist Ihr neues Buch auf den Markt gekommen: „Draußen“. Kein Krimi, sondern ein Thriller, der in Brandenburg und Berlin spielt. Warum der Genrewechsel?
Klüpfel: Wir wollten mal etwas machen ohne Humor. Reine Spannungslektüre, auch mit den Gesetzen, die dieses Genre hat. Und wir wollten auch keine Ermittlerfigur.
Was ist die Motivation? Humor ist ja eine Ihrer klaren Stärken. Sagt man sich irgendwann, ich habe sechs Millionen Bücher verkauft, ich mache jetzt, was ich will und zeige, dass ich auch etwas ganz anderes kann?
Klüpfel: Ein bisschen schon – ohne dass man sich sagt, ich habe jetzt sechs Millionen Bücher verkauft. Aber es gibt einem natürlich die Freiheit. Wir haben damals einen Vertrag abgeschlossen bei Ullstein, das waren drei Bücher und es war klar, eines davon wird kein Kluftinger sein. Was das ist, blieb aber völlig uns überlassen. Natürlich wollten wir uns ausprobieren. Humor liegt uns zwar, aber es ist auch schwer. Wenn wir einen Kluftinger schreiben, brauchen wir nicht nur eine Krimihandlung, die funktioniert, wir brauchen zusätzlich noch den Humor dazu. Eigentlich fand ich es fast befreiend, einmal nicht auf eine Pointe hinarbeiten zu müssen.
Kobr: Also nicht nur fast. Die Grundmotivation war nicht so sehr das Ausprobieren, sondern ein bisschen Urlaub zu machen von dem, was wir jetzt seit Jahren machen. Das war eine tolle Abwechslung.
Hat das denn Ihre Zusammenarbeit verändert? Bei Kluftinger muss man sich das Schreiben ja fast wie im Autopiloten vorstellen.
Klüpfel: Schön wär’s, wenn es so etwas wie einen Autopiloten gäbe. Gerade die Entwicklung von einem Buch ist immer auch schmerzhaft. Man hat vielleicht so ein Bild im Kopf, und versucht dem nahezukommen, muss einen Weg durch die Handlung finden, der funktioniert. Die Arbeitsweise haben wir komplett übernommen. Aber wir mussten uns auf einen Ton einigen, dass haben wir bei Kluftinger nie gemacht. Der hat sich einfach entwickelt. Diesmal haben wir uns wirklich hingesetzt und gesagt, wie soll dieser Thriller klingen? Der muss einen anderen Ton haben.
Beim Thriller-Genre kann man sich ja auch als Autor manchmal ein bisschen fürchten. Sie, Herr Kobr, habe ich gelesen, hatten als Kind Angst vor Märchen. Sogar das Kinderlied „Guten Abend, Gute Nacht“ hat Ihnen Schauder über den Rücken laufen lassen.
Kobr: Das ist aber auch schlimm, oder? „Morgen früh, wenn Gott will“… falls also …
Klüpfel: Ich war mir immer sicher, bei mir will er... Kobr: Aber es gibt ja Möglichkeiten, diese Ängste zu überwinden.
In Ihrem Thriller fällt in weiten Teilen Deutschlands der Strom für mehrere Tage aus. Haben Sie bei der Recherche es selbst mit der Angst vor so einem Katastrophenfall zu tun bekommen?
Klüpfel: Komischerweise nicht. Auch wenn wir jetzt wissen, wie fragil dieses Gleichgewicht ist, auf dem unsere Stromversorgung basiert. Aber es macht einen nachdenklich.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK empfiehlt den Bürgern, einen Nahrungsmittelvorrat für 10 Tage anzulegen sowie Not-Heizgeräte zur Verfügung zu halten. Wie sieht das bei Ihnen zu Hause aus?
Kobr: Haben wir zuvor nicht gehabt und haben wir noch immer nicht. Aber für die Recherche haben wir so einen Survival-Kurs absolviert, also, wir waren da einen Nachmittag …
Klüpfel: Es war schon dunkel, als wir gegangen sind!
Kobr: Wir hätten eigentlich übernachten sollen, ich wollte mir das Gute-Nacht-Lied des Survival-Trainers sparen, darum sind wir vorher gegangen. Aber wir können jetzt im Wald überleben.
Klüpfel: Drei, vier Stunden locker. Was wir jetzt wirklich können, ist Feuer machen ohne Feuerzeug.
Das ganze Gespräch mit den beiden Kult-Autoren können Sie sich hier anhören:
Wenn man jetzt schon von Ängsten spricht: Wie ist das so am ersten Tag, an dem so ein neues Buch in einem neuen Genre erscheint. Schaut man da ängstlicher auf die Verkaufszahlen?
Kobr: Ja, viel ängstlicher. Und auch vor unserer ersten Lesung aus diesem Buch war ich furchtbar nervös.
Klüpfel: Vor der Lesung, das war wirklich die Hölle. Wir mussten ja ein neues Konzept entwickeln, wie bringt man einen Thriller auf der Bühne so rüber, dass es ein unterhaltsamer Abend wird.
Das übernächste Buch könnte wieder ein Thriller sein?
Klüpfel: Ich denke schon, dass wir wieder einen schreiben werden. Für uns hat das jetzt erst mal funktioniert. Es hat auch Spaß gemacht, ehrlich gesagt, dem Affen mal ein bisschen Zucker zu geben und nicht auszublenden, wo wir bei Kluftinger immer ausblenden würden, sondern mal draufzubleiben und zu schauen, wie geht denn so ein Kampf aus.
Wo ist da bei Ihnen die Grenze?
Klüpfel: Wir würden nie etwas schreiben, bei dem Kinder zu Schaden kommen, weil wir beide Eltern sind. Das geht nicht, ich kann so etwas auch nicht lesen. Was aber bei uns die Grenze ist, wenn da ein Kampf auf Leben und Tod stattfindet, dann beschreiben wir den auch, aber es geht nicht darum, das auf die brutalstmögliche Art zu machen.
Kobr: So viele Tötungsarten, wie es in diesem Genre gibt, so viele Folter und Quälarten gibt es auch, und da waren wir uns – ohne uns darüber abzustimmen – einig, dass das nicht unbedingt sein muss.
Wie erklären Sie sich eigentlich, dass Verbrechen sich so gut verkauft?
Kobr: Ich glaube, dass Krimi deswegen funktioniert, weil so eine Tat die gesellschaftliche Normalität durcheinanderbringt und infrage stellt, die Welt danach aber wieder in Ordnung ist.
Finden Sie denn selbst das Böse oder das Verbrechen faszinierend?
Klüpfel: Absolut. Ich glaube, das gilt für die meisten Menschen. Die dunkle Faszination dessen, was man natürlich nie erleben will, und sicher auch nicht selber ausleben will, aber was eben in uns steckt. Dem kann man halt so nahe wie möglich kommen in so einem Buch, ohne dass man selber Schaden nimmt oder andere Schaden nehmen müssen.
Sie haben ja mittlerweile etabliert, dass es auch im beschaulichen Allgäu Mordsgedanken und Mordslust gibt. Ist es nicht überfällig, dass es jetzt auch mal einen Tatort im Allgäu gibt?
Klüpfel: Das war schon einmal im Gespräch, wir haben uns eher dagegen gewehrt. Es hätte für uns auch einen gewissen Produktionsdruck bedeutet. Wenn wir Drehbücher geschrieben hätten, hätten wir uns immer gefragt, warum machen wir nicht erst ein Buch, weil das ja unser Kernmedium ist. Das wäre für uns nicht wirklich praktikabel gewesen.
Zumal Sie mit den Verfilmungen ja ohnehin nicht ganz glücklich sind.
Klüpfel: Nein, mit denen die bisher liefen, nicht. Kobr: Die Filme haben ein problematisches Bild dieser Landschaft gezeigt. Und ein problematisches Bild der Provinz. Da hat man keinem mehr zugetraut, dass er drei gerade Sätze rausbringt. Bei noch mehr Produktionsdruck und einer Reihe wie dem Tatort, die noch mehr aufs Klischee geht, da hätte ich schon Angst bekommen und das wäre nicht die Art und Weise gewesen, wie wir diese Region auch sehen.
Aber es ist schon so, dass Ihnen der Allgäuer Tourismusverband jedes Jahr einen großen Geschenkkorb schickt?
Kobr: Das wäre mal eine Idee.
Klüpfel: Es ist wirklich so, es gibt einen Tourismus durch uns, das wissen wir. Das war aber nicht unsere Absicht. Es gibt Regionalkrimis, die sich an Sehenswürdigkeiten abarbeiten. Aber das war nie unsere Herangehensweise. Wir wollten, dass eine Lebenswirklichkeit, die wir im Allgäu fühlen, sichtbar wird. Kobr: Aber es ist toll, wie die Leute für die Figur brennen, und fast mehr noch über die wachen als wir selber... Und dass sie an die Schauplätze fahren. Ich war gerade in London, stand natürlich vor dem Haus von Sherlock Holmes in der Baker Street. Schon der Hammer, dass sie das beim Kluftinger auch machen.
Sie haben mal Kluftinger als eine Mischung aus Batman, James Bond und Heinz Schenk beschrieben... Erklärt das die Faszination?
Klüpfel: Ja, da kann jeder andocken.
Kobr: Die stecken doch in uns allen.
Könnten Sie Kluftinger überhaupt noch sterben lassen?
Klüpfel: Es gab mal den ernst zunehmenden Plan, und wir haben das ja auch immer so angedeutet: Vielleicht ist mal Schluss. Aber die Reaktionen haben uns gezeigt: Die Leser würden uns das so übel nehmen, die würden kein Buch mehr kaufen, egal, was wir schreiben, also lassen wir es lieber. Und wir haben Kluftinger so viel zu verdanken, es wäre auch schade. Also ich schätze, der wird uns überleben.
In manchen Jahren sind Sie ja 200 Mal aufgetreten. Haben Sie ihre Lesetouren eigentlich bewusst abgespeckt?
Kobr: Das war so auch nicht mehr machbar, mit den Familien, und wir möchten auch nicht mehr zwei Drittel des Jahres unterwegs sein. Wo wir aber auch abgespeckt haben, ist bei dem, was wir auf der Bühne machen. Wir haben ja mal einen Ausflug ins Comedy-Fach probiert, daran festgestellt, dass das wirklich nicht unseres ist, und sind zu unserer bewährten Form zurückgekehrt.
Würden Sie sagen, das war der größte Fehler, dass Sie sich da plötzlich im falschen Fach wiedergefunden haben?
Klüpfel: Ja, auf jeden Fall. Das hat uns auch ganz viel Publikum gekostet, im Nachhinein verstehe ich es auch. Ich kann mir die Videoaufnahmen auch nur noch unter Schmerzen anschauen, aber mein Gott, man probiert halt auch mal was aus und dann lernt man draus.
Der Heimatbegriff hatte zumindest letztes Jahr ja auch politisch ziemlich Konjunktur. Was verbinden Sie damit?
Klüpfel: Ich hänge schon an meiner Heimat, aber das ist etwas, was nach innen gerichtet ist, und nicht gegen etwas nach außen. Das ist ja der Unterschied, den man machen muss, sonst kommt man in eine schwierige Geschichte rein.
Und Sie fanden, dass das in der Politik manchmal anders gehandhabt worden ist?
Klüpfel: Damit leben wir ja jetzt seit Jahren, dass eben dieser Heimatbegriff als Abgrenzung nach außen verstanden wird. Das müsste ja nicht sein, man kann trotzdem an einer Heimat hängen und heimatverbunden sein, ohne dass man deswegen etwas anderes ablehnt.
Kobr: Ich glaube grad, wenn man im besten Sinne erdverwachsen ist, kann man sozusagen andere Leute dorthin einladen: weil einem die Heimat so eine Feste ist. Und dann kann man auch sagen, das beschädigt uns nicht, wenn andere Leute zu uns kommen und neue Facetten ins Leben bringen.
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