Ihr Leben ähnelte in den vergangenen drei Jahren dem einer Katze, die ins Schleuderprogramm gerät. Doch Miley Cyrus, 28, hat die Dramen nicht nur überstanden, sondern auf ihrem neuen Album „Pastic Hearts“ sehr geschickt verarbeitet.
„Ich hatte geglaubt, ich hätte alles im Griff“, schrieb Miley Cyrus vor wenigen Wochen auf Instagram, als sie ihr neues, siebtes Album „Plastic Hearts“ ankündigte, „nicht nur meine Musik und meinen Sound. Sondern mein ganzes verdammtes Leben.“ Dann jedoch, so Miley, habe sich „ALLES“ (sie schreibt das in Großbuchstaben) verändert. Es sei ihr gar nichts anderes übriggeblieben, als ihre bekannte Welt auf den Kopf zu stellen, einmal kräftig zu schütteln und zu gucken, was passiert. Sie habe eine Art Inventur ihres Lebens gemacht, sagt sie im Podcast des US-Moderators Zane Lowe. „Die letzten drei Jahre waren ein Cocktail aus Chaos, serviert vom schlechtesten Barkeeper aller Zeiten.“
Miley Cyrus mit neuem Album nach einem Jahr der Krisen
Kurz zusammengefasst für alle, die sich nicht täglich mit dem Leben des Ex-Kinderstars („Hannah Montana“) befassen, der sich spätestens 2013 mit dem legendären „Wrecking Ball“ (im Video schwingt Cyrus nackt auf einer Abrissbirne) emanzipierte und auch sexualisierte - man denke an den von ihr berühmtgemachten Popowackeltanz „Twerking“): Im Sommer 2017 brachte Miley das lauwarm klingende und wenig erfolgreiche Quasi-Country-Album „Younger Now“ heraus, von dem sie sich schnell selbst distanzierte, im November 2018 brannte ihr die Bude in Malibu ab, einen Monat später heiratete sie ihren langjährigen On/Off-Verlobten, Schauspieler Liam Hemsworth, im August 2019 trennte sich das Paar. Auch musste sich Miley einer Stimmband-OP unterziehen und den Tod der geliebten Großmutter verkraften. Ach, und die Pandemie hatten wir ja auch noch. „Das Leben lacht dich aus, wenn du Pläne machst.“ Zum Glück, so bekennt die oft zu Unrecht als durchgeknallt und unkontrolliert beschriebene Künstlerin, sei sie ein anpassungsfähiger, resilienter und disziplinierter Mensch. „Ich würde ja gerne sagen können, dass ich ein totaler Freigeist bin“, so Miley. „Aber ich bin eine Freundin von Regeln und Strukturen.“
Das alte Leben liegt in Trümmern? Also baut sie sich ein neues. Beruflich heißt das: Statt der geplanten drei EPs, deren Inhalt und musikalische Electro-Ausrichtung Miley nun nicht mehr als relevant empfand und von denen nur die erste, „She Is Coming“, auch erschien, kommt nun das - recht kurzfristig angekündigte – Album „Plastic Hearts“. Und, was soll man sagen, es ist ein Fest. Lange hat keine Popmusikerin und kein Popmusiker mehr so versiert die Bedürfnisse befriedigt wie Miley Cyrus mit ihren Produzenten und Co-Autoren, darunter OneRepublic-Mann Ryan Tedder, Andrew Watt, Louis Bell und natürlich Mark Ronson. „Plastic Hearts“ als vielschichtig zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. Zum Vergleich: Der Langweiligkeit von Katy Perrys „Smile“ oder der latenten House-Eintönigkeit von Lady Gagas „Chromatica“ setzt Cyrus ein Feuerwerk der Fulminanz entgegen.
Trotz aller Perfektion schlägt in "Plastic Hearts" Mileys Herz
Doch trotz aller Perfektion und Hochglanztrimmung schlägt auf diesem Album auch ein Herz: Mileys Herz. Sie schüttet ihre Gefühlswelt aus, redet über die Scheidung (in „WTF Do I Know“), die zwischenzeitlichen Liebeleien, ihre Neigung zu Extremen, und das alles mit der raspelnd rauen Stimme, die speziell in den ruhigen Stücken keinen kalt lässt. „Angels Like You“ lässt den Stadion-Pathos von Aerosmith während der „Crazy“-Ära aufflackern, beim von Ronson dezent produzierten und sehr melancholischen „High“ möchte man Miley mal kurz drücken, und das großartig melodische „Never Be Me“ fasst diese 28 Jahre alte Fast-schon-Pop-Veteranin in zwei Zeilen zusammen: „But if you're looking for stable, that'll be never be me/ If you're looking for faithful, that'll never be me“. („Wenn du nach jemandem suchst, der dir Stabilität gibt und Treue verspricht, dann findest du das nicht bei mir“).
Ja, aber gibt es auch Hits? Durchaus. Da ist die ultra-eingängige und angenehm dramatische Single „Midnight Sky“, die seit Wochen an der Spitze der deutschen Radiocharts steht. Da ist „Prisoner“, ein Duett mit Dua Lipa, das an so einiges erinnert, vor allem aber an den fast vierzig Jahre alten Hit „Physical“ von Olivia Newton-John. Das Video zum Song ist eine blutverkrustete, schlammverschmierte, schamlose und ziemlich hitzig-erotische Roadtrip-Hommage an den Kultfilm „Thelma & Louise“. Da ist „Night Crawling“, auf dem der von Miley hochverehrte Billy Idol sein Grölen und Stöhnen aus der „White Wedding“-Ära wieder hervorholen darf, als seien die Achtziger Jahre nie zu Ende gegangen. Überhaupt: Stevie Nicks hat einen Gastauftritt, Joan Jett („I Love Rock’n’Roll“) auf dem etwas schwachen „Bad Karma“ ebenfalls. Auch enthält „Plastic Hearts“ Mileys Coverversion von Blondies „Heart Of Glass“, und Mick Rock, der einst bereits mit Joan Jett oder Debbie Harry gearbeitet hat, verantwortet das gesamte Album-Artwork. Manchmal klingt das Schlagzeug wie von Phil Collins gespielt (ist es aber nicht), und man meint, Einflüsse von Abba über Hall & Oates (im Titelsong) bis Prince herauszuhören. „Plastic Hearts“ ist nicht das Rockalbum, das einige vermutet hatten, seit Miley öffentlich Metallica coverte. Es ist vielmehr ein topmodernes Mainstreampop-Album, das sich ganz stylish ein paar Klamotten aus den Achtzigern angezogen hat.
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