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90. Geburtstag: John Williams ist der Superman der Filmmusik

90. Geburtstag

John Williams ist der Superman der Filmmusik

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    „Star Wars“, „Indiana Jones“, „Harry Potter“ und mehr: Der im vergangenen Oktober bereits im 90. Lebensjahr stehende John Williams am Pult der Berliner Philharmoniker.
    „Star Wars“, „Indiana Jones“, „Harry Potter“ und mehr: Der im vergangenen Oktober bereits im 90. Lebensjahr stehende John Williams am Pult der Berliner Philharmoniker. Foto: Stephan Rabold, DG

    Filmmusik, die sich zu ihrer Herstellung eines sinfonischen Orchesterapparats bedient, erobert sich zunehmend ihren Platz im klassischen Konzertprogramm. Kaum ein Sinfonieorchester, das nicht hie und da mehr als dankbar von der Möglichkeit Gebrauch machte, sich mithilfe der Melodien aus Kino-Welterfolgen überwiegend Hollywood’scher Prägung ein breites, tendenziell jüngeres, ein Massenpublikum ins Haus zu holen.

    Es ist noch nicht lange her, da rümpften die auf Beethoven, Brahms und Bruckner geeichten Programmmacher vor solchem Populärstoff die Nase. Einer Ästhetik folgend, die die „Absolutheit“ der Tonkunst über alles stellte, galt Filmmusik als seicht, berechnend, unterkomplex, weit zurückgeblieben hinter dem Stand der musikalischen Materialentwicklung. Klänge, die das Publikum mit Streicherwatte einlullten und mit Blechbläserjubel aufkratzten, galten als nicht satisfaktionsfähig, um bei renommierten Sinfonieorchestern, die sich in ihrer Klassik-Kanon-Pflege als Lordsiegelbewahrer der einzig wahren Musik wähnten, auf die Pulte zu gelangen. Das überließ man lange Zeit den wenigen spezialisierten, vermeintlich weniger erlauchten Ensembles.

    Der Filmregisseur und sein bevorzugter Komponist: Steven Spielberg (rechts) und John Williams.
    Der Filmregisseur und sein bevorzugter Komponist: Steven Spielberg (rechts) und John Williams. Foto: Nina Prommer, dpa

    Auch Starsolisten haben ein Faible für John Williams

    Mittlerweile ist das anders geworden. Mit den Generationswechseln bei Musikerinnen und Musikern, Dirigenten und Programmgestaltern sind neue Präferenzen eingezogen; die alten, oft willkürlich gezogenen Grenzen zwischen E(rnster) und U(nterhaltender) Musik haben sich verflüssigt. Wenn Weltklasse-Solistinnen und -Solisten wie die Geigerin Anne-Sophie Mutter und ihr Kollege Itzhak Perlman oder der Cellist Yo-Yo Ma bekunden, dass sie die Kompositionen eines John Williams, Schöpfer der Filmmusik von Epen wie „Star Wars“ oder „Harry Potter“, für großartige zeitgenössische Musik halten, dann ist der Moment gekommen, dass auch altehrwürdige Elite-Klangkörper wie die Wiener Philharmoniker an den Autor dieser Partituren die Einladung richten, mit ihm als Dirigent der eigenen scores doch einmal gemeinsam vors Publikum zu treten. „John Williams in Vienna“, live mitgeschnitten in Wien, war denn auch das erfolgreichste Klassik-Album des Jahres 2021 in Deutschland.

    John Williams ist nicht der einzige Filmkomponist, der seine Partituren für die Besetzung eines Sinfonieorchesters schreibt. Doch er ist einer der fleißigsten, hat er doch für mehr als 100 Filme das Klanggewand geschneidert. Vor allem aber ist er der erfolgreichste, wenn man das Maß anlegt, das in der Filmbranche als Goldwährung gilt, die Zahl der erhaltenen Oscars. Fünfmal hat der US-Amerikaner die Auszeichnung erhalten, für „Anatevka“, „Der weiße Hai“, „Krieg der Sterne“, „E.T.“ und „Schindlers Liste“. Als wäre das nicht schon eindrücklich genug, wurde Williams bisher sagenhafte 52 Mal für die Kategorie „Beste Filmmusik“ nominiert – unter den lebenden Oscar-Anwärtern aller Klassen ist das Rekord. Und Williams ist zuzutrauen, dass er diese Liste noch nach oben ausbaut, ungeachtet der Tatsache, dass er am 8. Februar seinen 90. Geburtstag begeht.

    Pünktlich zum Jubiläum ist ein neues Album erschienen, welches das Erfolgsschema des „Vienna“-Mitschnitts in leicht abgewandelter Kombination wiederholt: „The Berlin Concert“, John Williams als Dirigent seiner Filmhits am Pult der Berliner Philharmoniker, wiederum ein live festgehaltenes Konzert, diesmal vom Oktober 2021 aus der Philharmonie in Berlin. Der Ort, das Orchester – höhere Weihen sind in der Klassikwelt nicht zu erlangen, das weiß auch John Williams: Es sei „ein Privileg“, sprach er ins Auditorium, von diesen Musikern gespielt zu werden.

    Unüberhörbar profitiert Williams’ Musik, wenn sich ein Weltklasseorchester ihrer annimmt. Man braucht nur den „Superman March“ auf dem Album anzuhören, ein typisches Stück aus der Williams-Werkstatt mit seinem strahlenden Trompeten über zackigem Marschrhythmus: Wo andere Ensembles sich triumphalistisch verausgaben zu müssen meinen und dabei in den Pathoskitsch geraten, artikulieren die Berliner einfach nur präzise und vermitteln das Heldisch-Siegreiche, das die Musik mitteilen will, statt offen dröhnend lieber unterschwellig-kraftvoll, was den intendierten Eindruck letztlich nur verstärkt.

    Festgesetzt in den Gehörgängen

    Von solcher Orchester-Exzellenz profitieren natürlich sämtliche Williams-Titel, und nicht nur die inzwischen selbst zu Genre-Klassikern gewordenen Stücke wie „Imperial March“ („Star Wars“), „Raiders March“ („Indiana Jones“) oder „Hedwigs Theme“ („Harry Potter“), von denen nicht zu viel behauptet ist, wenn man sagt, dass der weltumspannende Erfolg der ihnen zugrunde liegenden Filme nicht zum wenigsten auf Williams’ Fähigkeit basiert, sich in den Gehörgängen des globalen Publikums festzusetzen. Williams wäre freilich nicht eine solche Kultfigur, würde er sich nicht auch auf andere musikalische Sphären verstehen als auf breitestwirksame Fanfaren- und Mystik-Klänge. Die Musik zu „Close Encounters of the Third Kind“ von Steven Spielberg (für den Williams nicht weniger als 29 Partituren geschrieben hat) zeichnet zu Beginn den bedrohlichen Aspekt der „Unheimlichen Begegnung“: Weißliche, zunächst nicht einzuordnende Klänge in höchster Streicherlage, dann ein Gegrummel der Bässe, das den festen Boden brüchig erscheinen lässt – von den Berliner Philharmonikern nicht als irgendwie Wirkung erzeugendes Gereibe und Gewische intoniert, sondern ungemein exakt in den Klang getrieben.

    Zur Überwältigung des enthusiastisch applaudierenden Publikums, aber auch zur Freude des dirigierenden Komponisten. Der lässt es sich nicht nehmen, seine Stücke selbst dem Publikum vorzustellen, und man staunt nicht nur darüber, dass der zum Zeitpunkt des Mitschnitts bereits stramm auf die 90 zusteuernde Meister sich solch ein Live-Dirigat zumutet, sondern auch, wie locker dieser Mann im biblischen Alter mit seiner Hörerschaft kommuniziert. Ganz nebenbei kündigt er zu Beginn einer kleinen Suite mit Stücken aus der „Indiana Jones“-Filmreihe an, dass er sich gerade daranmache, für den in Produktion gehenden fünften Teil der Erfolgsreihe – der Publikumsjubel quittiert das lautstark – selbstverständlich auch die Filmmusik zu schreiben.

    Nachrückende Komponistengenerationen, so sie auf Nominierungen oder gar Oscars spekulieren, können sich schon mal warm anziehen.

    John Williams, Berliner Philharmoniker: The Berlin Concert. Deutsche Grammophon/Universal (2 CD).

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