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Buchkritik: In "Die Insel der Tausend Leuchttürme" kreiert Walter Moers seine nächste Irrsinns-Spielweise

Buchkritik

In "Die Insel der Tausend Leuchttürme" kreiert Walter Moers seine nächste Irrsinns-Spielweise

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    Das Augsburger-Puppenkisten-Interview bei „Druckfrisch“: Walter Moers (links) und Denis Scheck.
    Das Augsburger-Puppenkisten-Interview bei „Druckfrisch“: Walter Moers (links) und Denis Scheck. Foto: dpa

    Neulich stand in einer Zeitung ein länglicher Artikel darüber, warum denn heutzutage alles so lang sein müsse: Filme (drei Stunden!), Theaterabende (noch viel mehr Stunden), Serien mit immer neuen Staffeln und natürlich Bücher. Müssen die wirklich 1000 Seiten umfassen? Das koste alles so viel Lebenszeit, die dann fehlt, um andere lange Filme, Theaterabende, Serien, Konzerte, Bücher zu genießen. Wahrscheinlich hätte die Autorin den neuen Roman von Walter Moers seufzend zur Seite gelegt, denn der endet samt Nachwort und Anhang erst nach 635 Seiten. Kann der Mann nicht kürzer? 

    Natürlich, denn sein vorletztes Werk "Der Bücherdrache" schaffte gerade mal gut 160 – für einen echten Moers viel zu wenig. Seine großen Werke wie "Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär", "Der Schrecksenmeister" und das wunderbare "Die Stadt der träumenden Bücher" sind veritable Ziegelsteine. Die Handlung spielt da gelegentlich eher eine Nebenrolle, denn

    Das letzte öffentliche Foto von Walter Moers, vom 29. Juli 1994 – inzwischen ist er 66 Jahre alt.
    Das letzte öffentliche Foto von Walter Moers, vom 29. Juli 1994 – inzwischen ist er 66 Jahre alt. Foto: Picture alliance

    Es finden sich Spurenelemente von "Independence Day" wie von "Moby Dick"

    So ist denn auch "Die Insel der Tausend Leuchttürme" einer dieser Moers'schen Irrsinns-Spielwiesen. Auf dem Eiland Eydernorn lässt er sein schon einige Male bemühtes Alter Ego, den schriftstellernden Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz, kuren und darüber einen Briefroman schreiben. Natürlich ist die Insel bevölkert von skurrilen Lebensformen, von denen die sympathischsten noch die flötenden Hummdudel sind, eine Mischung aus Riesenschnecke, Seestern, Oktopus und anderen maritimen Lebensformen. Es ergibt wenig Sinn, hier weitere Beispiele aufzuzählen, denn es sind einfach zu viele verrückte Gestalten, die Moers zu Lande, zu Wasser, der Luft und unter der Erde wuseln und gruseln lässt. Und dann gibt es da noch dieses bösartige Wetter, das Eydernorn zu einem eher lebensfeindlichen Ort macht. 

    Dennoch kommen dorthin allerlei Kreaturen, um gesund zu werden. Hildegunst von Mythenmetz zieht zwischen den medizinischen "Anwendungen" lieber über die Insel, um die merkwürdigen Leuchttürme zu erforschen und um einem Sport namens "Kraakenfieken" zu frönen, bei dem ein getrockneter Oktopus mit einem Schläger namens "Klööper" durch die Dünen gekloppt wird. Das klingt alles sehr nordisch und ist auch so gemeint. Moers persifliert ausgiebig den Kur- und Urlaubsbetrieb an der Küste, bevor er so langsam in die eigentliche Abenteuergeschichte einbiegt. Die gipfelt in einem Weltuntergangsszenario, gegen das sich die finale Feuersbrunst in der "Stadt der träumenden Bücher" recht mickrig ausnimmt. 

    Man wünscht sich, Roland Emmerich würde das Buch verfilmen

    Moers inszeniert eine saftige Apokalypse, von der man sich wünscht, Roland Emmerich ("2012 – Das Ende der Welt", "The Day After Tomorrow") würde sie verfilmen. Der weiß, wie man zünftig ganze Planeten kaputt haut. Moers hat solche Szenarien offenbar gründlich studiert, denn Spurenelemente von "Independece Day" finden sich am Ende des Romans ebenso wie von "Moby Dick". Dort heißt das Schiff, das dem wütenden Wal zu Opfer fällt, "Pequod" – und sinnigerweise spielt bei Moers ein Dreimaster namens "Quoped" eine nicht unwichtige Rolle. Überhaupt macht es wie immer großen Spaß, all die Anspielungen zu enträtseln, die der scheue Schriftsteller großzügig durch seine Bücher verteilt.

    Zugegeben, zwischendrin wünscht man sich zuweilen, der Schreiber solle doch mal schneller zum Punkt kommen, doch dann würde man ja etliche fantastische Gestalten und Ereignisse verpassen, von denen Moers so viele auf Lager hat, dass er im Anhang noch ein paar lexikalisch abhandeln muss. Seine ungehemmte Fabulierlust persifliert Moers im Nachwort sogar selbst, wo er als Bearbeiter des Mythenmetzschen Textes auftritt und sich darüber auslässt, wie sehr er die ausschweifenden Schilderungen des Lindwurms habe kürzen müssen. Er hat den Roman auf genau die richtige Länge gebracht. Schade, dass wohl wieder ein paar Jahre vergehen werden, bis Moers seinen nächsten Ziegelstein fertig behauen hat.

    Walter Moers: Die Insel der Tausend Leuchttürme.
    Walter Moers: Die Insel der Tausend Leuchttürme.

    Walter Moers: Die Insel der Tausend Leuchttürme. Penguin, 656 Seiten, 42 Euro.

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