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450 Jahre Elias Holl: Augsburgs großer Stadtplaner Elias Holl: Was er uns heute zu sagen hätte?

450 Jahre Elias Holl

Augsburgs großer Stadtplaner Elias Holl: Was er uns heute zu sagen hätte?

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    Das einzige authentische Porträt des Elias Holl wurde 1619 gedruckt. 
In diesem Jahr feiert die Stadt Augsburg den 450. Geburtstag ihres großen Baumeisters.
    Das einzige authentische Porträt des Elias Holl wurde 1619 gedruckt. In diesem Jahr feiert die Stadt Augsburg den 450. Geburtstag ihres großen Baumeisters. Foto: Maximilianmuseum Augsburg (Repro)

    Absperrbänder, Gitter und Netze zur Sicherung und zum Schutz der Passanten vor herabfallenden Putz- und Mauerteilen – der Augsburger Perlachturm ist marode, seit über 5 Jahren für Besucher gesperrt. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr, in dem die Stadt Augsburg den 450. Geburtstag ihres großen Baumeisters Elias Holl begeht, befindet sich der Turm im Krankenstand. Dabei hat er so viel zu erzählen, markiert er doch den Höhepunkt im Schaffen des Stadtwerkmeisters, wie der oberste städtische Bauverantwortliche damals hieß. 

    Holl baute den alten Turm im Jahr 1614 um, 41 Jahre war er damals alt, erfolgreich und angesehen, er ließ Glocke und Uhr in einer spektakulären Aktion vom alten Rathaus abseilen und auf den mit Oktogon und goldener Bekrönung geschmückten, auf 70 Meter erhöhten Turm aufsetzen. 300 Gulden Sondergratifikation erhielt er dafür, und gleich darauf begann er mit dem Abriss des alten und dem Neubau des neuen Rathauses, seines Hauptwerks. Bis heute wird es mit seinen zwei Türmen und dem Goldenen Prachtsaal als einer der schönsten Renaissance-Monumentalbauten nördlich der Alpen gerühmt, und damals, 1620, als das Rathaus fertig war, lagen die wichtigen Leute in Augsburg, die Fugger, Welser, Imhoff und andere Ratsherren, ihrem Baumeister zu Füßen.

    Der Perlachturm, hier noch ohne Absperrband, Gitter und Netze, zählt zu den markantesten Bauwerken des Elias Holl.
    Der Perlachturm, hier noch ohne Absperrband, Gitter und Netze, zählt zu den markantesten Bauwerken des Elias Holl. Foto: Silvio Wyszengrad

    Elias Holl wurde am 28. Februar 1573 in Augsburg geboren

    Indes – wenn der Perlachturm heute schwächelt, würde das einen Elias Holl nicht aus der Fassung bringen. Als Mann vom Bau und als Kind einfacher Verhältnisse war er Schwierigkeiten gewöhnt, die Folge von Verfall, Reparatur und Neubau war ihm ebenso geläufig wie die Tatsache, dass man sich für jeden Erfolg anstrengen muss, und dass dieser dann doch vom Schicksal zunichtegemacht werden kann. Eine "Karriere in Krisenzeiten" habe Holl getätigt, sagt der Historiker Bernd Roeck, und das unverdrossene Tun auch in schwierigen Zeiten macht uns diesen Elias Holl gerade heutzutage zum Zeitgenossen.

    Geboren wurde er am 28. Februar 1573, da war mit dem Augsburger Religionsfrieden gerade mal ein wenig Ruhe in die erbitterten Kämpfe von Katholiken und Protestanten eingekehrt, aber die konfessionellen Spannungen rumorten weiter in der Stadt, und dazu brachten Inflation und Missernten viele Bürger in Not. Elias' Vater Hans Holl konnte gleichwohl sein Handwerk als Maurer erfolgreich ausüben und brachte es zu einigem Wohlstand. 

    In Augsburg schuf Elias Holl das Zeughaus und den Perlachturm

    Dass der Sohn Elias auch Maurer werden würde, stand fest, er lernte nach dem Schulbesuch (vielleicht sogar für einige Jahre im Gymnasium St. Anna) beim Vater. Die Meisterprüfung bestand er erst als 23-Jähriger, da war er schon verheiratet mit Maria Burkhardt, der Tochter eines Metzgers. Nach deren frühem Tod heiratete er die wohlhabende Rosina Reischler. Mit ihr und den zahlreichen Kindern lebte er in der Kapuzinergasse, unter den "besseren Leuten" der Augsburger Oberstadt.

    Schnell machte Elias Holl Karriere – und sich einen Namen als ein Architekt, der "nach welscher Art" bauen konnte, also die Ästhetik des führenden Kulturlandes Italien nach Augsburg brachte. Das passte den Ratsherren in den Plan, denn sie wollten gegen die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Stadt mit einem Bauprogramm der Macht und Größe ankämpfen. Und Holl lieferte: Schon beim Gießhaus, seinem ersten öffentlichen Bau, versuchte er sich in venezianischen Formen, die er bei einer Reise nach Venedig mit eigenen Augen gesehen hatte. 

    1602 ernannte der Rat der Stadt den 29-Jährigen zum Stadtwerkmeister, und nun folgten die Bauten, die Augsburgs Pracht begründeten: Bäcker-Zunfthaus neben dem Perlach, der Turm von St. Anna, Zeughaus, Siegelhaus, das Wertachbrucker Tor, Stadtmetzg, Kaufhaus an der Hl. Grabgasse, Barfüsserbrücke, St., Michael und St. Sebastian, Gymnasium St. Anna, Rotes Tor, Hl. Geist-Spital – und, wie gesagt,

    Auch die Stadtmetzg wurde von Elias Holl erbaut.
    Auch die Stadtmetzg wurde von Elias Holl erbaut. Foto: Jan-Luc Treumann

    War Elias Holl ein Baumeister der Renaissance? Oder des Frühbarocks?

    Dabei sind sich die Kunsthistoriker nicht einig, ob Holl noch als Renaissance-Baumeister zu gelten habe oder schon eher dem Manierismus und dem Frühbarock zuzurechnen sei. Das Zeughaus etwa spricht mit seiner expressiv-bewegten Fassade für letztere Interpretation, die Stadtmetzg dagegen steht für eine gleichsam klassische Baukunst der Symmetrie, Monumentalität und der einfachen klaren Formen. Holl wären solche Überlegungen vermutlich wurscht, denn er selber war vor allem auf seine Ingenieur-Leistungen stolz – etwa die Bewegung von großen Lasten (wie beim Perlachturm) oder den Bau der Metzg über einem offenen Kanal (damit das Fleisch durchs Wasser gekühlt werden konnte). 

    Am Ende seines Lebens rühmte er sich nicht etwa seiner künstlerischen Erfolge, vielmehr hielt er schriftlich sein gesammeltes technisches Wissen fest – Grundrisse, Vermessungen, Planskizzen für Landschafts- und Wasserbau. Gleichwohl war er kunsttheoretisch durchaus auf der Höhe der Zeit, ein Bau-Künstler, der antike Formen einsetzen und mit solcher Bauzier die Architektur zum Sprechen bringen konnte. Und wo er selbst nicht weiterkam, da nahm er sich Künstler zu Kompagnons – die Maler Joseph Heinz schon beim Zeughaus oder Matthias Kager beim Rathaus. Mit dieser Fähigkeit zur Kooperation erweist sich Elias Holl als pragmatischer, modern denkender Mensch. Auch die von ihm verfasste Haus-Chronik zeigt ihn als einen seiner selbst bewussten Mann, der Rechenschaft über sein Handeln ablegt, der seine Grenzen und Fähigkeiten kennt und planvoll damit umgeht. 

    Ein Spätwerk des Elias Holl: das Rote Tor in Augsburg.
    Ein Spätwerk des Elias Holl: das Rote Tor in Augsburg. Foto: Silvio Wyszengrad

    Das Rote Tor in Augsburg zählt zu Elias Holls letzten Bauwerken

    Planvolles Handeln, das war auch wichtig, denn gerade in seinen letzten zwei Lebensjahrzehnten geriet Elias Holl immer mehr in krisenhafte Situationen. Der Dreißigjährige Krieg kam Augsburg Mitte der 1620er Jahre immer näher, zudem hatten Soldaten die Pest eingeschleppt, die Bürger lebten in Angst und Sorge. 1629 wurde nach Siegen der kaiserlich-katholischen Seite das Restitutionsedikt erlassen, die evangelischen Augsburger durften ihre Posten nur behalten, wenn sie zum "alten Glauben" konvertierten. Auch der gute Protestant Elias Holl war davon betroffen. Mit vielen Glaubensgenossen weigerte er sich, katholisch zu werden; 1630 wurde er als Stadtwerkmeister entlassen. Als der Schwedenkönig Gustav Adolf dann wieder die Oberhand gewann, wurde Augsburg erneut evangelisch, Holl kehrte zurück in sein Amt. Doch bald darauf, 1634, erlitten die Schweden bei Nördlingen eine vernichtende Niederlage. Augsburg wurde belagert und ausgehungert, 1635 kapitulierte die fast entvölkerte Stadt, wurde wieder katholisch, und Holl verlor seinen Posten endgültig. 

    Mit seinen 62 Jahren war er jetzt nach dem Maß seiner Zeit ein alter Mann, einer, der seinen Ruhestand kriegsbedingt sicher nicht in geruhsamem Wohlstand verleben konnte, dessen Existenz aber vermutlich so gesichert war, dass er sein "Geometrie- und Messbuch" als Vermächtnis für künftige Baumeister aufschreiben konnte. Bis 1644 arbeitete er daran, dann scheinen Altersschwäche oder Krankheit auf ihn gekommen zu sein. Begraben ist Holl nicht weit entfernt von seinen letzten Bauwerken, dem Hl. Geist-Spital und dem Roten Tor, auf dem Protestantischen Friedhof. 

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