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Jubiläum: 3000 Mal Perry Rhodan: „Glaubst Du an ihn?“

Jubiläum

3000 Mal Perry Rhodan: „Glaubst Du an ihn?“

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    Unentwegt und für immer im Einsatz: der Weltraumheld Perry Rhodane
    Unentwegt und für immer im Einsatz: der Weltraumheld Perry Rhodane Foto: dpa

    „Glaubst Du an ihn?“ Die Frage rutschte ihr heraus, ehe sie es verhindern konnte. Sie fühlte einen Drang, sich zu erklären. „Du bist Terraner, wie ich. Unsere Heimat ist ein Mythos, und jemand wie Perry Rhodan, der Terra angeblich noch gekannt hat, ist …“ – „Ja“, fiel Okri ihr ins Wort. „Ich ahne, was du meinst. Aber Glaube ist der falsche Begriff. Rhodan lebt. So einfach ist das.“

    So einfach? Ach ja? Nein, es ist eigentlich ein doppeltes Wunder. Zum einen nämlich: Wir befinden uns hier immerhin in einer wirklich fernen Zukunft. Denn zu diesem neuen, heute erscheinenden Abenteuer ist die fortlaufende Erzählung um diesen Perry Rhodan nach Abwendung des Weltenbrandes einfach noch mal 500 Jahre nach vorne gesprungen, zum Beginn eines neuen Zyklus weit im sechsten Jahrtausend. Aber wenn Ende Februar nun zusätzlich ein Roman erscheint, der erstmals die Vorgeschichte dieses Helden erzählt, dann setzt er im Herbst des Jahres 1945 in den USA ein. Über 3000 Jahre alt? Wunder Nummer eins also: Perry Rhodan ist unsterblich. Die Fans wissen: Er ist eben Träger eines Zellaktivators, der das Altern verhindert.

    Und zum anderen: Es war im Jahr 1961, als der erste Heftchenroman über diesen Perry Rhodan erschien, „Unternehmen Stardust“. Darin beschrieben: wie er nach dem Scheitern der Apollo-Mission 1971 als Erster auf dem Mond landet. Als erster Mensch! Denn auf dem Erdtrabanten fand Rhodan ein riesiges, verunglücktes Raumschiff einer fremden Spezies. Und deren weit überlegene Technik wurde dann die Basis zum wahren Aufbruch des Menschen ins All.

    Perry Rhodan: Auch der Mausbiber „Gucky“ ist wieder mit dabei

    Nun, nachdem ununterbrochen Woche für Woche das Abenteuer weitergegangen ist, erscheint ausgerechnet im 50. Jahr der ersten echten Mondlandung, ein Jubiläums-Heft. Es ist die Nummer 3000. Wunder Nummer zwei also: „Perry Rhodan“ scheint unendlich. Und der Fan weiß: Damit sind auch im neuesten Abenteuer wieder Figuren dabei wie der Mausbiber „Gucky“, Spaßvogel und Mutant, zu Telekinese, Telepathie und Teleportation fähig, und der bullige Reginald „Bully“ Bull, menschlich launisch, klein und dick, roter Bürstenschnitt und Sommersprossen.

    Der nach 57 Jahren unverändert zuständige, lediglich von München nach Rastatt umgesiedelte Pabel-Moewig-Verlag hat natürlich noch viel mehr Fakten zusammengetragen, um die Ausmaße des Universums zu umreißen, das sich hinter den ewig bunt-naiven Titelbildchen entfaltet hat. Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gilt als längster fortgesetzter klassischer Roman der Welt, doch bei durchschnittlich 100 Manuskriptseiten pro Heft erreicht „Perry Rhodan“ inzwischen das 50fache davon – und etwa das 100fache der Harry-Potter-Serie. Bislang wurden über eine Milliarde Rhodan-Exemplare weltweit verkauft, aktuell sind es 3,2 Millionen Hefte pro Jahr – längst nicht nur in Deutschland. Auch in Japan und Tschechien, Brasilien und Frankreich. Dazu kommen aus den zurückliegenden Jahren noch etwa 1500 weitere Bände mit Zusatzgeschichten, insgesamt erdacht und geschrieben von rund hundert Autoren. Es gibt Hörspiele, Silberbände, Planetenromane, Comics, Versteigerungen von Erstausgaben, weltweite Fantreffen. Nur die Übertragung in Fernsehen oder Kino hat bislang nicht richtig funktionert. Ob sich das mit den Möglichkeiten des digitalisierten Films irgendwann ändern wird?

    Mittlerweile schreiben auch drei Frauen an Perry Rhodan mit

    Wer aber glaubt an ihn, Rhodan? Die Fans, bei denen die Leidenschaft meist auf dem Schulhof entfacht wurde, sind inzwischen im Durchschnitt 45 Jahre alt – und zu 80 Prozent Männer. Gealtert und überwiegend männlich – typisch Gedrucktes plus typisch SF also. Aber unter den elf aktuellen Autoren der Rhodan-Serie sind nun erstmals drei Frauen. Auch wenn der seit langem amtierende Chefredakteur dieses Universums, Klaus N. Frick, versichert: „Wir können mit Perry Rhodan getrost in die Zukunft blicken“, soll sich der Charakter der Hefte nach und nach weiten und ändern, um die Gläubigenschar durch Erstleser aufzufrischen.

    Wie aber Einstieg finden, sich orientieren in einer solchen, bereits 3000-teiligen Erzählung, die sich zudem ja unaufhörlich Woche für Woche weiter entfaltetet? Seit 2004 gibt es mit der „Perrypedia“ ein digitales Nachschlagewerk, das rund 3,7 Millionen Mal monatlich aufgerufen wird und ausführliche Informationen über Ordnung und Handlung der Bände, Autoren und Figuren gibt. Aber praktisch völlig ohne Vorwissen kommt aus, wer sich durch Andreas Eschbach in die Rhodan-Welt einführen lässt.

    Der 59-jährige Ulmer ist mit eigenen Science-Fiction-Werken und Thrillern ein Star der Szene, Bestsellerautor, über sechs Millionen verkaufte Bücher. Er hat auch schon sieben Rhodan-Hefte geschrieben und schwärmt: „Seit Erfindung der Schrift ist niemals und nirgends eine länger fortlaufende Geschichte erzählt worden als Perry Rhodan.“

    Und Eschbach liefert nun mit einem großen Roman außerhalb der Reihe die Vorgeschichte des jungen Perry. Da ist dann auch Platz, um die sonst zügig vorangetriebene Action-Handlung mit Reflexions-Passagen zu durchsetzen. Etwa: Wie kann man jenem Menschen der Zukunft, der sich als eine von unendlich vielen Spezies versteht und den Menschen im Unterschied zum Nicht-Menschen begreift, erklären, dass es damals, im 20. Jahrhundert, auf der Erde Rassismus zwischen den Menschen gab wegen einer Kleinigkeit wie der Hautfarbe? Die Veränderung von Maßstäben war in der Science-Fiction-Literatur immer schon gut für eine erhellende Perspektive auf das Heute.

    Mächte der Ordnung,Mächte des Chaos

    Und es ist auch Platz für fantastische Gedankenexperimente. Perry Rhodan, auserwählt für die Befriedung der Galaxis, ist in Heft 3000 wie Terra, die Erde, selbst bloß noch ein Mythos – und auch noch ein feindlicher, böser. Wobei, was heißt böse? Im Lauf all der Jahre hat sich eine ganze, hochkomplexe Kosmologie in diesen Heftchenromanen entfaltet samt komplexer wissenschaftlicher Theorie – schließlich schreiben promovierte Physiker mit. Das Spektakel spielt in Multiversen, kennt mehreren Dimensionen. Es gibt ein Stufenmodell der Lebensformen, das interplanetare, interstellare und intergalaktische Intelligenzwesen kennt; es gibt das Überwesen ES, das Unsterbliche wie Perry auserwählt; es gibt Mächte der Ordnung und Mächte des Chaos. Dazu „das Gesetz“ in der Tiefe alles Seins, ultimative Fragen wie „Wem gehört die Zeit?“ und die Superentität Thez am Ende der Zeit. Es gibt jede Menge irres Zeug also – und unter der Oberfläche möglichst spannender Action noch viel, viel mehr versuchte Erklärungen, was wofür stehen könnte. Das alles hat Platz in den unendliche Weiten zwischen Titeln wie „Gucky und der Golem“, „Amoklauf der Wissenden“ und „Das positronische Phantom“. Ja, so einfach ist das.

    Heft und Buch Wim Vandemaan, Christian Montillon: Perry Rhodan 3000 – Mythos Erde (ab 14. Februar am Kiosk und als E-Book auch auf Amazon für 1,99 Euro) - Andreas Eschbach: Perry Rhodan – Das größte Abenteuer. Fischer Tor, 848 Seiten, 25 Euro (erscheint am 27. Februar)

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