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250 Jahre Caspar David Friedrich: Sein Erbe in Dresden

Ausstellung

Caspar David Friedrichs Malerei berührt zutiefst

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    Die Arbeit „Das Große Gehege bei Dresden“ von Caspar David Friedrich ist eines der zentralen Werke des Künstlers, die nun in Dresden zu sehen sind.
    Die Arbeit „Das Große Gehege bei Dresden“ von Caspar David Friedrich ist eines der zentralen Werke des Künstlers, die nun in Dresden zu sehen sind. Foto: Albertinum, Elke Estel/Hans-Peter Klut

    Es ist alles ein bisschen viel. Womöglich würde der Jubilar als erster die Flucht ergreifen. Dabei wünschte sich Caspar David Friedrich sein Leben lang Anerkennung, dass seine Bilder ernst genommen und wertgeschätzt werden. Um Goethes Gunst hat er förmlich gebuhlt, und nun, zum 250. Geburtstag, kennt die Begeisterung keine Grenzen. Nimmt man das Museum Schäfer in Schweinfurt dazu, wird Friedrich seit anderthalb Jahren gefeiert. Mit der ersten Blockbuster-Schau in Hamburg begann im Dezember der große Ansturm, im April folgte Berlin, und jetzt wird Dresden überrannt – „Wo alles begann“, wie es im Ausstellungstitel heißt. Das ist irreführend, auch etwas aufgeblasen und doch nicht verkehrt. Nach der Kunstakademie in Kopenhagen, wo Friedrich mit Kopierdrill und Aktzeichnen nicht klarkam, wurde Dresden 1798 zur Offenbarung.

    In den bestens bestückten sächsischen Sammlungen fand der Künstler unendliche Anregungen und – fast wichtiger für den Landschaftsinhalierer – eine grandiose Umgebung. Natürlich gibt es Skizzen aus dem Harz, von Rügen und sonst woher. Doch die Sächsische Schweiz wurde zu Friedrichs Fundgrube und Stimmungsterrain.

    Caspar David Friedrich: 250 Jahre künstlerischer Ruhm

    Wer etwa das brachiale „Eismeer“ mit seinen aufgetürmten Schollen im Norden verortet, liegt nur bedingt richtig. Als Vorlage für das 1824 entstandene Gemälde dienten Studien der zugefrorenen Elbe. Friedrich hat seine Welten konstruiert und so willkürlich wie minutiös aus seinen Zeichnungen zusammengepuzzelt. Auch der im selben Jahr gemalte „Watzmann“ kam ohne Besuch der Berchtesgadener Alpen auf die Leinwand, allerdings mithilfe eines Aquarells seines Schülers August Heinrich.

    Caspar David Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes. 1819/20 Öl auf Leinwand.
    Caspar David Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes. 1819/20 Öl auf Leinwand. Foto: Albertinum, Elke Estel

    Dieses Addieren wurde bereits in Hamburg und Berlin sinnfällig vermittelt. Im Kupferstich-Kabinett, der zweiten Dresdner Anlaufstelle neben dem Albertinum, geschieht das erstmals mit dem für 1,8 Millionen Euro von drei Museen erworbenen Karlsruher Skizzenbuch, durch das man nun im digitalen Großformat blättern kann. Und es gibt genauso Bezüge aus der Malerei.

    Sächsische Schweiz: Die natürliche Muse Friedrichs

    Was Friedrich in Dresden antraf, überfällt einen gleich zum Auftakt in Petersburger Hängung. Er selbst hätte diese Fülle nicht ausgehalten. Entsprechend „leer“ sind ja auch seine Werke. Die Bilderflut gibt aber eine Vorstellung von der Vielfalt der künstlerischen Eindrücke in der neuen Heimat. Nicht ohne Grund beginnt Friedrich hier 1807 mit der Ölmalerei, und im Verlauf tauchen hie und da Motive auf, die er in der Gemäldegalerie gesehen haben dürfte. Dazu gehört zum Beispiel eine weibliche Rückenfigur von Gerard ter Borchs, die neben Friedrichs „Frau am Fenster“ hängt. Seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Caroline stand wohl Modell, und wenn man so will, hat Dresden dem Künstler auch im Privaten Glück gebracht.

    Es wird dennoch nie leicht für diesen Mann. Statt der ersehnten Professur für Landschaftsmalerei erhält er lediglich eine außerordentliche Professur ohne Lehrbefugnis. Jungschnöselige Kollegen wie Ludwig Richter ätzen, „seine Bilder athmen jene kranke Schwermuth, jenen Fieberreiz, welcher jeden gefühlvollen Beschauer mächtig ergreift, aber immer ein untröstliches Gefühl hervorbringt“. Bei aller Gehässigkeit trifft Richter einen entscheidenden Punkt: Diese Malerei berührt zutiefst, das funktioniert bekanntlich bis heute und in turbulenten Zeiten vielleicht mehr denn je.

    Caspar David Friedrich: „Abend am Ostseestrand“, 1831.
    Caspar David Friedrich: „Abend am Ostseestrand“, 1831. Foto: Albertinum, Elke Estel/Hans-Peter Klut

    Doch das Düster-Depressive, das längst nicht nur der Vertreter einer eher heiter-idyllischen Landschaftsmalerei als pathologisch abqualifiziert, erscheint seit der Wiederentdeckung vor rund 120 Jahren – das zentrale Thema der Berliner Ausstellung – in einem anderen Licht. Plötzlich ist Friedrich der deutsche Romantiker schlechthin, und ein Seelengründler, an dem wenig später auch die Nazis Gefallen finden. Als „groß und stark gebaut, blond, charakterfest und kämpferisch“ wird er bejubelt, und in seinen Werken will man „das ewige Deutschland“ erblicken.

    Friedrich liefert freilich auch Steilvorlagen. In der Vereinigung der deutschen Länder sah er eine Chance, sich gegen Napoleon und die Besatzung zu wehren. Die Nazis griffen dankbar zu und ignorierten Aufmüpfigkeit und Freiheitsdrang.

    Walt Disney ließ sich in München von Caspar David Friedrich inspirieren

    Vom „germanischen Helden“ holt sich dann ausgerechnet ein Amerikaner Inspiration für eine fortschrittliche Kunst. 1935 kauft Walt Disney in München stapelweise Bildbände zur Anregung für seine Trickfilmzeichner in Hollywood. Deshalb stakst Bambi durch Wälder von Caspar David Friedrich. Der Erfinder der Micky Maus nimmt den Missverstandenen ins Exil, wenigstens ein Stück weit.

    Man muss diesen Maler immer wieder bewahren, auch vor gut gemeinten Interpretationen. In der Hamburger Kunsthalle ist Friedrich im zweiten Teil der Schau zum frühen Umweltpropheten stilisiert worden, unterstrichen durch die oft viel zu plakativen Kommentare zeitgenössischer Künstler. Die Zerstörung der Natur wäre ihm sicher nicht gleichgültig, seine 200 Jahre alten Landschaften lassen sich aber nicht auf ein bestimmtes Thema reduzieren und sind überhaupt so viel mehr.

    Das „Große Gehege“ von 1832 etwa bietet unzählige Möglichkeiten der Deutung. Die vermeintliche Leere muss biedermeierlichen Geistern gespenstisch vorgekommen sein, die Palette wie aus einer anderen Galaxie, und man fragt sich tatsächlich, ob die flachen Wasser nicht die Überbleibsel einer Sintflut sind, ob nach der Apokalypse Frieden eingekehrt ist in eine Welt, die nur mehr aus Farbtönen und Formen besteht.

    Die letzten Takte aus Wagners „Götterdämmerung“ könnten der Sound dazu sein. Durch die Krümmung der Erde öffnet sich die Landschaft im modernen Weitwinkel. Es ist vorbei, der Mensch, dieser unbelehrbare Störfaktor, vernichtet. Doch am Ufer gleitet ein Segelboot, unmerklich fast unter der blau-lila-leuchtgelben Himmelsbetörung. Der tiefgläubige Friedrich war weit entfernt von jedem Zynismus. Vielleicht muss man die Gegenwart und deren Befindlichkeiten zurückdrängen, um sich dieser Kunst zu nähern und sie als ein Verorten in der Welt, im Kosmos zu verstehen.

    „Caspar David Friedrich. Wo alles begann“, bis 5. Januar im Albertinum, bis 17. November im Kupferstich-Kabinett Dresden, Katalog (Sandstein Verlag, 432 Seiten, 48 Euro)

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