Sieben Männer sitzen um einen großen Tisch, sie fühlen sich wohl in der schummrigen Ziemetshauser Taferne. Sie diskutieren eifrig, reißen derbe Witze, stoßen bei einem besonders lauten Lacher krachend miteinander an. Einer von ihnen steht auf, um ein Foto zu schießen - vom Stammtisch der Sieben Schwaben. Diese Schwarz-Weiß-Fotografie von 1950 befindet sich mittlerweile in den Händen von Joachim Böck, dem Vorsitzenden des Heimatvereins Ziemetshausen. Seit gut 15 Jahren führtder Heimatverein ein kleines Schauspiel bei der Brezenhurre auf, dessen Ursprung bei genau diesen Sieben Schwaben liegt. Joachim Böck erklärt, was die Taferne, der Stammtisch und eine Lampe mit der Ziemetshausen Brezenhurre zu tun haben.
Die Brezenhurre war einst eine Speisung für arme Kinder in Ziemetshausen
Den besonderen Faschingsbrauch der Brezenhurre gibt es schon sehr lange. Nach alter Überlieferung lässt sich die Tradition auf das Jahr 1643 zurückführen. Schon vor Jahrhunderten verteilte der Pfarrer an der Herrenfastnacht Essen an die Kinder armer Eltern - damals Hasenöhrle (Küchle) statt Brezen. Im Gedenken an diese christlichen Ursprünge wird heuer noch zu Beginn des Spektakels der englische Gruß gebetet. Doch kaum ist das andächtige Gebet beendet, wird es vom lautstarken Gesang der Kinder abgelöst. Zu einer Gitarrenbegleitung erklingen die fröhlichen Stimmen: "Fenster auf, Brezen raus!" Dieser Forderung kann Bürgermeister Ralf Wetzel, bunt verkleidet als verrückter Hutmacher, jedoch noch nicht nachkommen. Er erklärt: "Bevor Brezgen und Würstle durchs Fenster fliegen, sind die Sieben Schwaben dran. Wo ist unser Hase?"
Sogleich kommt der Hase angehoppelt, vor den Sieben Schwaben mit dem langen Speer fliehend. Von dem Spektakel belustigt schreien ihm ein paar Kinder zu: "Schnell, an die Hintertür des Rathauses, da bist du gerettet!" Tatsächlich vergeht den Sieben Schwaben nach dem Lauf durchs Rathaus gar die Lust auf das kleine Häschen - bei der Größe der Extrawurst und der Brezel, die sie am hölzernen Speer aufspießen.
Entstanden ist dieses Schauspiel des Heimatvereins dank einem Lampenschirm. Oder eher mit der Stammtisch-Lampe der Sieben Schwaben. "Die sieben Schwaben waren ein kleiner Haufen von Dorforiginalen", erklärt Böck. Da sich die Dorforiginale immer in derselben Ziemetshauser Taferne am selben Tisch trafen, kamen sie eines Abends auf die Idee, sich in der Wirtschaft zu verewigen. Da traf es sich gut, dass unter ihnen ein begnadeter Schnitzer anzutreffen war: Fridolin Kraile. Der Bildhauer bekam somit den Auftrag, die Schwaben auf einem Lampenschirm zu verewigen, der den Stammtisch zieren sollte.
Fridolin Kraile, fest im Ziemetshauser Dorfleben verankert, beschert nicht nur dem Stammtisch mit seiner kreativen Ader eine Freude. Jahr für Jahr führte der Künstler bei der Brezenhurre ein recht amüsantes Theaterstück auf. Diese Tradition wollte der Heimatverein wiederaufleben lassen, erklärt Böck: "Doch leider gibt es keine Aufzeichnungen und auch die Älteren können sich nicht mehr genau an das Stück erinnern. Also nahmen wir, basierend auf dem Stammtisch, die Sage der Sieben Schwaben als Vorlage."
Der Schwank der wackeren Kerle handelt ursprünglich davon, wie sich sieben Schwaben aus verschiedenen Gauen zusammenfanden, um das Ungeheuer vom Bodensee zu besiegen. Doch statt dass sich jeder mit einer Waffe für den anstehenden Kampf bewaffnete, zogen sie um des Zusammenhalt willens mit einem einzigen, riesigen Spieß los. Auf dem langen Weg an den Bodensee erlebten die Sieben Schwaben allerhand Abenteuer, die sie für das letzte Gefecht rüsteten. Im Wald trafen sie dann das Ungeheuer: Einen Hasen, der Männchen machte. Bei diesem Anblick vor Angst schlotternd, erschreckten sie das Tier so sehr, dass es das Weite suchte. Somit schlugen die sieben Schwaben das schreckliche Ungeheuer vom Bodensee in die Flucht.
Vor etwa fünfzehn Jahren bereitete der Heimatverein erstmals einen Sketch vor, den die Gruppe an der geöffneten Rathaustür vorspielte. Dabei gab es jedoch ein paar Startschwierigkeiten, erzählt Böck: "Das Schauspiel ging im Lärm der Kindermenge einfach unter. Daher springen unsere Sieben Schwaben jetzt einfach umher." Damit kam zur uralten Tradition der Brezenhurre eine neue hinzu, auf die sich vor allem die Kinder jedes Jahr aufs Neue freuen. Denn sie wissen genau: Nach dem Rathaussturm der Sieben Schwaben sind sie dran. Zuerst die Kleinsten, dann die Großen. Sobald alle verkleideten Brezenknacker, Cowboys und Raben eine Brezel in der Hand halten, stellen sich die Verwaltungsmitglieder des Rathauses an den Fenstern auf. Von dem Gebäck bleibt auch in diesem Jahr nichts übrig - da kann sich Bürgermeister Wetzel jedes Jahr sicher sein, wenn er auf all die hochgereckten Hände blickt.