Geschätzt 300.000 Menschen wurden während der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1939 und 1945 aufgrund ihrer Behinderung oder psychischen Erkrankung ermordet. Ihr Leben galt nach der NS-Ideologie als „nicht lebenswert“. Das Euthanasieprogramm „Aktion T4“ organisierte die planmäßige Verschleppung und Ermordung.
Keine offizielle Anerkennung: Petition für die Opfer
Aus den Einrichtungen des Dominikus-Ringeisen-Werks (DRW) in Ursberg, Maria Bildhausen (Unterfranken), Kloster Holzen und Pfaffenhausen wurden zwischen 1939 und 1945 insgesamt 519 Menschen gewaltsam verschleppt. 379 von ihnen wurden ermordet. Über 200 Menschen wurden gegen ihren Willen sterilisiert. „Diese Personengruppe eint, dass sie bis heute nicht offiziell als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt sind. Und das, obwohl sogar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung die Umsetzung einer entsprechenden Anerkennung benannt ist“, so DRW-Vorstandsmitglied Wolfgang Tyrychter in eine Pressemitteilung.
Eine Petition (Nr. 171336, initiiert von der Ruth-Fricke-Stiftung) soll jetzt den Anerkennungsprozess unterstützen. Vom 6. September bis 17. Oktober werden bundesweit Unterschriften gesammelt, notwendig sind 30.000. Auch dem DRW ist eine offizielle Anerkennung der Opfer ein großes Anliegen: „Die Aufarbeitung des Geschehens und der Verbrechen, die im Rahmen der sogenannten Aktion T4 und unter der Herrschaft der Nationalsozialisten an Menschen mit Behinderungen verübt wurden, ist uns seit Langem wichtig. Die auch offizielle Anerkennung und Entschädigung des begangenen Unrechts sind vielleicht spät, aber wichtige Zeichen. Wer die Petition unterstützen möchte, kann dies online über die Webseite des Deutschen Bundestags tun“, sagt Wolfgang Tyrychter.
Ringeisenwerk Ursberg warnt vor politische Entwicklung
Dass es sehr bedeutsam ist, die Erinnerung daran wachzuhalten, zeige die aktuelle derzeitige politische Entwicklung, so Tyrychter. „Es ist zu befürchten, dass die Haltung, behindertes Leben als Leben zweiter Klasse – mit weniger Rechten und weniger Wertschätzung – zu betrachten, wieder Raum bekommt. Dem kann auch eine gute und wissenschaftlich fundierte Erinnerungskultur, wie sie in Ursberg und Maria Bildhausen bereits an mehreren Stellen geschaffen wurde, öffentlich entgegenwirken.“ Im DRW gibt es aktuell vier Gedenkorte für die Opfer der Euthanasie: Seit 1984 erinnert eine Stein-Stele auf dem Ursberger Klosterfriedhof an die 379 Menschen, die von den Nationalsozialisten aufgrund ihrer Behinderung ermordet wurden. 2004 wurde ein Mahnmal zentral im Ursberger Klosterhof angelegt.
Die Ursberger Gedenkorte sind seit Kurzem auch in der digitalen Gedenkstätten-Übersicht der Berliner Stiftung „Topographie des Terrors“ gelistet. Auf www.gedenkstaettenforum.de werden etwa 300 Gedenk- und Dokumentationsstätten sowie Erinnerungsorte aufgeführt, die in ganz Deutschland an historischen Orten über Verbrechen des NS-Regimes aufklären und der unterschiedlichen Opfergruppen gedenken. Zudem sind etwa 600 weitere Gedenkstätten weltweit aufgeführt, die sich mit den Opfern der NS-Verfolgung und des Zweiten Weltkriegs befassen. Die Petition ist zu finden unter www.epetitionen.bundestag.de. (AZ)
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