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Tanzlokal Keller: Von der Brauerei zum Tanztempel in Seifertshofen

Seifertshofen

„Wie Tinder, nur live!“: Tanzlokal Keller machte Seifertshofen bekannt

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    Das Gasthaus und Tanzlokal Keller in Seifertshofen mit der Seniorchefin Josefa Keller (vorn) und (von links) Horst mit Carola Keller und Alfred Keller.
    Das Gasthaus und Tanzlokal Keller in Seifertshofen mit der Seniorchefin Josefa Keller (vorn) und (von links) Horst mit Carola Keller und Alfred Keller. Foto: Klemens Funk

    Seine Strahlkraft im Umkreis von gut 100 Kilometern verdankt der kleine Ort Seifertshofen dem Gasthof Keller: Die familiengeführte Gastronomie mit Tanzlokal beeindruckt nicht nur mit ihren regionalen Gerichten und dem freundlichen Service, sie übt auch eine seit Jahrzehnten ungebrochene Anziehungskraft auf tanzbegeisterte Paare und Singles aus. „Am Freitagabend erfüllen wir die Musikwünsche der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, am Samstag bieten wir dann Tanzmusik für die Eltern und am Sonntagnachmittag erfüllen wir beim Tanztee die Wünsche der älteren Generation, natürlich alles mit Livemusik.“ So beschreibt Horst Keller das generationsübergreifende Angebot und sein Bruder Alfred, mit dem zusammen er nun in der dritten Generation den Betrieb führt, zitiert einen begeisterten Gast: „Bei euch ist es wie bei den Datingportalen Tinder und Bumble, nur alles live!“ Der Biergartenbetrieb unter schattigen Kastanien im Sommer rundet die dörfliche Bilderbuchidylle mit dem Gasthaus neben der St.-Ulrich-Kapelle ab. Die Kennzeichen an den Autos verraten, dass in Seifertshofen Außergewöhnliches geboten wird, wofür bis aus dem Allgäu und dem benachbarten Württemberger Ländle anzureisen sich lohnt.

    Nach Kriegsende gab es die ersten Tanzveranstaltungen im Lokal Keller in Seifertshofen

    Die Kellers praktizieren auch persönlich die gastliche Atmosphäre, die sie ihren Besuchern bieten. Wenn es die viele Arbeit erlaubt, sitzen sie gerne in großer Runde zusammen. „Ich fühle mich nie einsam“, betont die 87-jährige Seniorchefin Josefa Keller. Am Herd neben ihrer Schwiegertochter Carola sei sie immer gern gesehen. Einmal im Monat beanspruche sie aber einen freien Donnerstagabend, wenn nämlich „Singen beim Wirt“ angesagt sei, da sitze sie unter den Gästen. Beim Blättern in ihren alten Unterlagen erwähnt sie immer wieder, wie viel Arbeit mit so einem Familienbetrieb einhergeht, und die Großfamilie nickt zustimmend. 1931 ist ihr Schwiegervater von einer kleinen Landwirtschaft in Breitenthal hierher nach Seifertshofen übergesiedelt, nachdem er die ehemals große Brauerei Goßner, die ihr Bier bis nach England exportierte, erworben hatte. Allerdings war eine Verkaufsbedingung, den

    Gasthaus und im Hintergrund die Brauerei von Seifertshofen beim Erwerb durch Johann Keller im Jahr 1931.
    Gasthaus und im Hintergrund die Brauerei von Seifertshofen beim Erwerb durch Johann Keller im Jahr 1931. Foto: Sammlung Eva Paul

    Der Schwiegervater saß am Eingang und kassierte den Eintritt von 50 Pfennigen, ausgeschenkt wurde hauseigener Most – und ein bisschen kuppelte er auch, indem er manchen Tipp gab, wen anzublinzeln sich lohnen könnte. Josefa, die spätere Wirtin, und ihre Schwester Erika kamen durch das Rupfen von Seegras, das zur Matratzenherstellung verwendet wurde, mit den Kellerbuben in Kontakt. Denn von deren Hof aus wurden die geflochtenen Seegraszöpfe zur Verladung an den Bahnhof Weißenhorn weitertransportiert. Für ihre Sammelergebnisse wurden sie immer sonntags in der Wirtschaft mit 50 Pfennigen entlohnt, was damals für Schulmädchen ein willkommenes Taschengeld war. Der Kontakt zu den Buben wurde allmählich auch dadurch enger, dass sie beide beim Bedienen halfen, und sie entschieden sich zur Heirat. Da drängt sich der Gedanke auf, dass die Kontaktanbahnung in diesem Anwesen genetisch beheimatet zu sein scheint. 

    Die bekannten Flippers spielten schon im Tanzlokal in Seifertshofen

    Ab der Heirat im Jahr 1958 intensivierten sich die Baumaßnahmen und so wurde – überwiegend in Eigeninitiative – der Getreidespeicher in ein modernes Tanzlokal umgebaut. Fleiß und Teamgeist, Begeisterung für Innovationen, unternehmerisches Geschick, Gastlichkeit, all dies scheint im Erbgut der Familie Keller zu liegen und Nährboden für die große Anziehungskraft zu sein. Schon bevor die Brüder Horst und Alfred im Jahr 2017 den Betrieb übernahmen, gelang es den beiden, große Stars und bekannte Bands nach Seifertshofen zu holen: Das österreichische Nockalm Quintett war ebenso zu Gast wie die Flippers, die über 40 Millionen Tonträger verkauften, oder Claudia Jung und Nicki, die viele Jahre in der Hitparade auftrat. Auch aktuell heizen bekannte Livebands den Tanzbegeisterten ein.

    Dank der vielseitigen Angebote von Stammtischen über kleine und große Familienfeiern, Klassenpartys, Singen beim Wirt, Tanzveranstaltungen bis zu den legendären Bällen gelingt es, für jeden etwas zu bieten. Darin sind sich die Inhaber einig, eine wesentliche Unterstützung ist dabei der Einsatz aller Familienmitglieder; und dazu zählen nun auch schon die jungen Erwachsenen der vierten Generation. Sie hätten zwar alle studiert und würden hauptberuflich wohl anderweitig tätig sein. Mit der Arbeit in der Gastronomie seien sie aber bestens vertraut und gewinnen auch immer wieder Studienkollegen als Aushilfen. 

    Dass mancher anfängliche Irrweg noch ans Ziel führen kann, ist schon so manchem Gast widerfahren. Einer stieg nach einem Faschingsball nicht in seinen Bus nach Langenau, sondern in den nach Ronsberg und merkte die Verwechslung erst weit nach Mitternacht beim Aussteigen. Dann erbarmte sich doch noch ein Mädchen und bot ihm eine Unterkunft an. Beide kommen heute hin und wieder nach Seifertshofen, seit Jahren als Paar. Wie Josefa Keller sagt: „D' Leit kommet gera zu eis.“ 

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