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Motorsport: Die Formel 1 des kleinen Mannes

Motorsport

Die Formel 1 des kleinen Mannes

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    Großer Andrang an den Kassenhäuschen: Bei großen Rennen strömten mehr als 10000 Zuschauer auf die Bahn in Breitenthal.
    Großer Andrang an den Kassenhäuschen: Bei großen Rennen strömten mehr als 10000 Zuschauer auf die Bahn in Breitenthal. Foto: Alois Thoma

    Krumbach Wenn die „Schleifschuhritter“ zum Turnier riefen, kamen die Massen nach Breitenthal: 30 Jahre ist es mittlerweile her, dass Krumbach zu den Hochburgen des Motorsports in Süddeutschland gehörte. Die Elite des Speedwaysports zeigte auf der Strecke in Breitenthal ihre Kunst auf den Motorrädern ohne Bremse und lockte weit über 10000 Zuschauer an. 1983 gab es die letzten ganz großen mittelschwäbischen Erfolge: Die Krumbacher holten die beiden wichtigsten deutschen Mannschaftsmeistertitel.

    Die Saison 1983 hatte schon gut angefangen: MCK-Kapitän Peter Würtele wurde süddeutscher Einzel-Bahnmeister und Vierter bei der Deutschen Meisterschaft, Nachwuchsfahrer Gerd Riss holte den OMK-Pokal auf der Sandbahn. Zum Finale um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft reisten die Krumbacher trotzdem als krasse Außenseiter.

    Doch etwas Glück, Nachlässigkeit der anderen und eine große Portion Erfahrung sorgten dafür, dass die Krumbacher jubelnd aus Diedenbergen (Hessen) zurückkehrten. Ein Fahrer des favorisierten AC Landshut kam zu spät zum Start, ein weiterer wurde disqualifiziert. Und die Krumbacher profitierten vom geschulten Auge ihres Betreuers und einstigen Top-Fahrers Hans Wassermann. Der empfahl Würtele, Riss, Detlef Koblofsky und Peter Lempenauer in den Kurven die Außenbahn – dort war die regennasse Bahn griffiger. Und dieser Vorsprung brachte dem MCK die entscheidenden Punkte.

    Zu Hause wurde den Fahrern, dem Vorsitzenden Leonhard Holzmann, Betreuer Hans Wassermann und den Mechanikern – im Fachjargon „Schmierer“ genannt – Rolf Brugger, Georg „Hanna“ Anwander, Josef Jeckle und Paul Riss ein triumphaler Empfang bereitet. So feierten die Krumbacher ihre dritte deutsche Meisterschaft nach 1975 und 76 mit einem Hupkonzert und einer Party im Ringler-Saal. Am Rathaus hing am Folgetag die MCK-Fahne. Wenige Wochen danach holten auch noch die Nachwuchsfahrer den OMK-Pokal, quasi die Meisterschaft in der Zweiten Liga des Speedway. Als „Formel 1 des kleinen Mannes“ bezeichnet Peter Lempenauer die Sportart. Die Fahrer hatten neben dem Sport normale Berufe. Auch bei den Arbeiten an den Motorrädern mussten sie selbst mit anpacken: „Ansonsten hätte man mehrere Schmierer gebraucht, das wäre zu teuer gewesen“, sagt Lempenauer. Der Meisterfahrer eröffnete nach dem Ende seiner aktiven Karriere seine eigene Werkstatt. „Der Lempes war immer ein ganz Sparsamer, aber auch ein außergewöhnlich guter Mechaniker“, sagt Franz Hauber, das „Gedächtnis“ des Krumbacher Motorsports. Die meisten Fahrer hätten sich bei russischen Fahrern billige Ketten gekauft, der „Lempes“ machte sich lieber selbst mit dem Kettenfett ans Werk. Noch bessere Schrauber seien nur die russischen Fahrer selbst gewesen. „Die waren alle Vollmechaniker“, sagt Hauber.

    Nur wenige Fahrer konnten sich ein vollständiges Team leisten. Egon Müller gehörte dazu, der bis heute einzige deutsche Speedway-Weltmeister. „Er hat den Sport bekannt gemacht“, sagt Franz Hauber. Neben fahrerischem Talent wusste Müller sich auch zu vermarkten, nahm unter anderem eine Schlagerplatte auf und zeigte sich vor den Rennen immer in Begleitung hübscher Damen. Star-Allüren habe Müller aber trotzdem nicht gezeigt, sagt Franz Hauber. Nur ein bisschen störte ihn, dass der Star ihn immer als „der Dicke“ bezeichnete.

    Unter den Fahrern herrschte immer gegenseitiger Respekt. Man unterstützte sich und lieh dem Konkurrenten im Notfall schon mal das eigene zweite Motorrad. „Auch unter den Zuschauern hat es nie was gegeben. Ich habe die ganzen Jahre nicht eine Schlägerei erlebt“, sagt Franz Hauber. Und das will einiges heißen, seine Fahrten zu Speedway-Rennen führten ihn immerhin bis in Schwedens Hauptstadt Stockholm.

    Die Speedwaygemeinde war in den 70er und 80er Jahren überhaupt sehr international. Bei den Rennen auf europäischer Ebene durften auch Fahrer aus dem damaligen Ostblock an den Start gehen. Noch mehr verschiedene Nationen waren nur in der englischen Liga am Start, wo auch Hans Wassermann zeitweise seine sportliche Heimat hatte. Als „härteste Liga der Welt“ war die britische Meisterschaft damals bekannt. „Dort waren einfach die besten Fahrer. Es kam vor, dass ein Russe an den Start kam, den keiner kannte, und der ist dann plötzlich den besten Leuten davongefahren“, sagt Wassermann.

    Ein Sturz beendete die Karriere Wassermanns, mit den Folgen hat er bis heute zu kämpfen. Ein Schicksal, das die meisten Speedwayfahrer teilen. „Ich glaube, ich bin einer der wenigen Fahrer, die heute noch normal laufen können“, sagt Peter Lempenauer. Berührungen in den Kurven, ausgefahrener Streckenbelag am Rand, ein Ausrutscher – und schon konnte es dahin gehen. „Gott sei Dank ist bei uns in Breitenthal nie etwas wirklich Schlimmes passiert“, sagt Franz Hauber. Anderswo endeten Rennen sogar tödlich – der Krumbacher Nachwuchspilot Max Schöllhorn kam bei einem Rennen in Bordeaux (Frankreich) 1984 ums Leben.

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