Oft und viel Applaus spendeten die Teilnehmer am Festakt zur Verleihung der Mundartpreise 2024 durch die Dr. Eugen Liedl Stiftung in der Aula der Grundschule Niederraunau. Den kräftigsten und längsten Beifall ernteten die mit zwei Preisen ausgezeichneten Mundart-Akteure: Lehrerinnen und Kinder der Grundschule Niederraunau sowie die Heimatdichterin Liselotte Löw. Letztere sammelte ihr Material immer an der Stallwand während des Melkens.
Begeistert nahmen die Gäste den Vortrag des Schullieds durch die Klasse 3a auf. Das Lied mit seiner Ohrwurm-Melodie basiert auf einer witzigen Mundart-Aufzählung all dessen, was Kinder in der Schule lernen und leisten. Gedichtet hat es Silke Prautzsch. Gleich zwei Klassen, 4b und 3a, lobten singend die wachstumsfördernde Kraft des „Moiereagele“ und hielten einen Stock mit einem Geldsäckle gen Himmel.
Heimatdichterin Liselotte Löw wird mit einem Preis ausgezeichnet
„Blick über den Gartenzaun“ hieß das Sprechstück, aufgeführt von vier Lehrerinnen. Drei von ihnen unterhielten sich im Dialekt über das Gerücht, die Schule habe einen Preis gewonnen, eine Vierte, der Mundart nicht mächtig, blieb irritiert am Rande. Zwei Kostproben ihrer Kunst gab Mundart-Dichterin Liselotte Löw aus Ebermergen, einem Ortsteil von Harburg. Sie löste einige Heiterkeit aus, als sie unter dem Titel „Ondrhosa“ über die Größe und Beschaffenheit heutiger Dessous reflektierte und im Gedicht „Koi guadr Dag“ über einen Tag lamentierte, an dem mal wieder alles in die Hose ging.
Die Laudatio über die Grundschule Niederraunau, dem einen Preisträger, hielt Petra Seidel. Sie nannte diese Schule ein leuchtendes Beispiel dafür, wie der Spagat zwischen Mundart und Hochsprache bewältigt werden könne. Jedes Jahr organisiere die Schule Projektwochen, zu denen immer Aktionen rund um die Mundart gehörten: erzählen und singen im Dialekt, sammeln und vergleichen von Dialektwörtern, anlegen von speziellen Mundartwörterbüchern. Dialekt und Hochsprache gleichzeitig zu lernen, das sei für die Entwicklung sprachlicher Kompetenzen von Kindern sehr förderlich, erklärte Petra Seidel mit Bezug auf Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung.
Die Grundschule Niederraunau organisiert jedes Jahr Dialekt-Projektwochen
Die Laudatio für Mundartdichterin Liselotte Löw sprach ihre Schwiegertochter Doris Löw. Bereits als Kind habe sich Liselotte Löw für Lyrik begeistert. Die Freude daran, selbst zu dichten und das vor allem im Heimatdialekt, habe sie erst viel später gefunden. Aber wann hatte eine Bäuerin und Mutter von sechs Kindern Zeit zum Dichten? Auf dem Melkschemel im Stall sei Liselotte Löw mit dem Bleistift gesessen und habe ihre Einfälle während des Melkens an die Stallwand geschrieben. Gedichte für viele Anlässe seien so entstanden, Material schließlich für drei Lyrikbände und auch in überregionale Gedichtsammlungen seien Arbeiten von Liselotte Löw aufgenommen worden.
Hans Frey, Mitglied des Vorstands der Dr. Eugen Liedl Stiftung, sagt: "Die Mundart werde heute erfreulicherweise wieder geschätzt." Die Liedl-Stiftung habe schon sehr früh damit begonnen, Preise für die Pflege der Mundart zu vergeben - beispielsweise schon 2004 für den Sprachforscher Werner König. Landrat Hans Reichhart nannte in seinem Grußwort den Dialekt einen unverzichtbaren Teil von Heimat. In der Sprache der Heimat fänden viele Bürger Halt und Sicherheit. Schulamtsdirektor Thomas Schulze bezeichnete sich selbst als ein Beispiel für gelungene sprachliche Integration. Als er vor 31 Jahren von Sachsen nach Bayern gekommen sei, habe er Gesprächen im Dialekt überhaupt nicht folgen können. Das hat sich geändert, sagt Schulze: "Heute bin ich ein Befürworter der Mundart, durch welche die Sprache an Farbe, Humor und Vielfalt gewinnt."