Frau Dr. Seybold-Kellner, Sie sind nun Leiterin des Kompetenznetzes für Frauen- und Baby-Gesundheit, das erst diesen Monat gegründet wurde. Was sind die Aufgaben dieses neuen Netzwerkes und worin besteht Ihre Aufgabe als Leiterin?
Dr. med. Birgit Seybold-Kellner: Das Kompetenznetz für Frauen- und Babygesundheit im Landkreis Günzburg wurde gegründet, um bereits bestehende Kooperationen auszubauen. Das Ziel sind Strukturen, mit deren Hilfe anstehende Veränderungen (z.B. durch die Krankenhausstrukturreform), sinnvoll und effektiv gemeinsam umgesetzt werden können. Gemeinsam, das bedeutet zum Beispiel mit den niedergelassenen Kinderärzten und Frauenärztinnen sowie mit den freiberuflichen Hebammen im Landkreis, aber auch mit größeren Kliniken in der Region wie den Perinatalzentren der Uniklinik Augsburg und der Klinik Josefinum in Augsburg.
Meine Aufgabe ist es, die gynäkologisch-geburtshilfliche Versorgung im Landkreis mit ganz vielen Netzwerkpartnern zusammen langfristig mit zu organisieren. Konkret heißt das beispielsweise: sehr viele Gespräche führen, um die Versorgung der Patientinnen mit zu koordinieren. Viele Kontakte sind dabei aus der Medizin, aber auch außermedizinische Einrichtungen wie die „Frühen Hilfen“, also die Koordinierende Kinderschutzstelle für den Landkreis gehören zu unserem Kompetenznetz. Neben der bestmöglichen Versorgung in der Geburtshilfe geht es im Netzwerk etwa um die Versorgung und Betreuung von an Krebs erkrankten Frauen, die durch die enge Zusammenarbeit innerhalb der Klinik mit den anderen Abteilungen (zum Beispiel Onkologie, Chirurgie, Radiologie, Anästhesie) wohnortnah auf höchstem medizinischem Niveau behandelt werden können.
Wie geht es nun konkret weiter?
Dr. Seybold-Kellner: Seit dem 21. Dezember werden alle Geburten in Günzburg begleitet und alle gynäkologischen Notfälle im Landkreis am Standort Günzburg versorgt. Deshalb haben wir intensiv alle Fachkräfte über die anstehenden Veränderungen informiert (niedergelassene Kolleginnen und Kollegen, Rettungsdienste und so weiter) – und natürlich auch die Bevölkerung über Zeitungsberichte und Infoveranstaltungen. Wichtig ist, dass in Krumbach nach wie vor Sprechstunden mit OP-Planungen, Vor- und Nachsorgen für Schwangere/Wöchnerinnen und gynäkologische Patientinnen angeboten werden. Es gibt dort aber KEINE stationäre gynäkologische Medizin und KEINE Geburten mehr. In der klinischen Geburtshilfe ist neben einer angenehmen Atmosphäre während der Geburt die Sicherheit für Mütter und Ungeborene/Neugeborene das Wichtigste. Diese Sicherheit ist in nicht planbaren Notfällen immer am höchsten, wenn ein eingespieltes, personell gut besetztes Team rund um die Uhr vor Ort ist. Und das ist in Günzburg an 365 Tagen im Jahr der Fall.
Können Sie das Verlustgefühl nachvollziehen, dass durch die Schließung der Geburtshilfe in Krumbach zum Teil entstanden ist?
Dr. Seybold-Kellner: Ja klar, total. Als in meiner Heimat das nächstgelegene Krankenhaus in Waiblingen geschlossen wurde, in dem ich auf die Welt gekommen bin, hat sich das zunächst „falsch“ angefühlt. Es hat eine Weile gedauert, bis sich die neue Klinik „richtig“ angefühlt hat.
Konkret zu Krumbach: Ja, es ist schade. Aber die Entscheidung ist durch die Krankenhausstrukturreform mit den sich ändernden Bedingungen notwendig geworden. Das neu gegründete Hebammenzentrum Wunderzeit, das in den Räumen der Klinik Krumbach angesiedelt ist, und die fachärztliche Präsenz im MVZ Gynäkologie, ebenfalls in der Klinik Krumbach, durch meinen Chefarztkollegen Dr. Mayer und sein Team sind dabei Eckpfeiler einer wohnortnahen ambulanten Versorgung.
Was verbessert sich Ihrer Meinung nach?
Dr. Seybold-Kellner: Wir bündeln medizinische Kompetenz, erfüllen langfristig die Voraussetzungen, um Medizin vor Ort im Landkreis Günzburg anbieten zu können: Unter anderem liegen wir damit deutlich über den vorgegebenen Mindestmengen bei Brustkrebs und haben eine ausreichende Anzahl an festangestellten Fachärztinnen und Fachärzten.
Wir haben ein tolles Team mit genügend Hebammen, Ärztinnen und Ärzten. Das ermöglicht zum Beispiel eine echte Eins-zu-eins- Betreuung in der Geburtshilfe. Patientinnen, die geplant ambulant in Krumbach operiert werden, profitieren von einem optimalen ambulanten OP-Setting. Unsere Patientinnen können jeweils wohnortnah für Operationen vorbereitet und vom ihnen bekannten ärztlichen Team operiert werden.
Und was mir besonders am Herzen liegt: Wir sind ein großer Ausbildungsbetrieb: In unserer Abteilung bilden wir beispielsweise medizinische Fachangestellte, Hebammenstudentinnen, Pflegekräfte und viele Weiterbildungsassistenzärztinnen und -ärzte aus. Nur durch Ausbildung von Fachkräften ist die medizinische Versorgung auch in der ländlichen Region in Gegenwart und Zukunft gesichert.
Was wünschen Sie sich?
Dr. Seybold-Kellner: Zunächst einmal eine friedliche und frohe Weihnachtszeit und ein tolles Jahr 2025. Generell wünsche ich mir mehr Respekt und Wertschätzung füreinander. Egal ob für junge Eltern, die Schwerstarbeit mit chronischem Schlafmangel leisten, für Menschen mit Erkrankungen oder Einschränkungen, für die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen, für alle, die sich für unsere Gesellschaft engagieren.
Und sehr sentimental: Dankbarkeit dafür, an einem ziemlich tollen Fleckchen Erde leben zu dürfen und Humor auch in schwierigen Zeiten.
Zur Person
Dr. med. Birgit Seybold-Kellner wurde 1970 im Remstal (Baden-Württemberg) geboren. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder. Studium der Humanmedizin in Heidelberg, Mannheim und Tübingen, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe 2008, Weiterbildungsbefugte für Akupunktur der Bayerischen Landesärztekammer, seit 2016 Chefärztin für Geburtshilfe in Günzburg mit Dr. med. Volker Heilmann (Chefarzt für Gynäkologie). Hobbys: Lesen, musizieren, kochen, schlafen.