Die Studenten der Uni Augsburg dürfen sich glücklich schätzen. Während viele Menschen in Zeiten der Isolation sich selbst überlassen blieben, hat Sonja Eser nicht nur ihre Pflicht erfüllt und ihre Arbeitsstunden am heimischen PC abgesessen, sondern mit außergewöhnlichem Einsatz, innovativen Angeboten und viel Herzblut "ihren" Studenten aus oft schwierigen Situationen herausgeholfen. Für dieses weit über die Pflicht hinausgehende Engagement wurde sie vor Kurzem von Sabine Doering-Manteuffel, der Präsidentin der Universität Augsburg, geehrt. Der Festakt musste zwar, wie derzeit alle universitären Aktivitäten, unter Ausschluss der Öffentlichkeit im kleinsten Rahmen stattfinden, doch Sonja Esers Freude an der Anerkennung ihrer Arbeit konnte das nicht trüben.
Nach ihrem Studium der Philosophie, Psychologie und Kommunikationswissenschaften mit mehreren Auslandsaufenthalten führte Sonja Eser ihr wissenschaftlicher Weg an den Lehrstuhl für ZNL von Manfred Spitzer nach Ulm, wo sie zu kognitiv-neurowissenschaftlichen Lernprozessen forschte. An der Bundeswehruniversität in Neubiberg beschäftigte sie sich mit der Kombination Lernen und Medien und begleitete Studierende durch diesen Bereich der Pädagogik. Da Sonja Eser inzwischen eine Familie gegründet hatte, entschloss sie sich, eine erfüllende Aufgabe zu suchen, die näher an ihren Wohnort Neuburg liegt. An der Uni Augsburg fand sie die passgenaue Stelle. Dort gehört sie seit 2010 zum wissenschaftsstützenden Personal. Ihre Schwerpunkte sind die Studienberatung und die Lernberatung.
Studenten und Studentinnen sind viel jünger als früher
Dies sei, meint die Psychologin, durch die veränderten Bedingungen an den Universitäten notwendiger als früher. Die Anfänger seien deutlich jünger, bei Studienantritt teils noch nicht volljährig, und manchem fehle es deshalb auch an Selbständigkeit. Das verschulte System sei zwar einerseits kompliziert, andererseits nehme es den Studierenden auch die einst typische studentische Freiheit. Was bereits vor der Pandemie für einen Teil der Studierenden problematisch war, hat die lange Zeit des Lockdowns massiv verschärft. Seit März 2020 ist auch Sonja Eser im Homeoffice, nur noch per E-Mail oder Telefon erreichbar. "Besonders für die Erstsemester konnte die Isolation ein Schock sein. Da sind viele nach Augsburg, in eine ihnen völlig fremde Stadt gezogen, und dann saßen sie in ihren Zimmern ohne die Chance, Kommilitonen kennenzulernen. Das war in vielen Gesprächen, die ich geführt habe, ein großes Problem für die jungen Leute. Es fehlt die Inspiration durch die Mitstudenten, man hat keine Ahnung, wo man sich in seinem Lernfortschritt befindet, ob man sein Studium überhaupt richtig angepackt hat, weil es weder Vergleich noch Austausch gibt."
Sonja Eser wurde regelrecht überrannt von hilfesuchenden Studenten, viele von ihnen verloren durch die Isolation ihre Tagesstruktur, ihren Arbeits- und Freizeitrhythmus. Da stand das Telefon von Sonja Eser nicht mehr still, und die E-Mails kamen im Minutentakt. "Um eine effektive Beratung zu machen, brauche ich Zeit, mehr als acht bis zehn Gespräche pro Tag waren nicht möglich. Gleichzeitig habe ich aber auch gemerkt, dass es grundsätzliche Probleme gibt, die immer wiederkehren und keine individuelle Beratung benötigen. Deshalb habe ich nach Lösungen gesucht, wie ich meine Arbeit effizienter gestalten kann. Ich habe dann in meiner Freizeit Videos gedreht, die diese Themen bearbeitet haben. Die konnten sich die Hilfesuchenden auf der uni-internen Plattform ansehen und so schon erste Antworten auf ihre Fragen erhalten", berichtet sie.
Filme als Vorinfo zum Beratungsgespräch für Studierende der Uni Augsburg
Allerdings, gesteht Sonja Eser, sei sie in Sachen Filmaufnahmen ein blutiger Laie, und so musste auch sie anfangs Lehrgeld bezahlen. "Das war zuerst sehr schwierig. Ich musste ja nicht nur das Technische richtig machen, sondern auch meine ansonsten individuellen Beratungen oder öffentlichen Vorträge auf ein videotaugliches Maß komprimieren. Aber mit jeder Aufnahme habe ich dazugelernt." Zunächst sollten die Videos vor allem als Vorinfo zu einem beratenden Gespräch dienen, doch nicht selten konnte damit bereits das Problem selbst gelöst werden. Andererseits hat Sonja Eser auch gemerkt, dass die Videos andere Studierende erst dazu angeregt haben, zu ihr Kontakt aufzunehmen. Um nicht überrannt zu werden und die Hilfesuchenden zu sehr an die Hand zu nehmen, hat sie Prinzipien eingeführt, etwa einen mehrwöchigen Mindestabstand zwischen zwei Kontakten und To-do- und Aufgabenlisten, mit denen Studierende, die Struktur brauchen, ihr Studentenleben organisieren können.
Das innovative Filmkonzept, das Sonja Eser entwickelt und realisiert hatte, war ein so großer Erfolg, dass sie das gesamte Team der Studien- und Lernberatung begeistern konnte. In ihm arbeiten Fachleute der unterschiedlichsten Richtungen zusammen. So wurden typische Probleme der Studenten im Lockdown analysiert und in Fachvideos aufgearbeitet. Doch die doppelte Belastung war auf Dauer nicht durchzuhalten. Ihr Chef, verrät sie, habe sie gedrängt, nicht über Monate hinweg ihre Freizeit für die Filmaufnahmen zu nutzen, sondern stattdessen einen Teil der Telefonberatung zurückzufahren, um sich nicht zu überlasten. Sie ist dem Rat des Vorgesetzten gefolgt, aber sie freut sich noch immer über die vielen positiven Rückmeldungen und die Dankbarkeit der Studenten. Nun hat auch die Uni selbst gehandelt und Sonja Eser mit einer Urkunde und einem Geschenk für ihre Leistungen geehrt.