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Nattenhausen: Wer "runterkommen" will, sollte auf den Kreuzberg in Nattenhausen raufkommen

Nattenhausen

Wer "runterkommen" will, sollte auf den Kreuzberg in Nattenhausen raufkommen

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    Egal ob Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter - zu jeder Jahreszeit schön: der Kreuzberg in Nattenhausen mit seiner Kapelle und den 14 Kreuzwegstationen.
    Egal ob Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter - zu jeder Jahreszeit schön: der Kreuzberg in Nattenhausen mit seiner Kapelle und den 14 Kreuzwegstationen. Foto: Alois Thoma

    Etwas über 200 Meter lang ist der mit 50 Stufen besetzte und teils gepflasterte Fußweg, der unweit der Pfarrkirche von der Unterdorferstraße hinauf zum Kreuzberg führt. Doch der Anstieg lohnt sich. Oben angekommen, erwartet einen eine kleine schlichte Kapelle. In einem kleinen Wäldchen, beschützt und beschattet von zum Teil mächtigen Buchen, steht sie auf einem kleinen Plateau auf dem ehemaligen „Schlossberg“, umrundet von einem circa drei Meter tiefen Wallgraben, der noch gut zur Hälfte erhalten ist. Kapelle und Kreuzwegstationen, sowie die Bewaldung um sie herum, sind zu jeder Jahreszeit ein besonderer Anblick. Und sie laden ein zum Verweilen, egal, ob man allein ist oder in Gemeinschaft. Wer vom Alltagsstress herunterkommen will, der muss hier heraufkommen. Die Inschrift einer kleinen Holztafel in der Kapelle könnte es nicht treffender sagen: „Versuch es, hier zu rasten, wenn dir der Mut entschwand. In diesem Pilgerschatten schon mancher Ruhe fand“.

    Ein Bild aus dem Jahr 1960: Zum  Gottesdienst anlässlich des  Volkstrauertages versammelte sich Jung und Alt auf dem Kreuzberg vor der Kapelle. In der Bildmitte das Soldatengrab mit einem Kreuz, gefertigt aus Birkenholz. Rechts im Bild ist Autor Alois Thoma zu sehen.
    Ein Bild aus dem Jahr 1960: Zum Gottesdienst anlässlich des Volkstrauertages versammelte sich Jung und Alt auf dem Kreuzberg vor der Kapelle. In der Bildmitte das Soldatengrab mit einem Kreuz, gefertigt aus Birkenholz. Rechts im Bild ist Autor Alois Thoma zu sehen. Foto: Archiv Alois Thoma

    Ein paar Mal im Jahr wurde und wird auf dem Kreuzberg ein Gottesdienst (zum Beispiel am Volkstrauertag) gefeiert. Die Gläubigen versammeln sich dabei um ein schlichtes Soldatengrab, das in der Mitte des Kleinods platziert wurde. Die offene Kapelle selbst ist schlicht gehalten, besteht aus einem Altarraum mit einem sandfarbenen Relief aus Terracotta über dem Altartisch, das der Günzburger Bildhauer Josef Brenner geschaffen hat und das einen von einem Engel am Arm geführten jungen Soldaten zeigt, der zum Gekreuzigten aufblickt. Mit „Arme Seelen“ ist dieses 1925 geschaffene Relief betitelt, für das der Bildhauer 85,11 Mark erhalten hat. Im Raum vor dem Altar sind lediglich seitlich zwei Holzbänke angebracht. Aber scheinbar gerade wegen ihrer Schlichtheit ist die Kreuzbergkapelle etwas Besonderes.

    41 Namen von gefallenen Soldaten aus Nattenhausen

    In den Wochen vor Ostern bietet sich der Kreuzberg besonders zum Beten des Kreuzweges an. Rund um den Wall und auf den letzten Metern des Fußweges zur Kapelle sind nämlich 14 rund zweieinhalb Meter hohe aus Granit geformte Kreuzwegstationen platziert. Im oberen Teil der Stationen ist der Leidensweg Christi in Mosaiktechnik dargestellt. Weiter unten finden sich insgesamt 41 Namen von Nattenhauser Bürgern jeglichen Alters. Es sind die Namen von vorwiegend jungen Soldaten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, die in den ersten beziehungsweise zweiten Weltkrieg eingezogen wurden und ihre Heimat nie mehr sahen. Sie sind vermisst oder gefallen. Der Jüngste (Anton Schlecht) gerade mal 19 Jahre alt, der Älteste (Obergefreiter Michael Wank), 40 Jahre alt, beide „vermisst 1945 im Osten“.

    Eine Kreuzwegstation am Kreuzberg in Nattenhausen.
    Eine Kreuzwegstation am Kreuzberg in Nattenhausen. Foto: Alois Thoma

    Dass auf dem ehemaligen Schlossberg, wo der Überlieferung nach einst die „Ritter von Nattenhausen“ ihre Burg hatten, ein Kreuzweg eingerichtet wurde, ist hauptsächlich dem Betreiben des damaliges Pfarrers Josef Holzbauer zu verdanken. Mit tatkräftiger Unterstützung der Nattenhauser Bürger konnte der - wie es in der Chronik steht - „Ehrenfriedhof für die in den beiden Weltkriegen gefallenen und vermissten Soldaten“, vollendet und am 1. August 1920 eingeweiht werden. An diesem Tag wurde auch der Grundstein für die Kapelle gelegt, deren Bau sich allerdings fünf Jahre hinzog, ehe sie 1925 eingeweiht werden konnte. Bereits im Vorfeld der Baumaßnahmen wurde im Jahr 1918 eine Spendenaktion gestartet und so versucht, eine finanzielle Grundlage für die zu erwartenden Baukosten zu schaffen. Eine noch existierende Spenderliste weist rund 250 Geldgeber auf, die mit mehr oder weniger großen Beträgen für eine Gesamtsumme von fast 14.000 Mark gesorgt haben.

    Auf dem Platz  vor der Kapelle ist ein schlichtes Soldatengrab platziert. Das Kreuz bestand einst aus Birkenholz, wurde später dann von einem Eisenkreuz, handgeschmiedet von Wilhelm Schmid, ersetzt.
    Auf dem Platz vor der Kapelle ist ein schlichtes Soldatengrab platziert. Das Kreuz bestand einst aus Birkenholz, wurde später dann von einem Eisenkreuz, handgeschmiedet von Wilhelm Schmid, ersetzt. Foto: Alois Thoma

    Überaus lobend wurde die Maßnahme übrigens einst vom Landbauamt Memmingen bewertet. „Die Auswahl des Platzes, die Anpassung und Einfügung des projektierten Kapellenbaues auf die mit Busch- und Baumwerk schön bewachsene Hügelkuppe, im Besonderen die Stellung der Kriegergedächtnis-Kapelle an den Rand der Kuppe und den Hügelhang, die zu einem gefälligen Unterbau Anlass gibt, in Verbindung mit der vorhandenen natürlichen Bewachsung, ist mit gutem Blick und Geschick getroffen“, heißt es in einem Schreiben der Behörde vom 21. November 1920.

    Der Nattenhauser Kreuzbergverein wurde 1921 gegründet

    Um sicherzustellen, dass die neu geschaffene Anlage auf Jahre hinaus in guten Händen ist, erfolgte im Jahr 1921 der nächste entscheidende Schritt: die Gründung des Kreuzbergvereins. 18 Personen traten bei der Gründungsversammlung am 6. März im Gemeindezimmer dem Verein bei. In der Satzung wurde unter anderem festgeschrieben: „Zweck des Vereins ist der Unterhalt des Kreuzberges als Ehrenfriedhof für die in den Kriegen gefallenen und vermissten Soldaten des Ortes Nattenhausen. Die Mittel zu diesem Zweck werden aufgebracht durch freiwillige Geschenke und jährliche Mitgliedsbeiträge von mindestens einer Mark.“

    Die Vorstände des Kreuzbergvereins seit 100 Jahren

    1921 – 1942 Pfarrer und Dekan Josef Holzbauer

    1942 – 1953 keine Aktivitäten wegen des 2. Weltkrieges

    1953 – 1957 Pfarrer Eduard Egger

    1957 – 1964 Pfarrer Fritz Schropp

    1964 – 1972 Schmiedemeister Michael Dir

    1972 – 1984 Werner Reim

    1984 – 2018 Anton Konrad

    2018 bis heute Richard Müller

    Der Blick in die Chronik zeigt, dass die bei der Gründung aufgetragene Verpflichtung zum Unterhalt bis zum heutigen Tag sehr ernst genommen wurde. Neben den jährlichen Säuberungsaktionen wurden auch größere Maßnahmen verwirklicht, wie zum Beispiel die Generalsanierung von Kapelle und Stationen zum 50-jährigen Jubiläum im Jahr 1961. Dabei wurden auch die Terrakottatafeln des Kreuzweges Christi durch moderne Mosaike ersetzt, was nicht bei jedem Nattenhauser Bürger auf Zustimmung gestoßen ist. Die Dachstuhlerneuerung (1974) und Innen-und Außenanstrich der Kapelle (2005), die grundlegende Erneuerung und teilweise Bepflasterung des Weges zum Kreuzberg (2003) und die Sockelerneuerung mehrerer Stationen (2021) waren weitere größere Maßnahmen. Beispiele, die zeigen, dass durch die Aktivitäten des heute 94 Mitglieder zählenden Kreuzbergvereins, der das wegen Corona ausgefallene 100-jährige Jubiläum eventuell zu einem späteren Zeitpunkt nachholen will, der Erhalt dieses ebenso besinnlichen wie idyllischen Fleckchens Erde gewährleistet ist. Und so bietet sich der besinnliche Ort sicherlich auch in den kommenden Jahren an zum „Heraufkommen, um herunterzukommen!“

    Ein über drei Meter tiefer Wallgraben ist auf dem Nattenhauser Kreuzberg  noch zu gut der Hälfte erhalten.
    Ein über drei Meter tiefer Wallgraben ist auf dem Nattenhauser Kreuzberg noch zu gut der Hälfte erhalten. Foto: Alois Thoma
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