Monsignore Erwin Reichart blickt auf die Wetter-App seines Handys. "Ah, das Wetter wird sicherlich sonnig an Mariä Himmelfahrt", freut sich der Vesperbilder Wallfahrtsdirektor. Aber der Besuch, der am Himmelfahrtstag im bekannten Wallfahrtsort erwartet wird, steht in einer gewissen Weise auch unter stürmischen Vorzeichen. Bekanntlich ist das Verhältnis zwischen Georg Gänswein, langjähriger Privatsekretär von Papst Benedikt XVI., und Papst Franziskus angespannt. Nach der Veröffentlichung seines Buches "Nichts als die Wahrheit", in dem Gänswein Einblicke in das Innenleben des Vatikans gibt, wurde Gänswein von Franziskus aus Rom in seine Heimat Freiburg versetzt. Reichart ist gleichermaßen davon überzeugt, dass all diese Hintergründe beim Gottesdienst mit dem Titularerzbischof am Himmelfahrtstag, 15. August, keine Rolle spielen werden.
Gänswein und Vesperbild? Diese Verbindung reicht weit zurück. Es ist auch ein besonderer Draht zwischen Gänswein und Wilhelm Imkamp, der von 1988 bis 2017 Wallfahrtsdirektor in Maria Vesperbild war. Beide studierten in den 1970er-Jahren an der Päpstlichen Universität Gregoriana. So entwickelte sich über Jahrzehnte hinweg eine Freundschaft, die Gänswein immer wieder auch nach Vesperbild geführt hat. Gänswein war eine Zeit lang "mindestens einmal im Jahr hier, hat hier Exerzitien und Ferien gemacht, hat hier ausgespannt, auch Aushilfen übernommen", hat Imkamp vor einiger Zeit in einem Interview mit unserer Zeitung berichtet. 2014 zelebrierte er an Mariä Himmelfahrt das Pontifikalamt.
Zum aktuellen Wallfahrtsdirektor Reichart (seit 2018 im Amt) gibt es diese persönliche Verbindung nicht. Aber Reichart schätzt den 67-jährigen Gänswein als Persönlichkeit und Theologen gleichermaßen und lud ihn, wie er sich erinnert, bereits vor rund vier Jahren ein, an einem Himmelfahrtstag wieder nach Vesperbild zu kommen. Vor etwa zwei Jahren habe er dann die Zusage erhalten. Damals habe man nicht ahnen können, dass sich die Dinge kirchenpolitisch zuspitzen könnten.
Hat Gänswein angesichts der medialen Turbulenzen um sein Buch und sein Verhältnis zu Papst Franziskus gar eine Absage seines Besuches in Vesperbild erwogen? Das sei für Gänswein nie ein Thema gewesen, erklärt Reichart. Aber natürlich habe er die jüngsten Entwicklungen schon mit einer gewissen Sorge verfolgt. Zwischenzeitlich sei ja auch eine Versetzung Gänsweins nach Costa Rica im Gespräch gewesen. Umso mehr freut sich der Wallfahrtsdirektor jetzt auf den besonderen Besuch.
Monsignore Reichart wird bald 70 Jahre alt
Mit Blick auf diesen Besuch hält sich in Maria Vesperbild und Umgebung ein Gerücht mit einer bemerkenswerten Hartnäckigkeit. Ist es gar denkbar, dass Gänswein, der sich aktuell in seiner Heimat Freiburg ohne konkrete kirchliche Aufgabe aufhält, als Nachfolger Reicharts Wallfahrsdirektor in Maria Vesperbild wird? Reichhart schmunzelt bei dieser Frage, bestätigt dann, dass er selbst wiederholt "ganz stark" auf dieses Thema angesprochen worden sei.
Reichart (geboren am 28. Januar 1954, in Kleinweiler bei Isny im Allgäu aufgewachsen) wird bald 70 Jahre alt. Es gebe keinen konkreten Entschluss, aber natürlich denke man dann auch über das Aufhören nach. Gänswein als Nachfolger? Er habe mit Gänswein nicht darüber gesprochen, er gehe aber davon aus, dass dies wohl kein Thema für Gänswein sei.
Reichart rechnet damit, dass dieser Aspekt ebenso wie das schwierige Verhältnis zwischen Gänswein und dem Papst beim Besuch in Vesperbild keine Rolle spielt. Im Vordergrund stehe der Glaube, die Marienverehrung, Gänswein solle in Vesperbild einige erholsame Stunden erleben. Der Titularerzbischof habe ihm gegenüber telefonisch angekündigt, dass er zu seinem Verhältnis zu Papst Franziskus keine Interviews geben und dazu keine Fragen beantworten möchte. "Im Grunde ist da ja auch alles längst gesagt", betont Reichart.
Gänswein ist am 30. Juli 1956 in Riedern am Wald im Südschwarzwald geboren. Er ist der älteste Sohn von Albert und Gertrud Gänswein. Er hat zwei jüngere Brüder und zwei jüngere Schwestern. Sein Vater war unter anderem Landmaschinenhändler, seine Mutter Hausfrau. Bekanntlich wurde er immer wieder als "schönster Mann der katholischen Kirche" oder als "George Clooney des Vatikans" bezeichnet. In einem Interview mit unserer Zeitung sagte Gänswein 2014 dazu, dass ihn solche Vergleiche bisweilen nerven würden, ihm im Grunde aber auch gleichgültig seien. In den Medien wurde sein Aussehen über viele Jahre hinweg mehr thematisiert als seine theologischen Positionen, die viele als konservativ bezeichnen würden.
Gleichermaßen gilt Gänswein auch nicht als Mann, der Prunk und Ähnliches sucht und braucht. "Wir haben ihm angeboten, dass ihn ein Chauffeur nach Vesperbild bringt", erklärt der Wallfahrtsdirektor. Aber Gänswein werde selbst vom Schwarzwald nach Mittelschwaben fahren, womöglich wieder mit einem Kleinwagen wie 2014. Er komme wohl am Montag, 14. August, und werde am Mittwoch, 16. August, wieder abreisen. Im Rahmen seines Besuches in Maria Vesperbild wird er an Mariä Himmelfahrt, Dienstag, 15. August, vor oder im Pilgerhaus zwischen 16 und 17 Uhr sein Buch "gerne ganz persönlich mit einer Widmung" versehen. Um 19 Uhr beginnt das Pontifikalamt an der Mariengrotte, ihm folgt die traditionelle Lichterprozession.
Die Kirche in Maria Vesperbild wurde grundlegend renoviert
Gänswein wird sich sicherlich auch ein Bild von der grundlegend renovierten Maria Vesperbilder Wallfahrtskirche machen. Reichart freut sich, dass die Renovierung bis auf Teile der Elektrik weitgehend abgeschlossen ist. Mit Blick darauf hat Reichart in monatelanger Arbeit einen neuen 72-seitigen Kirchenführer verfasst, der im Kunstverlag Josef Fink erschienen ist. "In der Corona-Zeit konnte ich mich intensiv diesem Thema widmen", sagt Monsignore Reichart. Im Kirchenführer kann man auch einiges über die Besuche bekannter katholischer Geistlicher in Vesperbild und die vielen tausend Menschen, die kamen, nachlesen. So könnte es auch am kommenden Dienstag sein. Zudem hatte Vesperbild mit dem Wetter an diesem Tag fast immer Glück. Der Blick auf die Wetter-App lässt den Wallfahrtsdirektor auch diesmal lächeln.