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Langenhaslach: Historische Sorten: Wie 51 neue, alte Apfel- und Birnenbäume entstehen

Langenhaslach

Historische Sorten: Wie 51 neue, alte Apfel- und Birnenbäume entstehen

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    In der Garage von Harald Behr (von links) setzen Bobo Veh, Benedikt Knaier und Marlies Hildebrand Reiser von alten Obstsorten auf Sämlinge. 51 Obstbäume sollen dabei entstehen für den Streuobst-Erhaltungsgarten, den der Verein Streuobstwiesen-Verbund anlegen möchte.
    In der Garage von Harald Behr (von links) setzen Bobo Veh, Benedikt Knaier und Marlies Hildebrand Reiser von alten Obstsorten auf Sämlinge. 51 Obstbäume sollen dabei entstehen für den Streuobst-Erhaltungsgarten, den der Verein Streuobstwiesen-Verbund anlegen möchte. Foto: Heinrich Lindenmayr

    Es ist eine ungewöhnliche Aktion. 51 Obstbäume aus alten Sorten sollen entstehen. Eine Garage dient dafür gleichsam als Operationssaal. Manches, was bei dieser Veredelungsaktion, organisiert vom Streuobstwiesen-Verbund, auf dem Tisch in der Garage von Harald und Marina Behr in Langenhaslach liegt, verweist auf das Thema Operation. Da gibt es extrem scharfe Messer, Desinfektionsmittel, Heftpflaster und Material zum Abdichten von Schnittstellen. Viren und Bakterien seien zu bekämpfen, sagt Marlies Hildebrand, damit die neuen Geschöpfe möglichst gute Chancen zum Überleben und gesunden Heranwachsen haben.

    Hygienisch sauber: Steckling wird auf Sämling gesetzt

    Die Werkzeuge und die Pflanzen werden erst einmal gründlich gereinigt und desinfiziert. Die drei Akteure, Marlies Hildebrand, Bobo Veh und Benedikt Knaier, bringen viel Erfahrung hinsichtlich der Veredelung von Obstbäumen mit. Vor ihnen auf dem Tisch liegen 54 Reiser von 14 Apfel- und vier Birnbäumen, sorgsam etikettiert, und mehrere Bündel von Sämlingen. Bei der Veredelungsaktion wird auf den Sämling, das heißt auf eine sortenreine Jungpflanze, der abgeschnittene Zweig von einem Obstbaum gesetzt. Der Reiser wie der Sämling werden schräg angeschnitten und passgenau aufeinander gefügt. 

    Anschließend wird die Schnittstelle stabilisiert und luftdicht verschlossen. Benedikt Knaier erklärt, worauf es ankommt. Direkt unter der Rinde befinde sich eine dünne, zellbildende Schicht. Gelinge es, an der Schnittstelle diese Schicht von Sämling und Reiser in Kontakt zu bringen, wachse beides zusammen. Nach der Veredelung setzt Marina Behr die künftigen Bäume in Töpfe. Sie können nun im Schutzraum heranwachsen, werden fachgerecht geschnitten, um im kommenden Jahr im Freiland ausgesetzt zu werden.

    Veredeln von Obstbäumen hat lange Tradition

    Das Veredeln von Obstbäumen hat eine lange Tradition, gewinnt aber in einer Zeit des Artensterbens eine neue Bedeutung. Von einer erstaunlichen genetischen Vielfalt insbesondere bei den Apfelsorten sprechen die Fachleute, von einem wertvollen Kulturschatz, den es unbedingt zu erhalten gelte. Mittlerweile gibt es an vielen Orten Initiativen, alte und seltene Obstsorten in sogenannten Erhaltungsgärten für künftige Generationen zu konservieren. Einen Streuobst-Erhaltungsgarten anzulegen, das zählt auch zu den Zielen des im letzten Jahr gegründeten Vereins "Streuobstwiesen-Verbund". Vereinsvorsitzender Harald Behr hat die Fühler schon ausgestreckt nach geeigneten Partnern. Münsterhausens Bürgermeister Erwin Haider hat Interesse bekundet, dass ein Erhaltungsgarten in seiner Gemeinde entstehen könne und auch die Untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt Günzburg kann es sich vorstellen, Flächen dafür zur Verfügung zu stellen. 

    Auf der Suche nach alten, seltenen Apfel- und Birnensorten

    Die Idee für den Streuobst-Erhaltungsgarten entstand beim Streuobstwiesen-Verbund im Kontakt mit Benedikt Knaier. Er pflegt seit 2020 eine ungewöhnliche und fruchtbringende Leidenschaft. In seiner Freizeit ist er mit dem Rad unterwegs auf der Suche nach alten, seltenen Apfel- und Birnensorten. Oft wird er fündig, unterhält sich mit den Besitzern der Bäume, die zumeist gar nicht wissen, was für einen Schatz sie da im Garten haben. Benedikt Knaier nimmt eine erste Analyse vor, prüft den Geschmack, fragt nach der Haltbarkeit und Verwendungsmöglichkeiten. Hat er 30 Äpfel beisammen, deren Sorte er nicht bestimmen kann, gibt er sie in einen Karton und schickt sie einem Pomologen, einem Apfelkundler. Er stellt fest, dass die Vielfalt an Apfelsorten in unserer Heimat so groß ist, dass oft selbst Fachleute sich überfordert sehen. Benedikt Knaier möchte, dass die alten Apfelsorten eine Zukunft haben. In Zusammenarbeit mit dem Streuobstwiesen-Verbund sind nun die Weichen dafür gestellt. Vorstellbar ist es für den Vereinsvorsitzenden Harald Behr, Besitzern von alten und seltenen Apfelbäumen eine Perspektive zu geben. 

    Sind die Tage des Baums gezählt und ist ein Ersatz auf dem Markt nicht zu beschaffen, könnte eine Veredelung die Lösung des Problems sein. Zudem könnte so ein Baum einen Platz im Erhaltungsgarten finden. Der Streuobstwiesen-Verbund organisiert auch Kurse zum Thema Obstbaum. Der Veredelungskurs in diesem Frühjahr ist ausgebucht. Freie Plätze gibt es noch für den Baumschneidekurs am 23. März. Information und Anmeldung im Internet unter www.streuobstwiesen-verbund.de.

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