Der Kreis Günzburg kommt in die Jahre – und ist auf das Wohnen der älteren Menschen nicht vorbereitet: Die Baby-Boomer gehen bis 2035 komplett in Rente. Dann werden im Landkreis rund 6500 Menschen mehr im Ruhestand sein als heute – insgesamt nämlich rund 31.600. Das geht aus einer Regional-Untersuchung zum Senioren-Wohnen hervor, die das Pestel-Institut gemacht hat.
Die Wissenschaftler warnen dabei: „Der Wohnungsmarkt im Kreis Günzburg ist mit der neuen Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge komplett überfordert. Es fehlen Seniorenwohnungen“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Schon jetzt gebe es einen massiven Mangel an altersgerechten Wohnungen. „Das wird sich in den nächsten Jahren allerdings noch enorm verschlimmern. Oder anders gesagt: Der Kreis Günzburg rast mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu.“
Wachsende Seniorenbevölkerung im Kreis Günzburg: Bedarf an angepasstem Wohnraum.
Der Leiter des Instituts nennt dazu konkrete Zahlen: So gibt es aktuell rund 55.900 Haushalte im Landkreis. In 34 Prozent davon leben Senioren. „Bereits heute braucht der Kreis Günzburg rund 4300 Wohnungen für die älteren Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Doch diese Seniorenwohnungen gibt der Wohnungsmarkt im Kreis Günzburg bei weitem nicht her“, sagt Matthias Günther. Und für 2045 ermittelt die Untersuchung bei den benötigten Seniorenwohnungen sogar einen deutlichen Anstieg: So wird der Landkreis in 20 Jahren für rund 6700 Seniorenhaushalte Wohnungen brauchen, die zum Leben im Alter passen.
Neben dem Neubau sei deshalb vor allem eine Sanierungsoffensive notwendig, um für mehr seniorengerechte Wohnungen im Kreis Günzburg zu sorgen. „Doch die ist bislang nicht in Sicht: Das Fatale ist, dass wir dazu politisch nur eine Vogel-Strauß-Taktik erleben. Statt mit einem effektiven Programm fürs Senioren-Wohnen das Problem anzupacken, hat vor allem der Bund den Kopf in den Sand gesteckt und die graue Wohnungsnot seit Jahren ignoriert“, sagt Günther.
Sanierungsoffensive für Wohnen im Landkreis Günzburg gefordert
Das müsse sich jetzt dringend ändern, fordert Katharina Metzger. Sie ist Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Regional-Untersuchung in Auftrag gegeben hat. An die Adresse der Bundestagsabgeordneten von CSU und SPD aus Bayern richtet Katharina Metzger einen eindringlichen Appell: „Das Wohnen muss bei den Koalitionsverhandlungen ein absoluter Schwerpunkt sein. Der Wohnungsbau braucht einen gewaltigen Schub. Es ist wichtig, dass die CSU und die SPD im Kreis Günzburg dieses ‚SOS-Notsignal fürs Wohnen‘ deutlich nach Berlin funken.“
Eine künftige schwarz-rote Bundesregierung müsse den Wohnungsbau als Motor für die Binnenkonjunktur entdecken und nutzen: „Es geht um mehr Seniorenwohnungen, die durch Neubau und Sanierung entstehen müssen – auch im Kreis Günzburg. Außerdem um mehr bezahlbare Wohnungen und um mehr Sozialwohnungen“, so die Präsidentin des Baustoff-Fachhandels. Gemeinsam mit den Wissenschaftlern vom Pestel-Institut warnt der Baustoff-Fachhandel die künftige Bundesregierung davor, beim Wohnungsbau die politische „Weiter-so-Taste“ zu drücken: „Wenn sich die Wohnungsbau-Krise weiter zuspitzt, wird das auch im Kreis Günzburg einen erheblichen Verlust von Arbeitsplätzen auf dem Bau bedeuten. Dabei geht es um die Jobs von Bauarbeitern, die dringend gebraucht werden – für den Neubau und für das Sanieren von Wohnungen“, sagt Matthias Günther. Der Chef-Ökonom des Pestel-Instituts hat bei einer Sanierungsoffensive für mehr altengerechte Wohnungen vor allem auch die rund 13.500 Haushalte im Landkreis im Blick, wo Senioren in den eigenen vier Wänden wohnen. Sie müssten einen Anreiz erhalten, ihr eigenes Zuhause seniorengerecht umzubauen. Das Wichtigste seien große Bäder mit einer Dusche ohne Schwellen und Stufen.
Kaltmiete im Kreis Günzburg liegt derzeit im Schnitt bei 6,50 Euro
Die Untersuchung nimmt auch das Mieter-Portemonnaie der Senioren ins Visier: So liegt die durchschnittliche Kaltmiete im Landkreis Günzburg aktuell bei rund 6,50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. 68 Prozent der Seniorenhaushalte, die zur Miete wohnen, leben sogar günstiger: Rund 2700 Haushalte im Landkreis, in denen Ältere leben, zahlen nach Angaben des Pestel-Instituts derzeit weniger als die Durchschnittsmiete. „Noch jedenfalls“, sagt Ökonom Matthias Günther. „Eine Wohnung altersgerecht zu machen, kostet Geld und schraubt die Miete nach oben. Aber eine höhere Miete können sich viele Ältere einfach nicht leisten. Und erst recht nicht die Kosten für eine seniorengerechte Sanierung ihrer Wohnung.“ Dabei sei es für die öffentlichen Kassen in der Regel sogar deutlich günstiger, altersgerechten Wohnraum zu schaffen: „Andernfalls sind Ältere nämlich gezwungen, ins Heim zu gehen. Und die Kosten für einen Heimplatz stehen auf Dauer in keinem Verhältnis zu dem, was der Staat investieren müsste, um eine altersgerechte Wohnung zu schaffen“, so Günther. (AZ)
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