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Landkreis Günzburg: So bewertet der Günzburger Dekan Bucher die Lage der Kirche

Landkreis Günzburg

So bewertet der Günzburger Dekan Bucher die Lage der Kirche

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    Im vergangenen Herbst trafen sich Klaus Bucher, der  Dekan für den Landkreis Günzburg und der emeritierte Papst Benedikt. Dessen kürzlich erschienener Brief bewegte den Dekan.
    Im vergangenen Herbst trafen sich Klaus Bucher, der Dekan für den Landkreis Günzburg und der emeritierte Papst Benedikt. Dessen kürzlich erschienener Brief bewegte den Dekan. Foto: Sammlung Klaus Bucher

    Wie würden Sie die aktuelle Lage der katholischen Kirche beschreiben?
    KLAUS BUCHER: Im Neuen Testament beeindruckt mich vor allem der Apostel Petrus. Von Petrus stammt das großartigste Glaubensbekenntnis und Petrus verrät Jesus. […] Der Petrus gehört wohl zur „DNA“ der ganzen Kirche; immerhin war er der erste Papst. Die 2000 Jahre Kirchengeschichte ist wohl auch eine „Petrusgeschichte“. Immer gab es das Starke, Helle und immer auch das Dunkle, ja das Dreckige. Das hat sich auch in den 25 Jahren, in denen ich jetzt Priester bin, nicht geändert. Ich erlebe viel Licht, viel Begeisterung und viel Herzblut für Gott; und gerade die letzte Zeit holt auch das Dreckige ins Licht.

    Immer mehr Gläubige treten auch im Landkreis Günzburg aus. Gibt es Vorschläge, wie dieser Trend durchbrochen werden kann?
    KLAUS BUCHER: Beim monatlichen Treffen der Geistlichen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge haben wir in dieser Woche natürlich auch über die aktuellen Entwicklungen gesprochen. Niemand von uns lässt die aktuelle Situation kalt. Alle setzen sich in den Pfarreien ein und erleben gerade, wie viel Arbeit und Mühe schwer oder sogar kaputt gemacht wird. Beim Austausch darüber, was uns selber gerade Halt und Kraft gibt, waren wir uns aber einig, dass die Kirche eben nicht nur eine Organisation ist, sondern zuerst die Gemeinschaft, die auf Jesus Christus schaut und sich von ihm führen lässt. Was der Herr mit der Kirche in Deutschland vorhat, wird er ihr zeigen. […]

    Wie war ihre erste Reaktion auf das Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising?
    KLAUS BUCHER: Bei mir ist es eine seltsame Mischung von Wut, Scham und Trauer. Diese Zeit lässt wohl keinen Katholiken kalt, der sich ein wenig mit der Kirche identifiziert. Zwar ist es immer schwierig, aus heutiger Position über Menschen zu urteilen, die früher in der Verantwortung standen, aber ich vermute immer mehr, dass die Kirche die Hilfe des Staates braucht, um konsequent und restlos Missbrauch aufklären zu können. Vielleicht wird Missbrauch dann noch mehr als gewaltiges gesamtgesellschaftliches Problem in den Blick kommen. […]Betroffen gemacht hat mich im Zusammenhang mit München aber auch, wie ausschließlich der emeritierte Papst Benedikt in den Focus genommen wurde. Gerade ihn habe ich weltkirchlich immer als den erlebt, der konsequent Missbrauch benannt und dagegen gekämpft hat; gerade wohl auch gegen Vertuscher in den eigenen Reihen. Das ging bis zur Entlassung von Hunderten von Klerikern aus dem Priesterstand. […]Dazu durfte ich

    Gab es Momente in denen Sie nicht stolz waren, bei der katholischen Kirche beschäftigt zu sein?
    KLAUS BUCHER: Ich erlebe mich in diesen Wochen zum ersten Mal, seit ich Priester bin, wirklich als niedergeschlagen und deprimiert. Es gibt schon die Momente, in denen ich mich frage, ob ich in dieser Kirche noch Priester sein will, und es gab den einen Morgen, wo ich mich schwergetan habe, den Priesterkragen anzuziehen. Aber schnell war mir wieder klar, dass ich ja bei der Kirche nicht nur in einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ beschäftigt bin, sondern dass die Kirche meine „Mutter“ ist. Und zu seiner Mutter steht man auch, wenn man sich für sie schämt oder sie peinlich ist.

    Was ist Ihre Meinung zum Synodalen Weg?
    KLAUS BUCHER: Papst Franziskus will den Glanz und die Kraft der frohen Botschaft neu stark werden lassen. In einem Brief an alle katholischen Christen in Deutschland bittet er darum, alle Kräfte des Synodalen Wegs dafür in Dienst zu nehmen. „Neuevangelisierung“ ist dafür ein Stichwort. […]Wenn Umfragen stimmen, glauben in Deutschland gerade noch 28 Prozent der Christen an die leibliche Auferstehung Jesu. Darüber müssen wir reden! Warum wir Christen sind, warum wir es bleiben, wem wir glauben, was wir hoffen. Wer Christus als Herrn erkennt und mit ihm lebt, wird schon auch die richtigen Entscheidungen für seine persönliche Lebensführung treffen.

    Wo sehen sie die katholische Kirche in zehn Jahren?
    KLAUS BUCHER: Weltweit stark und im Wachsen. Sie wächst ja jedes Jahr. In Deutschland vermute ich, dass die Kirche klein wird und sich der jetzige Trend verstärkt.

    Welche Veränderungen sollte die katholische Kirche ansteuern?
    KLAUS BUCHER: Vieles, was ich vom Synodalen Weg mitbekomme, dreht sich um Strukturen. Ich glaube, das ist schon ein wichtiges Thema. […]Überhaupt hat die Kirche in vielen Bereichen aus der Geschichte zum Beispiel Trägerschaften, die heute oft schwierig sind. Dass ein Chefarzt in einem Krankenhaus sich an die katholische Morallehre halten muss, weil die Klinik in kirchlicher Trägerschaft ist, finde ich heute nicht nachvollziehbar. Jedenfalls brauche ich keine „katholische“ Blinddarmoperation. Ähnliche Probleme sehe ich auch in anderen Bereichen.

    Gibt es etwas, was sie Menschen, die aufgrund der aktuellen Vorfälle an der katholischen Kirche zweifeln, sagen möchten?
    KLAUS BUCHER: Am ersten Sonntag nach der Veröffentlichung des Münchner Gutachtens habe ich mich gewundert, dass überhaupt noch Menschen in die Kirche kommen. Für die vielen bin ich dankbar. Sie zeigen mir, dass sie trotz allem in der Kirche, was den Blick auf Christus verstellt, den Durchblick behalten. Und dass gerade auch in den aktuellen Stürmen Menschen bereit sind, für den Pfarrgemeinderat zu kandidieren, macht mir Mut. […]

    Zur Person

    Dekan Klaus Bucher ist bereits seit mehr als 20 Jahren in der katholischen Kirche tätig. Dabei hat er die Höhen und Tiefen hautnah erlebt. Doch die Missbrauchsfälle haben den Dekan für den Landkreis Günzburg schockiert. Wie soll es jetzt mit der katholischen Kirche weitergehen? Zum Zölibat, zu Frauen in kirchlichen Ämtern und zur gleichgeschlechtlichen Ehe äußerte sich Dekan Bucher nicht. Im Interview teilte er aber seine Gedanken zur aktuellen Situation der katholischen Kirche. Welche Veränderungen der Dekan für die Zukunft will.

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