Nachdem Peter Feil seine Hausarztpraxis in Ziemetshausen aus Altersgründen zum Ende des vergangenen Jahres zugesperrt hatte, stand die Nachfolge bereits in den Startlöchern. Vor fast vier Monaten hat ein Allgemeinmedizinisches Versorgungszentrum (MVZ) den Praxisbetrieb in den Räumlichkeiten im Ortszentrum an der Mühlstraße übernommen. Stephan Weber und Dr. Florian Ahrweiler, der vorübergehend noch etwa ein Jahr lang Dr. Julia Lessing, Fachärztin für Innere Medizin, vertritt, bieten mit ihrem Team eine umfassende medizinische Grundversorgung für die Marktgemeinde und Umgebung. Demnächst wird das Angebot erweitert.
Landkreis Günzburg mit Kreiskliniken betreibt MVZ Ziemetshausen
Wie berichtet, ist zum Jahreswechsel die Ambulante Medizin gGmbH der Kreiskliniken Günzburg-Krumbach in die Bresche gesprungen, um die Arztversorgung im südöstlichen Landkreis zu sichern. Landrat Hans Reichhart und Kreiskliniken-Chef Robert Wieland sprachen kürzlich im Rahmen des Tags der offenen Tür im MVZ von einem Leuchtturmprojekt und lobten die "enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit der "umtriebigen" Marktgemeinde Ziemetshausen. Die medizinische Versorgung auf dem Land, gerade in entlegenen Gebieten, werde immer schwieriger, fügte Ziemetshausen Bürgermeister Ralf Wetzel hinzu.
Hausarzt in Ziemetshausen: Ab Mai 2024 gibt es Kindersprechstunden, später U-Untersuchungen
Bürgermeister, Marktgemeinderat und Verwaltung haben nicht nur den Stein fürs MVZ ins Rollen gebracht, sondern die Marktgemeinde hat sich auch dazu verpflichtet, sich im Falle eines Defizits finanziell zu beteiligen. Andernfalls wäre der Landkreis mit den Kreiskliniken auch nicht bereit gewesen, die Praxis zu übernehmen. Weiterer Vorteil am Standort Ziemetshausen: Der Kommune gehören die Räumlichkeiten der Praxis und sie vermietet zum Selbstkostenpreis.
Am Tag der offenen Tür, zu dem etwa zwei Dutzend Bürgerinnen und Bürger gekommen waren, haben die Verantwortlichen die Werbetrommel gerührt und betonten, dass ein Angebot nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn es von der Bevölkerung langfristig angenommen wird. Wie man hört, ist der Start vielversprechend gelaufen. Wetzel erhofft sich vom MVZ zudem Synergieeffekte für seine Marktgemeinde, etwa dass perspektivisch die Apotheke im Ort bleibt.
Allgemeinmediziner Stephan Weber und Dr. Florian Ahrweiler
Die Ziemetshauser Praxis erweitert ab Mai ihr Leistungsspektrum, dann wird Stephan Weber Kindersprechstunden anbieten. "Wir haben festgestellt, dass es einen großen Bedarf gibt, auch Kinder und Jugendliche im MVZ zu untersuchen", sagt der 64-jährige Allgemeinmediziner.
Eltern in Ziemetshausen müssten zum Teil weit fahren, damit ihr Sohn oder ihre Tochter behandelt werden könne. "Mein Kollege Dr. Florian Ahrweiler ist ausgebildeter Internist. Ich hatte während meiner Ausbildung mit Pädiatrie zu tun, habe in den vergangenen 30 Jahren tausende Kinder untersucht und behandelt." Dazu kämen viele Vorsorgeuntersuchungen, die sogenannten U-Untersuchungen, die er gemacht habe, sagt Weber.
Deshalb traue er sich Kindersprechstunden zu. "Ich möchte aber auch klar sagen: Wir sind keine Kinderarztpraxis." Man werde im MVZ anstreben, eng mit Kinderärzten und Kinderkliniken zusammenzuarbeiten.
"Wir richten jetzt die Kindersprechstunde ein, die wir ab 1. Mai am Dienstagvormittag von 8 bis 12 Uhr und am Donnerstagnachmittag von 15 bis 18 Uhr anbieten. Später werden die U-Untersuchungen ab U3 hinzukommen", erklärt Allgemeinmediziner Weber weiter. Dazu müssten noch einige Geräte beschafft und ein Raum oder zwei Räume kindgerecht gestaltet werden. Man werde spätestens im Juni so weit sein, vielleicht auch schon früher. "Außerhalb der Kindersprechstunde behandeln wir Kinder und Jugendliche natürlich auch akut."
Problem: In vielen Gemeinden gibt es überhaupt keinen Kinderarzt
Zur kinder- und jugendmedizinischen Versorgung im südlichen Landkreis Günzburg sagt Stephan Weber, der in Bad Homburg (Saarland) und Berlin Humanmedizin studiert hatte und viele Jahre lang praktizierender Allgemeinarzt in England war: "Es ist eine angespannte Situation. Je weiter sie hinausgehen aufs Land, desto schwieriger wird es." Die Eltern hätten häufig genug Probleme, mit ihren Kindern bei einem Facharzt unterzukommen. "In vielen Gemeinden gibt es überhaupt keinen Kinderarzt. Laut Kassenärztlicher Vereinigung gibt es in unserer Versorgungsregion ein Überangebot an Kinderärzten. Davon spüren wir hier in Ziemetshausen mit unserer Randlage wenig. Das betrifft auch die Umgebung."
Nun gehe es in erster Linie darum, ein Angebot vor Ort in der gesundheitlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu etablieren, sagt Stephan Weber. Das werde in der Marktgemeinde und den umliegenden Kommunen den Druck etwas herausnehmen. Allein in der VG Ziemetshausen, die die Orte Ziemetshausen und Aichen umfasst, leben etwa 950 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. "Wenn man bedenkt, dass Ziemetshausen die Heimat von insgesamt knapp 3300 Einwohnern ist, dann ist das ein beachtlicher Anteil."