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Krumbach: Waigel spricht vor Krumbacher Schülern über Wege zu Frieden und die alte Heimat

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Waigel spricht vor Krumbacher Schülern über Wege zu Frieden und die alte Heimat

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    Der ehemalige CSU-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Theo Waigel stellte den Schülern in der Aula des Krumbacher Simpert-Kraemer-Gymnasiums wichtige Stationen seines Lebens vor.
    Der ehemalige CSU-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Theo Waigel stellte den Schülern in der Aula des Krumbacher Simpert-Kraemer-Gymnasiums wichtige Stationen seines Lebens vor. Foto: Thomas Niedermair

    Vielfältige Einblicke in markante Abschnitte seiner politischen Laufbahn gab der ehemalige CSU-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel bei seinem Besuch des Simpert-Kraemer-Gymnasiums. Der 1939 geborene "Bauernbub aus Oberrohr", der maßgeblich an der deutschen Wiedervereinigung und der Einführung des Euro beteiligt war, sprach in der Aula des SKG aber keineswegs nur über wichtige Abschnitte seines Politikerlebens, sondern gab auch einiges über seine persönlichen Stärken und Schwächen preis. Für die aufmerksam zuhörenden Jugendlichen dürfte es beispielsweise tröstlich gewesen sein, dass "auch aus einem nicht braven Schüler wie mir trotz eines mittelmäßigen Abiturs etwas geworden ist".

    Theo Waigel, der am kommenden Donnerstag eine Gruppe des SKG in München empfangen wird, um die Schüler mit dem 2015 eröffneten NS-Dokumentationszentrum vertraut zu machen, für das er sich als Kuratoriumsvorsitzender engagiert hat, blickte im Krumbacher Gymnasium auf seine eigene Schulzeit zurück, die noch von der Verdrängung der NS-Vergangenheit und von einer "Pädagogik der Angst" geprägt gewesen sei.

    Theo Waigel am SKG Gespannt lauschen die Schülerinnen und Schüler am Simpert-Kraemer-Gymnasium dem Vortrag von Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel.
    Theo Waigel am SKG Gespannt lauschen die Schülerinnen und Schüler am Simpert-Kraemer-Gymnasium dem Vortrag von Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel. Foto: Thomas Niedermair

    "In 13 Jahren Schulzeit wurde nicht ein einziges Mal der Tatsache gedacht, dass in Ursberg 379 Behinderte umgebracht worden sind", erinnerte sich Waigel. "Nicht nur die Täter, sondern auch die Opfer sprachen nicht über die schreckliche NS-Zeit." Umso wichtiger sei es, Spendengelder für Studienfahrten zu diesem Lern- und Erinnerungsort bereitzustellen, der sich am Standort der ehemaligen NSDAP-Parteizentrale befindet.

    Obwohl sich seine Schulzeit als "nicht immer spannungsfrei" gestaltete, gab es für den jungen, kulturinteressierten Theo doch auch erfreuliche Ausnahmen. Vor allem ein Schulausflug, der 1956 zu einer Inszenierung von "Heinrich IV." am Residenztheater München führte, habe bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlassen, denn neben Friedrich Domin spielte Klaus Kinski, "ein Verrückter, aber ein großartiger Schauspieler", die Hauptrolle. Nach Waigels Abitur an der Krumbacher Oberrealschule (1959) folgte "zum Broterwerb das Jura-Studium, bei dem wiederum die NS-Vergangenheit verdrängt wurde", diesmal durch die damaligen Rechtsprofessoren, die meist Nazis gewesen seien.

    Theo Waigel erzählt Krumbacher Schülern von seinem gefallenen Bruder

    "Erst 1993 habe ich erfahren, wo mein 1944 mit 18 Jahren in Lothringen gefallener Bruder begraben liegt", erzählte der CSU-Ehrenvorsitzende (seit 2009). In den letzten Briefen des jungen Soldaten komme zum Ausdruck, "dass er das Sinnlose des Krieges erkannt hat und im Vertrauen auf Gott die Hoffnung auf eine Heimkehr bis zuletzt nicht aufgab". Dass das Grab des Bruders heute von Franzosen gepflegt werde, "erfüllt mich heute mit großer Dankbarkeit".

    Theo Waigel, der von 1972 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags war, ging in seinem Vortrag auch auf jene Ära des Kalten Krieges ein, "als sowjetische Kurz- und Mittelstreckenraketen direkt auf uns gerichtet waren" und mit der Stationierung der Pershing-Raketen in Neu-Ulm das Gleichgewicht der Mächte gewahrt werden sollte. "Damals demonstrierten 500 000 Menschen dagegen", blickte Waigel auf die 80-er Jahre zurück.

    Waigel spricht in Krumbach auch das Verhältnis zu Russland an

    "Ich respektiere jeden Pazifisten, aber ich mute niemandem zu, sich einer Diktatur zu ergeben", betonte er und verwies damit indirekt auch auf das durch Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine aktuell schwer belastete Verhältnis zu Russland. Die West-Orientierung Adenauers nach 1945 sei richtig gewesen, was auch für die spätere Ostannäherung Brandts gelte. Als Waigel 1989 Bundesfinanzminister wurde, "öffnete sich mit der friedlichen Revolution in der DDR das Fenster zur Wiedervereinigung". Gorbatschow, mit dem ihn eine freundschaftliche Beziehung verbinde und "dessen schöne Heimat Kaukasus ich persönlich erleben durfte", habe seinerzeit die miserable ökonomische Lage der Sowjetunion erkannt und ein wiedervereinigtes Deutschland für besser gehalten als eine dauerhaft zu subventionierende DDR.

    "Auch wenn das immer wieder behauptet wird, gab es damals keine Zusage, dass sich die NATO im Gegenzug für die deutsche Wiedervereinigung nicht nach Osten erweitern würde." Zudem habe Gorbatschow akzeptiert, "dass Deutschland sein Bündnis selbst wählen kann". Der komplette Abzug der in der DDR stationierten russischen Soldaten und ihrer Angehörigen "wurde letztlich mit zwölf Milliarden D-Mark bezahlt und erfolgte innerhalb von dreieinhalb Jahren".

    Die Einführung einer neuen gemeinsamen Währung, des "Euro", dessen Name auf einen 1995 von Waigel im Europäischen Rat eingebrachten Vorschlag zurückgeht, "war keine Sturzgeburt, sondern kam nach einer langen Vorbereitungszeit von 20 Jahren zustande". Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte dann die dauerhafte Einhaltung der Kriterien finanzpolitischer Stabilität gewährleisten.

    SKG-Schülerinnen und -Schüler erhalten Waigels Publikation zu Europa

    Im Anschluss an den zweistündigen, mit Anekdotischem und mit Auszügen aus Waigels Buch "Ehrlichkeit ist eine Währung" (von 2019) reich bestückten Vortrag gab es für die Schüler nicht nur Exemplare der vom Referenten herausgegebenen Publikation "Unsere Zukunft heißt Europa", sondern sie hatten auch Gelegenheit, dem prominenten Gast Fragen zu stellen. In diesen ging es etwa um Finanzkrisen, um Chinas aktuelle Großmachtrolle, um den Ukrainekrieg und um Putins weitere Ziele.

    Theo Waigel, der "jedes Jahr im Frühjahr vom Allgäu in die alte Heimat Oberrohr zurückkehrt, um zu schauen, ob der hundertjährige Pflaumenbaum wieder blüht", erinnerte bezüglich des undurchschaubar scheinenden Ex-Geheimdienstlers Putin an dessen "im Jahr 2001 im Bundestag gehaltene tolle Rede" und an die damit verknüpften Hoffnungen auf Frieden, Freundschaft und gute Nachbarschaft. "Auch der Westen hat Fehler gemacht, wenn etwa Obama Russland als eine Regionalmacht bezeichnet hat", aber spätestens seit der Besetzung der Krim durch Putin hätte man sich aus der Energieabhängigkeit von

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