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Krumbach: Tradition und Innovation: Wachsfabrik Morsa hat Luftfahrtindustrie im Blick

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Tradition und Innovation: Wachsfabrik Morsa hat Luftfahrtindustrie im Blick

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    Geschäftsführer Raphael Sallinger steht in seiner Fabrik vor einem Fließband. Solche Wachspillen werden fürs sogenannte Casting-Wax-Verfahren verwendet.
    Geschäftsführer Raphael Sallinger steht in seiner Fabrik vor einem Fließband. Solche Wachspillen werden fürs sogenannte Casting-Wax-Verfahren verwendet. Foto: Oliver Wolff

    Die fast 400-jährige Familientradition als Kerzenhersteller bleibt trotz Innovationen und neuen Produkten erhalten: Die Morsa Wachswarenfabrik Sallinger im Norden Krumbachs stellt heute noch in ihrer Manufaktur qualitativ hochwertige Zierkerzen her. Das Geschäft mit Kerzen ist jedoch längst nicht mehr das wirtschaftliche Standbein des weltweit agierenden Unternehmens mit etwa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Neben der bereits etwa ein Jahrhundert andauernden Produktion und Entwicklung von zahnmedizinischem Wachsen fokussiert und spezialisiert sich Morsa zudem immer mehr auf Industriewachse und Kunststoffe. Geschäftsführer Raphael Sallinger hat sich dazu einen Top-Experten aus den USA ins Haus geholt.

    Turbine mit Casting Wax: Aus der Luftfahrtindustrie nicht mehr wegzudenken

    Konkret geht es um das sogenannte Casting-Wax-Verfahren, für das Morsa den Rohstoff herstellt – als einzige europäische Firma und eine von wenigen Produzenten weltweit. Casting Wax, auch Wachsausschmelzverfahren oder Feingussverfahren genannt, ist ein Prozess zur Produktion von hochpräzisen und komplexen Metallteilen. Etwa im Maschinenbau, in der Automobilindustrie oder in der Luft- und Raumfahrt. Jede Schaufel von Flugzeugturbinen wird erst aus Wachs gespritzt, und danach wird dieses Positivmodell mit Aluminium ausgegossen.

    In den Bereichen Flugzeug- sowie Implantatgießerei sieht Raphael Sallinger für seine Firma Wachstumspotenzial. „Die Kunden benötigen ganz reine Feingusspolymere ohne Verunreinigungen durch Asche und haben höhere Ansprüche als zum Beispiel Automobilgießereien.“ Es gebe neben Morsa nur noch eine andere Firma in der EU, die Feingusswachse produziert. 

    Casting Wax funktioniert oftmals so: Ein Modell des gewünschten Teils wird erst aus Wachs oder einem anderen schmelzbaren Kunststoff hergestellt und dann in eine flüssige keramische Suspension getaucht und anschließend mit feinem Sand bestreut. Nach jedem Eintauchen und Besanden wird die Schicht getrocknet. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis eine ausreichend dicke keramische Schale um das Wachsmodell herum entstanden ist.

    Zuvor bei Boeing und NASA: Ein US-Experte leitet bei Morsa die Forschung und Entwicklung

    Die getrocknete keramische Form wird erhitzt, um das Wachs auszuschmelzen und zu entfernen. Dies geschieht zum Beispiel in einem Autoklav oder Ofen. Die keramische Form bleibt zurück und bildet eine hohle Negativform des ursprünglichen Wachsmusters. Diese Form wird später mit geschmolzenem Metall gefüllt, das die Hohlräume der Form ausfüllt und die Form des ursprünglichen Wachsmusters annimmt.

    Der Amerikaner Christ Verta, der seit diesem Jahr bei Morsa in Krumbach Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung ist, hatte zuvor die älteste Feingusswachsfabrik in den USA als CEO geleitet und nach dessen Verkauf unter anderem beim US-Flugzeughersteller Boeing oder bei der NASA als Berater gearbeitet. Im Gespräch erklärt er: Die Vorteile des Casting-Wax-Verfahrens seien hohe Präzision und Detailtreue sowie die Vielfalt der möglichen Metalle, die gegossen werden können von Aluminium hin zu Titan. So könne man komplexe Geometrien herstellen.

    Altes Wachs kann wiederverwendet und aufbereitet werden

    Um Produktionskosten zu senken, sei die Schwierigkeit, Wachse zu entwickeln, die zwei Eigenschaften besitzen: aufbereitbar und dennoch rein. Die Rezeptur könne man sich bildhaft wie bei einem Kuchenteig vorstellen, nur dass die Dosierung der einzelnen Zutaten bei solchen Industriewachsen ganz exakt sein muss. Und sie ist natürlich streng geheim. Sallinger fügt hinzu: „Unsere Wachse besitzen bis zu 15 unterschiedliche Bestandteile.“ Zu berücksichtigen seien etwa der Erstarrungs-, Schmelz- und Tropfpunkt sowie ein Aschegehalt unter 0,03 Prozent. Oder die rückstandslose Verbrennung sowie die Schrumpfung, damit die Gussteile nicht zu klein oder groß werden. „Deswegen wird jedes Teil vor dem Einbau auch geröntgt.“

    Sallinger zeigt ein Fließband. Auf diesem trägt eine löchrige Walze erhitzte, flüssige Wachs-Tröpfchen auf, die auf einer Strecke von etwa sieben Metern abkühlen. Die ausgehärteten Wachspillen werden danach aufgefangen und abgefüllt. Hersteller können diese einmal für ihre Zwecke einschmelzen und nutzen. 

    Möglichst reine Industriewachse sind im Flugzeugbau wichtig

    „Rohstoffe wiederzuverwenden ist ein wichtiges Thema“, sagt Sallinger und führt zu auf dem Firmengelände gestapelten, etwa ein Kubikmeter großen Blöcke von bereits verwendeten Wachsen und Kunststoffen, die Kunden nach Krumbach zum Recycling zurückschickten. In einer der Produktionshallen steht eine Zentrifuge, die das eingeschmolzene Wachs reinigt. 

    „Wir werden bald Wachse nicht über Zentrifugalkraft aufbereiten, sondern auch ein sogenanntes Renew-Erneuerungsverfahren installieren, welche das Wachs auf chemischer molekularer Ebene reagieren lässt, um es wiederherzustellen, speziell für den Bereich Luftfahrt“, so Sallinger. Gleichzeitig wolle er in Zukunft Schaumstoffe als Alternative zu Feingusswachsen produzieren, die um ein Vielfaches leichter sind als Wachs, aber nicht wieder aufbereitet werden können.

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