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Krumbach: So wurde das ÜWK vom Stromversorger zum modernen Energieunternehmen

Krumbach

So wurde das ÜWK vom Stromversorger zum modernen Energieunternehmen

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    Das ÜWK in der Bahnhofstraße in einer historischen Aufnahme mit dem Pferdefuhrwerk der Spedition Georg Drappeldrey. 
    Das ÜWK in der Bahnhofstraße in einer historischen Aufnahme mit dem Pferdefuhrwerk der Spedition Georg Drappeldrey.  Foto: Archiv ÜWK

    Ein Brot, das nach Strom schmeckt? Der Mensch der Gegenwart nimmt eine solche Befürchtung wohl mit Erheiterung zur Kenntnis. Aber als Strom noch neu war, hielt sich dieses Gerücht mit einer bemerkenswerten Hartnäckigkeit. Elektrischer Strom – das war zu Beginn des 20. Jahrhunderts für so manchen nicht mit Fortschritt, sondern mit Ängsten und bisweilen seltsamen Vorstellungen verbunden. Doch schon bald war Strom aus dem Leben nicht mehr wegzudenken. In Krumbach ist diese Entwicklung maßgeblich mit der Geschichte des Überlandwerks (ÜWK) verbunden. Dieses kann jetzt ein besonderes Jubiläum feiern: Vor 100 Jahren, am 7. April 1924, wurde das ÜWK als selbstständige Gesellschaft gegründet. Bis heute ist das ÜWK als Stromversorger für die Region zwischen Babenhausen und Neuburg in einer besonderen Weise mit der Stadt

    Die Nutzung der Wasserkraft: Anfänge lassen sich im mittelschwäbischen Raum bis ins Jahr 1675 zurückverfolgen. Schon damals gab es an der Günz in Breitenthal ein Sägewerk sowie eine Mühle. Mit solchen Anlagen Strom erzeugen? Ende des 19. Jahrhunderts ist die Technik dafür "reif". Im Raum Mittelschwaben ist der Anfang der Stromerzeugung intensiv mit einem Ingenieur aus München verbunden. 1897 kauft Erwin Bubeck, der in

    Das Elektrizitätswerk Breitenthal. Das Bild entstand bei der Inbetriebnahme am 16. September 1899. Im Hintergrund der Aufnahme ist die Pfarrkirche zu sehen. 
    Das Elektrizitätswerk Breitenthal. Das Bild entstand bei der Inbetriebnahme am 16. September 1899. Im Hintergrund der Aufnahme ist die Pfarrkirche zu sehen.  Foto: Archiv ÜWK

    Ein Münchner Ingenieur in Breitenthal? Genaue Details dieser bemerkenswerten Episode sind nicht bekannt. Gleichermaßen steht sie für den Beginn der Stromerzeugung in Mittelschwaben. Bubeck lässt eine neue Wehranlage und ein Turbinenhaus bauen, zwei Jahre später liefert er Strom in die benachbarten Orte Krumbach und Hürben (damals noch selbstständig). Am 16. September 1899 beleuchten in Krumbach erstmals 50 und im benachbarten Hürben 25 Straßenleuchten die nächtlichen Straßen. 

    Auch in Tafertshofen wird die Mühle bald für die Stromerzeugung genutzt. So nimmt das Versorgungsgebiet des heutigen ÜWK bereits in diesen Jahren allmählich Gestalt an. Die Stromerzeugung mit Schwerpunkt in Breitenthal wird schließlich in der Aktiengesellschaft für elektrotechnische Unternehmungen zusammengefasst. 

    Als die Bauern gegen Stromleitungen protestierten

    Mit einer Mischung aus Neugier, Freude, aber bisweilen auch Angst betrachten die Menschen diese Entwicklung. Und auch in dieser Zeit waren Landwirte aufgebracht. Nicht wenige weigern sich, Stromleitungen über ihre Höfe legen zu lassen, weil sie befürchten, dass die Leitungen Brände verursachen könnten. Erst ein von den Lechwerken produzierter Erklärfilm kann die aufgebrachten Landwirte beruhigen. Die Lechwerke (Lech-Elektrizitätswerke, LEW)? Bereits in diesen frühen Jahren der Stromerzeugung in Mittelschwaben deutet sich die enge Bindung des ÜWK zu den LEW an. 

    Wegweisend wird das Jahr 1924. Am 7. April dieses Jahres gründen die Stadt Krumbach und die Aktiengesellschaft für elektrotechnische Unternehmungen das Überlandwerk Krumbach (ÜWK). Diese Zeit ist mit einer bemerkenswerten Persönlichkeit verbunden, die Krumbach über Jahrzehnte hinweg nachhaltig prägen sollte. Erster ÜWK-Chef ist Franz Aletsee (1898 bis 1965), von 1948 bis 1963 auch Krumbacher Bürgermeister. Aletsee ist während der Nazizeit Stellvertreter des damaligen Bürgermeisters Konrad Kling, nach Klings Einberufung von 1942 bis 1944 amtierender Bürgermeister. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Zeitzeugen wiederholt berichtet haben, dass Aletsee, obwohl in den späten Kriegsjahren amtierender Bürgermeister, der Ideologie der Nazis offenbar durchaus distanziert gegenüberstand. 

    In den frühen Zeiten des Überlandwerks befand sich eine Niederlassung in der Krumbacher Bahnhofstraße.
    In den frühen Zeiten des Überlandwerks befand sich eine Niederlassung in der Krumbacher Bahnhofstraße. Foto: Archiv ÜWK

    Nach der Gründung im Jahr 1924 entwickelt sich das ÜWK mit einer geradezu erstaunlichen Rasanz. 1926 reicht die Stromeigenerzeugung nicht mehr aus. Das ÜWK kauft Strom von den LEW in Augsburg. Es ist der Beginn einer Partnerschaft, die bis heute anhält. Zum 100-jährigen Bestehen des ÜWK haben LEW und ÜWK einen intensiven Blick auf die Geschichte des ÜWK geworfen, auch auf die Nazizeit zwischen 1933 und 1945. "Es liegen keine historisch belastbaren Daten vor. Indizien wie Entlassungen von ,belasteten' Mitarbeitenden nach 1945 deuten aber darauf hin, dass es auch im ÜWK überzeugte Nationalsozialisten gab", schreiben ÜWK/LEW in ihrer Mitteilung zum Jubiläum.

    Franz Aletsee war der erste Leiter des Krumbacher Überlandwerks.
    Franz Aletsee war der erste Leiter des Krumbacher Überlandwerks. Foto: Stadtarchiv Krumbach

    Nach dem Einmarsch von US-Truppen in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 müssen die ÜWK-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter im Juli 1945 innerhalb kurzer Zeit ihre Büros (die sich in der Bahnhofstraße befanden) räumen – dort ziehen Verwaltungskräfte der US-Besatzungsmacht ein. Von den Folgen des Krieges erholt sich die Region bemerkenswert rasch. So steigt in den Jahren nach dem Krieg entsprechend schnell der Strombedarf. Das ÜWK konzentriert seine Aktivitäten in der Innenstadt, laufend werden die Anlagen weiter modernisiert. Zentraler Bestandteil des ÜWK wird das Ladengeschäft, es ist bis heute eine wichtige Säule für das ÜWK.

    Das Krumbacher ÜWK behauptet sich mit Beharrlichkeit auf dem Strommarkt

    1998 wird der Strommarkt liberalisiert. Doch das ÜWK behauptet sich trotzt dieses Einschnitts mit einer bemerkenswerten Beharrlichkeit auf dem Markt. Im Verbreitungsgebiet des ÜWK beziehen nach wie vor 75 Prozent der Menschen ihren Strom beim ÜWK, erläutern ÜWK-Geschäftsführer Martin Glink und LEW-Pressesprecher Ingo Butters im Gespräch mit unserer Redaktion. Das ÜWK ist seit 1978 Teil der LEW-Gruppe. Das Überlandwerk gehört zu 74,6 Prozent den LEW und zu 25,4 Prozent der Stadt Krumbach. 

    Als der Verkehr noch überschaubar war: die Krumbacher Bahnhofstraße vermutlich um 1930, links Korbwaren Mayer, heute ÜWK, und rechts die Volksschule, später Fachoberschule.
    Als der Verkehr noch überschaubar war: die Krumbacher Bahnhofstraße vermutlich um 1930, links Korbwaren Mayer, heute ÜWK, und rechts die Volksschule, später Fachoberschule. Foto: Archiv Mimi Faist

    Betreut werden die Orte Krumbach, Breitenthal, Neuburg, Wiesenbach, Deisenhausen, Ebershausen, Aletshausen, Waltenhausen, Kettershausen, Babenhausen, Oberschönegg, Kirchhaslach, Kammeltal (Naichen) und Breitenbrunn (Loppenhausen). Nach Auskunft von Martin Glink sind beim ÜWK aktuell 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Im Haus sind ferner 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von LEW-Verteilnetz (für den Stromnetzbetrieb). Für die Stadt Krumbach sind Bürgermeister Hubert Fischer und Stadtrat Karl Liedel im Aufsichtsrat. Bis 1970 war das ÜWK als AG organisiert, seitdem ist es eine GmbH. Der Jahresumsatz liegt laut Mitteilung von Glink bei rund 20 Millionen Euro. 

    Die fortlaufende technische Modernisierung der Anlagen ist wohl ein wesentliches ÜWK-Erfolgsrezept. In den vergangenen 20 Jahren seien rund 30 Millionen Euro investiert worden und diesen Weg möchte das ÜWK entschlossen weitergehen. 2021 wurde das Elektrofachgeschäft modernisiert. Die Gestaltung der Energiewende ist für das ÜWK ein wesentliches Tätigkeitsfeld. Wie Pressesprecher Ingo Butters erläutert, lag der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Stromverbrauch aller ans ÜWK-Stromverteilnetz angeschlossenen Kunden im Jahr 2022 bei 81 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit lag der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch im Jahr 2022 bei rund 46 Prozent. Für das Jahr 2023 würden die Daten erst in den kommenden Monaten vorliegen. Heute sind es beim ÜWK rund 11.300 Privat- und etwa 2200 Gewerbekunden sowie circa 50 Geschäfts- und Industriekunden. Das ÜWK beliefert sie jährlich mit etwa 50 Millionen kWh Strom. 

    Rundumservice beim ÜWK: Unser Bild entstand vermutlich in den 1970er-Jahren.
    Rundumservice beim ÜWK: Unser Bild entstand vermutlich in den 1970er-Jahren. Foto: Archiv ÜWK

    "Heute deckt das ÜWK die gesamte Bandbreite rund ums Thema Energie ab: Von der Stromlieferung über die eigene Stromerzeugung mit Fotovoltaik, Speicher und Wallboxen für Elektroautos bis hin zu Elektrogeräten", hebt das ÜWK hervor. In Sachen Strom ist das ÜWK gewissermaßen ein Allrounder. Genau darin sieht Bürgermeister Fischer ein wesentliches Erfolgsrezept. Das ÜWK produziert Strom, es kann ein umfassendes eigenes Leitungsnetz nutzen, Beratung, Service, Geräteverkauf, Installation und Reparatur gibt es aus einer Hand. Das sei ein "Rundumpaket" vom "Kraftwerk bis zum Toaster". Für die Stadt Krumbach sei die Verankerung beim ÜWK sehr wichtig, der "ganzheitliche Ansatz des ÜWK ist Teil des Erfolgs", sagt Krumbachs Bürgermeister. 

    So feiert das ÜWK in Krumbach sein 100-jähriges Bestehen

    Wie feiert das ÜWK sein großes Jubiläum? Von Montag, 6. Mai, bis Samstag, 11. Mai, gibt es im Elektrofachgeschäft eine Aktionswoche. Ein großer Festakt ist dann für den Mittwoch, 19. Juni, geplant. Dabei werden wohl auch die Anfänge der Stromversorgung in Krumbach und Umgebung reichlich Stoff für gute Gespräche liefern. Und vielleicht wird den Gästen auch das eine oder andere Stück Kuchen oder Brot gereicht – das garantiert nicht nach Strom schmeckt. 

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