Herr Niedermair, Sie wohnen mittlerweile schon eine ganze Weile in den USA. In Deutschland wurde bei der US-Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump erwartet. Das blieb aber aus. War das für Sie vorhersehbar?
CHRISTOPH NIEDERMAIR: Ich lebe jetzt schon seit 1995 in Kalifornien. Hier wurde ebenfalls ein ganz knappes Ergebnis erwartet. Es war für uns auch nicht vorhersehbar, obwohl ich schon ein schlechtes Gefühl hatte, weil ich den Umfragen nicht immer traue. Meine Theorie ist, dass viele in den Umfragen nicht zugeben wollen, für Trump zu stimmen, es dann aber im stillen Kämmerlein doch tun, was sich auf die Richtigkeit der Prognosen auswirkt.
Wie haben Sie darauf reagiert, dass Donald Trump die Wahl gewonnen hat?
NIEDERMAIR: Mit Bestürzung. Dass dieser Mann überhaupt noch einmal eine Chance hatte, geschweige denn gewählt werden konnte, hat meine Familie hart getroffen.
Wie haben ihre amerikanischen Freunde auf das Ergebnis reagiert?
NIEDERMAIR: Die meisten unserer Freunde haben wie wir reagiert: mit Unglauben, Schock und Bestürzung. Ich muss dazu sagen, dass es in unserem Bekanntenkreis sehr wenige Trump-Anhänger gibt. Wir leben hier im „blauen“ (mehrheitlich demokratischen) Kalifornien halt auch ein bisschen in einer Blase.
Wie haben Sie die Wahl in den USA erlebt?
NIEDERMAIR: Wie jeden normalen Arbeitstag – die Wahlen finden ja immer unter der Woche statt. Wir wählen meist schon im Voraus per Briefwahl, meine beiden Töchter sind an der Uni; eine in einem anderen Bundesstaat. Die mussten sowieso per Briefwahl wählen und wir machen das inzwischen eigentlich auch immer. Daher haben wir schon ein paar Wochen zuvor gewählt. Am Wahltag selbst war es aber wohl überall relativ ruhig und die befürchteten Belästigungen durch fanatische Trump-Anhänger sind weitgehend ausgeblieben.
Im deutschen Fernsehen treten immer wieder sehr dogmatische Trump-Anhänger auf. Haben Sie solche überzeugten Anhänger schon erlebt?
NIEDERMAIR: Die sieht man schon ab und zu: Trucks mit Trumpfahnen auf der Straße, Leute, die im Vorgarten diverse Trump-Gegenstände aufgebaut haben, Poster, Schilder etc. Aber wie gesagt, bei uns relativ selten. Aber immer wieder erstaunlich, wie fanatisiert die „Trump-Jünger“ sind. Neulich auf dem Freeway haben wir einen Pickup-Truck gesehen. Da waren auf der Pritsche eine lebensgroße Trump-Statue und zig Holzschilder von wegen „Kamala ist eine Verräterin“ usw. aufgebaut. Schon alles sehr seltsam. Und auch in Kalifornien hat er vor allem auf dem Land viele Fans. Bei uns in der „Bay Area“ aber weniger.
Haben Sie in den letzten Jahren gesellschaftliche Veränderungen in den USA festgestellt?
NIEDERMAIR: Ja. Meine Frau ist Lehrerin, die kriegt solche Veränderungen immer voll mit. Allgemein sind die Menschen und auch die Kinder viel unhöflicher, lauter und respektloser. Da wird eine Lehrerin schon mal von einer 11-Jährigen als „Bitch“ und ähnlich bezeichnet. Ist ja auch kein Wunder, wenn man sieht, wie der Präsident oder Ex-Präsident über seine „Feinde“ herzieht. Allgemein sind die Leute irgendwie ruppiger im Umgang, die Spaltung der Gesellschaft merkt man schon. Und die richtigen Trump-Anhänger halten meist auch nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg. In der Regel merkt man das innerhalb einer Minute bei einem Gespräch, weil die einen das unbedingt wissen lassen müssen – aus welchen Gründen auch immer.
Haben Sie Angst um die Aufrechterhaltung der Demokratie in den USA?
CHRISTOPH NIEDERMAIR: Ja, schon. Die Machtfülle, nachdem Trump schon viele Richterposten usw. besetzt hat (und da geht’s ja nicht nur um den Obersten Gerichtshof, sondern viele lokale Gerichte/Bundesgerichte), die Mehrheit im Senat hat und wohl auch die im Repräsentantenhaus bekommen wird – Trump 2.0 wird noch viel radikaler als das erste Mal, fürchte ich. Und außerdem ist sein Team jetzt vorbereitet und organisiert. Das völlige Chaos der ersten Amtszeit wird in dieser Hinsicht wohl nicht mehr so wiederholt werden. Er kann „durchregieren“.
Donald Trump hat Zölle auf Importe aus Europa angekündigt. Wie finden Sie das?
NIEDERMAIR: Das ist natürlich auf gut bayerisch-schwäbisch „völliger Schmarrn“. Gegen die Inflation anschreien, aber dann Zölle erheben, die ja für die Verbraucher im Prinzip eine Steuer darstellen und alles teurer machen werden? Wie soll das gehen? Aber ich habe mich damit abgefunden, dass viele Leute hier recht realitätsfern sind. Allerdings muss man sagen, dass die EU in puncto Zölle auch nicht immer eine reine Weste hat. Die deutschen Automobilhersteller werden auch bevorzugt, indem auf US-Wagen hohe Zölle anfallen. Da könnte man vielleicht ansetzen, um gewisse „Deals“ zu bekommen, auf die Trump ja besonders steht. Vielleicht ist das eine der wenigen Einflussmöglichkeiten, die die EU und Deutschland haben.
Denken Sie, dass der Klimaschutz in Trumps Politik weniger Priorität bekommt?
NIEDERMAIR: Natürlich. Er wird gar keine Priorität mehr bekommen – außer, dass durch Elon Musks Einfluss jetzt wohl nicht mehr ganz so gegen E-Fahrzeuge gewettert werden wird wie zuvor. Musk will ja schließlich weiter Teslas verkaufen. Aber ansonsten wird Trump alle Klimaschutz-Maßnahmen der Biden-Regierung abwickeln – hat er ja schon gesagt. Klimaschutz wird nur noch auf Bundesstaatsebene erfolgen, wie bei uns hier in Kalifornien, aber auch diese Maßnahmen wird seine Bundesregierung zu torpedieren versuchen.
Wie wird die Zukunft unter Trump aussehen?
CHRISTOPH NIEDERMAIR: Ich bin kein Hellseher, aber auch nicht zu optimistisch. Ich hoffe, dass das Chaos wie in seiner ersten Amtszeit, das durch seine „besondere Art“ und interne Streitigkeiten bei den Republikanern zukünftig entstehen könnte, verhindern wird, dass die Pläne dieser Leute umgesetzt werden. Aber ich befürchte Schlimmeres, siehe „Projekt 2025“ und natürlich auch für die Ukraine und andere Krisenzonen, aber ebenfalls für die Demokratie hier in den USA. Man darf aber nicht vergessen, dass mehr als 72 Millionen Menschen gegen Donald Trump gestimmt haben (ca. 75 Mio. für Trump). Die sind nicht einfach weg und es wird sicher einen gewissen Widerstand geben. „God bless the USA“, wie sie hier immer so gern sagen.
Zur Person
1994 begann Christoph Niedermair ein neues Leben in den USA. Inzwischen lebt der Diplomübersetzer mit seiner Familie im ländlichen Kalifornien. Doch den Kontakt zu seiner Herkunftsstadt Krumbach hat der 56-Jährige auch heute nicht verloren. Seine Familie besucht er normalerweise jährlich in Krumbach. (AZ)
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