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Interview: "Die weitere Schließung von Hausarztpraxen wird wohl kommen"

Interview

"Die weitere Schließung von Hausarztpraxen wird wohl kommen"

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    Im hausärztlichen Bereich spitzt sich die Lage weiter zu. Details dazu erklärten die Krumbacher Ärzte Dr. Maximilian Drexel, Dr. Thomas Drexel und Dr. Reiner Posch.
    Im hausärztlichen Bereich spitzt sich die Lage weiter zu. Details dazu erklärten die Krumbacher Ärzte Dr. Maximilian Drexel, Dr. Thomas Drexel und Dr. Reiner Posch. Foto: Peter Bauer

    Zwei Hausarztpraxen im Krumbacher Ortsteil Niederraunau und in Ziemetshausen haben seit Monaten geschlossen. Patienten in einer zahlenmäßigen Größenordnung, die wohl in einem niedrigen vierstelligen Bereich liegt, standen plötzlich ohne hausärztliche Versorgung da. Wie hat sich die Lage zuletzt in der Region entwickelt?
    DR. REINER POSCH: Die meisten sind wohl irgendwie in anderen Hausarztpraxen untergekommen. In etlichen Fällen beispielsweise, wenn in einer Praxis schon vorher Familienangehörige Patientinnen und Patienten waren. Doch in den Praxen ist die Lage durch die jüngste Entwicklung immer mehr angespannt.

    Wie ist diese Anspannung konkret zu spüren?
    POSCH: Ich kann hier ein Beispiel aus unserer Krumbacher Gemeinschaftspraxis nennen. Früher war es bei einer Vorsorgeuntersuchung möglich, innerhalb von sechs Wochen einen Termin zu bekommen. Wer jetzt eine Untersuchung wünscht, erhält im neuen Jahr einen Termin. Das ist anders gar nicht mehr möglich und in den meisten Praxen ähnlich. Die Praxen sind am Limit.

    Immer wieder ist zu hören, dass bei der Vergabe von Behandlungsterminen die Wartezeit auf einen Termin generell immer länger wird. Wie schätzen Sie die Lage ein?
    DR. MAXIMILIAN DREXEL: Ich möchte ein Beispiel beschreiben. Ein Patient hat Rheuma und braucht fachärztliche Behandlung. Doch auch die Facharztpraxen sind ja überlastet. So ist vor der Vergabe eines Termins oftmals ein fachärztlicher Fragebogen schriftlich auszufüllen. Das aber erhöht wiederum den zeitlichen Aufwand. Ein Patient, der sich beispielsweise mit Blut im Stuhl bei uns meldet, muss, wenn es sich nicht um einen akuten Notfall handelt, mit mehreren Monaten Wartezeit für eine ärztliche Weiterbehandlung rechnen. Kliniken und Facharztpraxen sind ähnlich wie die Hausarztpraxen extrem ausgelastet.

    Bei der Organisation von Hausarztpraxen, beispielsweise in Ziemetshausen, könnte auch die Organisation Ambulante Medizin der Kreiskliniken Günzburg-Krumbach künftig eine wichtige Rolle spielen. Sie ist eine Tochtergesellschaft des Kommunalunternehmens
    DREXEL: Der Einsatz der Ambulanten Medizin der Kreiskliniken ist lobenswert, aber sie kann das Problem nicht allein auffangen. Man braucht ja Ärzte, und da gibt es eben nur wenige. Viele wollen heute im Angestelltenverhältnis arbeiten, was wiederum die nächtlichen Versorgungsmöglichkeiten der Patientinnen und Patienten einschränkt. Am Ende ist es leider so, dass sich immer weniger Praxen um immer mehr Patientinnen und Patienten kümmern müssen.

    Sie haben diese Problematik schon vor vielen Jahren angesprochen ...
    DR. THOMAS DREXEL: Die Zuspitzung der Lage hat sich schon vor vielen Jahren abgezeichnet. Aber die Politik hat nicht reagiert. Die komplette hausärztliche Ausbildung dauert rund zwölf bis 14 Jahre. Es dauert also, bis das, was politisch auf den Weg gebracht wird, wirksam wird.

    Was könnte helfen?
    MAXIMILIAN DREXEL: Sehr hilfreich wäre prinzipiell eine engere Verzahnung zwischen Universitäten, Kliniken und Praxen. Beispielsweise absolvieren in unserer Praxis regelmäßig Medizinstudentinnen und -studenten der Uni Ulm ein Blockpraktikum. Aber insgesamt ist auf diesem Feld zu wenig passiert.

    Etliche Hausärztinnen und Hausärzte in der Region sind über 60 Jahre alt. Ist mit der Schließung weiterer Praxen zu rechnen?
    THOMAS DREXEL: Das wird wohl so kommen. Meine Schwester Dr. Verena Wittling und ich sind meines Wissens die einzigen Hausärzte im südlichen Landkreis, die unter 40 Jahre alt sind. Allein das sagt schon einiges über die aktuelle Struktur aus.

    Was könnten Städte und Gemeinden direkt für die hausärztliche Versorgung leisten?
    POSCH: Eine gute hausärztliche Versorgung ist ja Teil einer soliden kommunalen Struktur. Beispielsweise bei der Bereitstellung von Kita-Plätzen oder Bauplätzen kann eine Kommune Anreize schaffen, dass sich Ärztinnen und Ärzte gerne dort ansiedeln.

    Zu einer soliden kommunalen Struktur zählt auch die klinische Versorgung. Die Kreiskliniken in Günzburg und Krumbach müssen mit einem Millionendefizit klarkommen. Sehen Sie Auswirkungen auf den hausärztlichen Bereich?
    MAXIMILIAN DREXEL: Ich bin zuversichtlich, dass beide Kliniken in Günzburg und Krumbach erhalten bleiben. In Krumbach beispielsweise wurden ja etliche Millionen Euro in den OP-Bereich investiert. Aber es ist denkbar, dass die Kliniken mehr in den ambulanten Bereich auslagern.

    Immer wieder ist zu hören, dass Hausarztpraxen sich sehr schwertun, Arzthelferinnen und -helfer zu finden. Wie beurteilen Sie die Lage?
    MAXIMILIAN DREXEL: Wir hatten bislang in der Regel bis zu drei Auszubildende jährlich. Heuer bislang keinen einzigen. Die Belastung für Arzthelferinnen und -helfer in den Praxen ist enorm groß geworden. Hier sind auch die Auswirkungen der Corona-Krise zu spüren. Hinzu kommt, dass Patientinnen und Patienten auf die aktuellen Entwicklungen mitunter gereizt reagieren. Das bekommen Arzthelferinnen und -helfer immer wieder massiv zu spüren.

    Immer weniger Ärztinnen und Ärzte, immer weniger Arzthelferinnen und -helfer. Wo werden wir da, sagen wir, in zehn Jahren stehen?
    POSCH: Ich muss es so umschreiben: Im Hof in der Warteschlange. Das ist leider eine reale Vorstellung.

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