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Interview: „Aus“ für Krumbacher Geburtshilfe: „Wir haben keine Chance“

Interview

„Aus“ für Krumbacher Geburtshilfe: „Wir haben keine Chance“

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    Die Kreisklinik in Krumbach aus der Luft. Ab Januar 2025 wird es in der Krumbacher Klinik keine Geburten mehr geben.
    Die Kreisklinik in Krumbach aus der Luft. Ab Januar 2025 wird es in der Krumbacher Klinik keine Geburten mehr geben. Foto: Bernhard Weizenegger (Archivbild)

    PETER BAUER: Ab dem 1. Januar 2025 soll es keine Geburten mehr in der Klinik Krumbach geben. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen – obwohl die Lauterbachsche Krankenhausstrukturreform noch gar nicht offiziell beschlossen ist?
    HANS REICHHART: Das Bundeskabinett hat die Reform bereits im Mai beschlossen. Nach allen Äußerungen letzte Woche im Deutschen Bundestag sind wir fest davon überzeugt, dass diese Reform kommt. Da wird es bei allen teils berechtigten Diskussionen am Ende leider kein Rütteln mehr geben.
    ROBERT WIELAND: Genau das ist die einhellige Meinung in Fachkreisen. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise werden verschiedene Eckpunkte der Reform schon umgesetzt. Krankenhäuser haben dort schon mitgeteilt bekommen, was sie noch machen dürfen und nicht. Mit Blick auf diese Entwicklungen müssen wir reagieren und die Weichen für eine gute Zukunft unserer beiden Kliniken in Günzburg und Krumbach rechtzeitig stellen.

    Über die Zukunft der Geburtshilfe in Krumbach wird seit vielen Jahren mitunter emotional debattiert. Mit welchen Reaktionen auf Ihre Entscheidung rechnen Sie?
    REICHHART: Die Bedeutung dieses Themas ist uns sehr bewusst. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht und über die Jahre alles getan, um die Geburtshilfe zu halten. Zur Sitzung des Verwaltungsrates der Kliniken waren daher auch die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen geladen. Wir haben lange diskutiert, aber am Ende waren sich alle einig, dass es zu diesem Beschluss keine Alternative gibt.

    Was sind die Gründe für den Einschnitt zum 1. Januar?
    REICHHART: Für die Leistungen, die Kliniken anbieten, gibt es in der Zukunft dezidierte Qualitäts- und Strukturvorgaben. Laut der Lauterbach-Reform müssen für eine Geburtenstation mindestens drei Fachärzte vorgehalten werden. Derzeit sind es in Krumbach nur 1, 4 Stellen.
    WIELAND: Wir haben intensiv gesucht, auch viel Leiharbeitskräfte genutzt, aber dauerhaft gibt es keine Perspektive, drei Fachärzte für den Standort Krumbach zu gewinnen. Ausgebildete Fachkräfte orientieren sich in Zukunft an die großen Zentren. Wir finden da niemanden, wir haben keine Chance.
    REICHHART: Dazu kommt die Entwicklung bei den Geburtenzahlen. In Krumbach waren es im Jahr 2023 insgesamt 328 Geburten, im ersten Halbjahr 2024 150, die Tendenz ist rückläufig. Im Jahr 2019 waren es noch 424. Nur 47 Prozent der Mütter im Raum Krumbach bringen ihre Kinder in der Klinik Krumbach zur Welt. In Deutschland gibt es aktuell 607 Geburtsstationen. Krumbach liegt auf dem 37. Platz – aber von hinten. Das ist die Lage, auf die wir reagieren müssen. In der Klinik Günzburg waren es 2024 584 Geburten.
    WIELAND: Die Fachleute sind sich einig, dass Kliniken unter 500 Geburten auf Dauer chancenlos sind und kraft Gesetzes geschlossen werden. Eine ähnliche Entwicklung gibt es bei allen Leistungen, zum Beispiel auch in der Orthopädie. So gibt es etwa bei künstlichen Kniegelenken bereits festgelegte Mindestmengen von 50 pro Standort, die perspektivisch sicher nach oben gesetzt werden. Um diese Leistungen weiter im Landkreis anbieten zu können, haben wir diese Leistungen in Krumbach konzentriert. Im ersten Halbjahr 2024 haben wir hier nun bereits 145 Patienten operiert, das sind beinahe so viele wie im Gesamtjahr 2023. Somit sind wir hier regulatorisch auf der sicheren Seite.

    In Krumbach sind ab Januar 2025 keine Geburten mehr möglich, aber es ist ja durchaus nicht sicher, dass die Mütter aus dem südlichen Landkreis künftig die Klinik Günzburg nutzen. Wie bewerten Sie mit Blick darauf die Lage?
    WIELAND: Hier soll unsere Spangenlösung mit einer Portaleinrichtung für die Geburtshilfe in Krumbach greifen. Diese Lösung soll beide Standorte stärken und eine weitere Versorgung der Patientinnen ermöglichen.

    Wie soll diese konkret aussehen?
    WIELAND: In Krumbach soll es ab Januar weiterhin viele geburtshilfliche Angebote geben. Die Patientinnen werden in Krumbach gynäkologisch weiterhin durch Chefarzt Herrn PD Dr. Mayer versorgt. Zum Angebot gehören auch Gespräche mit Hebammen, ärztliche Untersuchungen sowie telemedizinische Angebote durch das Josefinum in Augsburg und die Unikliniken in Augsburg und Ulm. Bei den Geburten in Günzburg können Hebammen aus Krumbach den Müttern zur Seite stehen. Die Nachsorge findet wieder in Krumbach statt. Denkbar ist auch eine Art Storchenmobil, mit dem Mütter und Hebammen nach Günzburg gebracht werden. Wir werden noch diese Woche beginnen, die konkreten Angebote und Strukturen mit den beteiligten Akteuren auszuarbeiten.

    Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Gynäkologie/Geburtshilfe sind in Krumbach von der aktuellen Veränderung betroffen und können sie Ihre Arbeitsplätze behalten?
    WIELAND: Aktuell sind es sechs aktive Hebammen und neun Kinderkrankenschwestern. Es gibt 1,4 Facharztstellen und zwei Assistenzarztstellen. Darüber hinaus Ärzte, die einzelne Dienste übernehmen. Wir möchten betonen, dass niemand den Arbeitsplatz verlieren wird.

    Aber die Frage wird sich wohl stellen, ob alle Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter in Krumbach bleiben oder sich andere Arbeitgeber suchen. Wie schätzen Sie mit Blick darauf die Lage ein?
    REICHHART: Wir wissen, wie emotional über dieses Thema diskutiert wird. Auch mit Blick darauf haben wir mit allen Beteiligten am Montag intensiv gesprochen, sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik wurden am Dienstag zudem in einer Versammlung umfassend informiert. Da gab es viel Verständnis für unseren Weg. Ich bin zuversichtlich, dass unsere sachlichen Argumente überzeugend sind. Niemand muss sich einen anderen Arbeitgeber suchen. Unser Ziel ist es, am Ende möglichst viele Angebote überhaupt noch im Landkreis Günzburg entweder in Krumbach oder in Günzburg anbieten zu dürfen.

    Laut unserer Informationen wird insbesondere im Kreis der Krumbacher Hebammen über die aktuelle Entwicklung durchaus kontrovers debattiert. Welche Perspektive sehen Sie insbesondere für die Hebammen?
    REICHHART: Der Landkreis wäre bereit, im Bereich der Gebäude, die derzeit an der Mindelheimer Straße neben der Klinik entstehen, ein hebammengeleitetes Geburtshaus zur Verfügung zu stellen.

    Was bedeutet das konkret?
    WIELAND: Dies wäre eine Einrichtung, die Hebammen selbstständig organisieren könnten, wenn das gewünscht ist. Dort wären dann auch Geburten möglich. Hier wird es noch Gespräche geben.

    Stichwort Diskussion über die Zukunft der Krumbacher Klinik. In Krumbach und Umgebung sind schon jetzt Stimmen zu hören, dass die Entscheidung zur Geburtshilfe der Anfang vom Ende der Krumbacher Klinik sei. Wie bewerten Sie dies?
    WIELAND: Die Klinik Krumbach ist für den Grund- und Basisbereich weiterhin versorgungsrelevant. Wir haben im Zuge der Kliniken-Umstrukturierung im Landkreis den muskuloskelettalen Bereich in Krumbach mit Chefarzt Dr. Manfred Herr gestärkt. Ebenso die Altersmedizin und Geriatrie. Weiterhin haben wir eine starke Innere Medizin, Gastroenterologie und Kardiologie. Die Allgemeine Chirurgie stellt die Basisversorgung sicher. Wir erfüllen die Voraussetzungen für die Notfallstufe 1, das ist gerade extern durch den Medizinischen Dienst geprüft worden - und haben einige der modernsten OP-Säle und Intensivbereiche. Die Klinik Krumbach wird auch künftig eine wichtige Rolle spielen.
    REICHHART: Angesichts der Vorgaben des Bundes müssen wir aber im Bereich Gynäkologie/Geburtshilfe bewusst jetzt diesen Schritt gehen. Wir haben so Handlungsspielraum, den Bereich Gynäkologie/Geburtshilfe für den ganzen Landkreis in den kommenden Monaten aktiv neu zu gestalten. Dabei wird Krumbach weiterhin eine wichtige Rolle spielen. In unseren Nachbarkreisen gibt es nur noch jeweils eine Geburtshilfe und kein Angebot darüber hinaus, bei uns ist das anders. Der Landkreis Günzburg steht weiterhin mit aller Entschiedenheit hinter den beiden Klinikstandorten.
    ZUR PERSON: Hans Reichhart, CSU, geboren am 20. Juni 1982 in Burgau, ist seit 2020 Landrat im heimischen Kreis Günzburg und Vorsitzender des Verwaltungsrats der Kreiskliniken Günzburg-Krumbach. Von 2018 bis 2020 war er bayerischer Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr. Robert Wieland, geboren am 21. Mai 1968 in Augsburg, ist seit Herbst 2022 Vorstand des Kommunalunternehmens Kreiskliniken Günzburg-Krumbach.

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