In der Gaststube und im Biergarten, zum Frühschoppen oder zum Feierabendbier: Urtümliche Wirtshausmusik schafft ein besonderes Lebensgefühl. Wo wirtshausfreundlicher Musikant auf musikantenfreundlichen Wirt trifft, kann sich musikalische Spontanität im traditionellen Stil entfalten: frische handgemachte Volksmusik, die ohne Bühne, Programm und Verstärker auskommt, sich einfach unters Gästevolk mischt und dieses mit ungekünstelter Spielfreude ansteckt.
Beim Wirtshausspielen mitsingen und tanzen: Ausdrücklich erwünscht! Aus ihrer Praxis und Leidenschaft heraus, möchten die Volksmusikberater Christoph Lambertz und Evi Heigl Musizierwillige ermuntern, es selbst zu versuchen. Wichtig sei doch, dass das gemeinsame Musizieren und Singen in der Bevölkerung „wieder an Wert gewinnt“. Spontane Musik wurde früher in vielen Gaststuben gepflegt. Ungezwungen traf man am Feierabend, am Sonntag zusammen, packte die Instrumente aus und spielte ohne Noten, aus Spaß an der Freud, einfach drauflos.
Doch vielerorts ist das freie Singen und Musizieren aus den Gaststuben verschwunden. Musizieren im Wirtshaus als gelebte Heimatkultur, dafür setzen sich das bayerische Heimatministerium und der Bezirk Schwaben ein. Mit geselligen Veranstaltungen zum gemeinsamen Singen, Tanzen und Musizieren leistet die Volksmusikberatung eine wertvolle Kulturarbeit vor Ort. Nicht Vorführmusik, sondern Mitmachmusik liegt den beiden Volksmusikkennern besonders am Herzen. „Diese Veranstaltungen machen wir gerne im Wirtshaus“, erklärt der Leiter der Beratungsstelle für Schwaben, „denn die Volksmusik soll an ihrem Entstehungsort wieder ihren Platz finden“.
Vor rund 30 Jahren ließ die Beratungsstelle für Volksmusik mit dem Aufspielen eine alte Gepflogenheit aufleben. Seitdem kommen Sänger und Musikanten bei diesen spontanen oder organisierten Treffen zusammen und feiern die volkstümliche Lebensart. An das Aufspielen im Krumbacher Gasthof Traubenbräu denkt Inhaber Georg Ringler jun. gerne zurück. Im Wirtshaus verschmelzen Kulturformen der Heimat, die seit Jahrhunderten zusammengehören. Es ist ein zentraler Ort des Gemeinschaftslebens, hier trifft man sich, diskutiert oder musiziert. Für den Gastronom, der auch Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) ist, ist das „lebendige und gelebte Wirtshauskultur“.
Mit Freude beobachten Lambertz und Heigl, die selbst leidenschaftliche Volksmusiker sind, dass sich mittlerweile bei zahlreichen Gaststätten des bayerisch-schwäbischen Umlandes das Wirtshausspielen in vielgestaltiger Art verselbstständigt.
Auch mit Musikantenstammtischen kehrt landauf, landab ein Stück schwäbische Lebensart in das Wirtshaus zurück. In geselliger Atmosphäre wird nach Lust und Laune in verschiedensten Besetzungen und mit Instrumenten wie Harmonika, Hackbrett, Geige, Gitarre oder Mundharmonika musiziert. Wie Evi Heigl betont, soll dabei nicht Perfektion und Professionalität, sondern die Freude am Musizieren immer im Vordergrund stehen.
Zünftige Lieder für das gesellige Beisammensein werden zum Beispiel auch im Balzhauser Gasthof Adler „serviert“. Seit etwa zwei Jahren lädt Johann Greiner jeden letzten Dienstag im Monat zum Wirtshaussingen ein. Der Saal ist proppenvoll, Liederzettel liegen aus und das musizierende Trio mischt sich unter die Gäste. „Dass die Veranstaltung so einschlägt und mittlerweile weit über die Landkreisgrenzen hinaus eine große Anhängerschar hat, daran hätte anfangs niemand gedacht“, freut sich der Gastwirt.
Auch mit der „Wirtshausakademie“ hatte die Beratungsstelle für Volksmusik eine gute Idee: Beim „geführten Zusammenspiel“ können sich spielfreudige Laien bei erfahrenen Volksmusikanten wie Christoph Lambertz nach wenigen Erklärungen einfach „anhängen“ und nicht zu schwere Stücke mit- und nachspielen. Musizierenden stellt die Volksmusikberatung für das „Singen und Musizieren zum eigenen Werkgenuss“ gerne gemafreie Stücke aus ihrem Volksmusik-Fundus zur Verfügung.
Im Jahr 2006 hatte die Beratungsstelle für Volksmusik in der Augsburger Allgemeinen einen Aufruf an musikbegeisterte Wirte in Bayerisch-Schwaben gestartet: Wer Musikanten Tür und Tor öffnen möchte, Musikantenstammtische organisieren oder einfach gerne gelegentlich zum offenen Musizieren einladen will, sollte sich melden. Heute können sich interessierte Wirte aus Bayern direkt über den Landesverein für Heimatpflege per E-Mail (volksmusik@heimat-bayern.de) oder über die eigens dafür eingerichtete Internetseite (musikantenfreundlicheswirtshaus.de) für die Aktion „Musikantenfreundliches Wirtshaus“ anmelden.
Dass die Gaststuben als Ort persönlicher und musikalischer Begegnung wieder mehr Aufwertung erfahren, zeigt den beiden Volksmusikberatenden der Erfolg der Aktion, die seit 2019 auch das Heimatministerium unterstützt: Die Zahl der als musikantenfreundlich klassifizierten Wirtshäuser steigt. „Musikantenfreundliches Wirtshaus“ heißt die nicht nur volksmusikalisch ausgerichtete Veranstaltungsform und Auszeichnung des freien Laienmusizierens in Bayern, die vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege zusammen mit dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und den Einrichtungen der Kultur- und Heimatpflege in den sieben bayerischen Bezirken getragen wird. Vorbild dafür ist das Projekt „Musik beim Wirt“ des Steirischen Volksliedwerkes, das seit 1980 steirische Wirte würdigt, die sich für die dörfliche Musikkultur einsetzen.
Seit 1996 zeichnet in Bayern der Arbeitskreis „Musikantenfreundliches Wirtshaus“ mit dem gleichnamigen Prädikat Wirte aus, die in ihren Räumen gerne Sänger und Musikanten zu Gast haben. Seither haben weit über 500 Wirtshäuser aus allen bayerischen Bezirken das Prädikat erhalten.
Auch das Gasthaus „Beim Bäschte“ im Deisenhauser Ortsteil Nordhofen darf sich jetzt „musikantenfreundliches Wirtshaus“ nennen. Vor der Terrasse hängt ein blaues Metallschild mit Tuba und Klarinette, es lässt schon von weitem erkennen: Hier sind Musikanten gerne gesehen. Im November 2024 wurde Wirt Marcel Lohr, der die Gaststätte seit Juli 2023 betreibt, die gleichnamige Plakette verliehen. In Schwaben hat auch das Hofgut „Bäldleschwaige“ in Tapfheim die Plakette und die Urkunde erhalten. „Weil es zu einer typisch bäuerlichen Dorfwirtschaft einfach dazu gehört“, machte Marcel Lohr bei der Aktion mit.
Ob als Solomusiker, zu zweit oder mehr, „interessierte Musiker können sich gerne bei mir melden“, merkt Marcel Lohr an. Als Gegenleistung für das Musizieren gibt es vom Wirt eine Brotzeit mit Getränk. Für die Bewerbung als musikantenfreundliches Wirtshaus müsse man lediglich auf der Internetseite der Aktion, unter der Rubrik „Da will ich mitmachen“, ein Formular ausfüllen und darin unter anderem die eigene Gaststätte beschreiben. Die weitere Abwicklung erfolgte über die in Krumbach ansässige Volksmusikberatungsstelle.
Übrigens: Jedes Jahr im Herbst werden Wirte ausgezeichnet, die offen für spontanes Singen und Musizieren in ihren Räumen sind. Interessierte Wirtshäuser können sich bis 1. September 2025 anmelden. Weitere Infos zur Aktion gibt‘s unter musikantenfreundlicheswirtshaus.de.
Im denkmalgeschützten Hürbener Wasserschloss in Krumbach hat die Beratungsstelle für Volksmusik des Bezirks Schwaben ihren Sitz. Die Beratungsstelle engagiert sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung lebendiger Volksmusik- und Volkstanzpraxis in Schwaben. Sie ist Ansprechpartnerin für Musikgruppen, Laien- und Profimusikerinnen und -musiker, gibt Lied- und Notenmaterial mit regionaler Musik heraus, erstellt wissenschaftliche Dokumentationen und veröffentlicht Tanzbeschreibungen, Noten und Lehrvideos auf ihrer Website.
Regelmäßig bietet die Beratungsstelle Lehrgänge und Musikfreizeiten, Kurse in den Bereichen Gesang, Tanz und Instrumentalmusik, Mitsing-Angebote für alle Altersklassen, geistliche Konzerte, Volkstanzveranstaltungen sowie die Aktion „Aufspiel’n beim Wirt“.
Mehr Infos sind auf der Webseite der Beratungsstelle für Volksmusik des Bezirks Schwaben zu finden.